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USA | Greise an der Macht: Bidens Pannen zeigen Amerikas großes Problem


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Greise an der Macht
Bidens Pannen zeigen Amerikas großes Problem

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 21.07.2022Lesedauer: 5 Min.
Alter Präsident und keine Ausnahme: Joe Biden wird dieses Jahr 80 Jahre alt.Vergrößern des Bildes
Alter Präsident und keine Ausnahme: Joe Biden wird dieses Jahr 80 Jahre alt. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Die Zweifel wegen Joe Bidens fortschreitendem Alter werden immer größer. Dabei haben die Alten in der US-Demokratie inzwischen fast überall das Sagen.

"Er ist eben einfach sehr alt" ist ein Satz, der in Washington wohl nie so häufig gefallen ist wie in den vergangenen zwei Jahren. Er fällt, sobald von Joe Biden die Rede ist – in Hintergrundgesprächen, wenn etwa deutsche Politiker und Regierungsvertreter zu Besuch sind. Zu hören ist er aber auch sonst ständig, ob auf Reisen des US-Präsidenten im Ausland, wenn er sich mal wieder verhaspelt hat, ob in den zahlreichen ausländischen Botschaften in der Hauptstadt oder auf den langen Fluren der Bundesbehörden.

In den konservativen Medien und in den Social-Media-Kanälen der Republikaner ist das Alter von Joe Biden ohnehin Dauerthema. Häme, Wut und Fassungslosigkeit wechseln sich dort ab. Joe Biden, der vom Fahrrad fällt. Joe Biden, der die Gangway zu seinem Flugzeug Air Force One heraufstolpert. Joe Biden, der Ländernamen vertauscht oder immer wieder Worte in seinen Reden verschluckt. Gerade sorgte für Wirbel, dass er davon sprach, Krebs zu haben. Bidens Stab musste mühsam erklären, dass der Präsident damit seinen vor Jahren entfernten Hautkrebs gemeint habe. Doch Biden hatte nicht in der Vergangenheitsform gesprochen.

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Längst versucht aber nicht mehr nur der politische Gegner, Zweifel an der geistigen Fitness des US-Präsidenten zu säen. Zuletzt hatten etwa Dutzende Republikaner Biden aufgefordert, sich einem kognitiven Test zu unterziehen, der dabei helfen soll, Alzheimer früh zu erkennen. Donald Trump hatte einen solchen Test kurz vor der Wahl 2020 gemacht und gesagt: "Ich garantiere Ihnen, dass Joe Biden diese Fragen nicht beantworten könnte."

Zunehmend sieht es auch das eigene Lager der Demokraten skeptisch, ob Biden seine immer wieder beteuerte Wiederwahl im Jahr 2024 wirklich anstreben sollte. Eine Umfrage der "New York Times" hatte in diesen Tagen ergeben, dass 64 Prozent der Demokraten einen anderen Kandidaten bevorzugen würden. Bei den unter 30-Jährigen beträgt der Anteil sogar 94 Prozent. Als Hauptgrund gaben die Befragten mit 33 Prozent das Alter von Joe Biden an.

Biden, das Symptom der Vergreisung

Noch vier Monate, dann hat Joe Biden am 20. November seinen 80. Geburtstag. Schon jetzt ist er der älteste Präsident, der jemals in Amerika seinen Amtseid abgelegt hat. Dieser alte, mächtige Mann ist im politischen System der USA aber längst keine Ausnahme mehr.

Biden ist vielmehr das Symptom einer Entwicklung, die sich seit Jahrzehnten andeutet. Sie zieht sich durch alle Institutionen in Washington – vom Weißen Haus an der National Mall, zum Kongress auf dem Capitol Hill bis hin zum dahinterliegenden Supreme Court, Amerikas höchstem Gericht. Amerika verkomme zu einer Gerontokratie, zu einer Herrschaft der Greisen, warnen Experten seit Jahren.

Verwunderlich ist es zunächst nicht, dass Regierungsmitglieder, Parlamentarier und Bundesrichter im Schnitt deutlich älter sind als der Durchschnitt der Bevölkerung des Landes. Immerhin gilt für den US-Präsidenten ein Mindestalter von 35 Jahren. Für Senatoren liegt es bei 30, für Kongressabgeordnete bei 25 Jahren.

Für Richter am Supreme Court ist das Alter zwar nicht als Voraussetzung festgeschrieben. Aber auch dort liegt es gewissermaßen in der Natur der Sache, dass nur Kandidaten mit etlichen Jahren Berufserfahrung ernannt werden.

Es gibt keine Obergrenzen

Viel entscheidender für die Vergreisung der Vereinigten Staaten ist jedoch, dass es für all diese Ämter keine Altersbegrenzungen gibt. Während etwa Piloten sich ständig physischen und psychischen Tests unterziehen müssen, können Präsidenten, Parlamentarier, Richter wichtige Entscheidungen für das Volk treffen, bis zu dem Tag, an dem sie sterben.

Tatsächlich gibt es keine andere große westliche Demokratie, die es ihren mächtigsten Richtern erlaubt, bis zu ihrem Tod zu amtieren. Während die Entscheider am Supreme Court auf Lebenszeit ernannt werden, ist die Amtszeit des Präsidenten immerhin auf maximal zwei Perioden beschränkt. Würde Joe Biden tatsächlich wiedergewählt, wäre er am Ende aber trotzdem 86 Jahre alt. Kongressabgeordnete und Senatoren können immerhin vom Volk abgewählt werden.

Tatsächlich ist der derzeitige Senat dennoch der älteste, der jemals in Amerika herrschte. Das Durchschnittsalter der Senatoren lag zu Beginn der 117. Wahlperiode bei 64,3 Jahren. Die Mitglieder des Repräsentantenhauses sind mit im Schnitt 58,4 Jahren ebenfalls älter als je zuvor. Im Deutschen Bundestag lag der Wert zu Beginn der Legislaturperiode im vergangenen September bei 47,3 Jahren.

An den entscheidenden Positionen sind in Amerika Menschen an der Macht, die alle um die 80 Jahre alt sind.

  • Als bekanntestes Beispiel gilt die 82-jährige Nancy Pelosi. Als einflussreiche Sprecherin des Repräsentantenhauses ist sie die Nummer drei im Staat nach dem 80-jährigen Joe Biden. Die kalifornische Abgeordnete der Demokraten saß bereits seit 10 Tagen im Kongress, als der damalige US-Präsident Ronald Reagan im Juni 1987 seine berühmte Rede am Brandenburger Tor in Berlin hielt. Genug hat sie offenbar noch immer nicht. Im Januar dieses Jahres hatte sie verkündet, dass sie bei den Zwischenwahlen im November wieder antreten werde.
  • Auch der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat, der zweiten wichtigen Kammer des Kongresses, ist bereits 71 Jahre alt. Chuck Schumer, der den Bundesstaat New York schon seit 1993 vertritt und im Herbst für eine fünfte Amtszeit antritt, ist damit aber nicht einmal annähernd der älteste Vertreter seiner Zunft.
  • Mitch McConnell, der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im US-Senat, ist 80 Jahre alt. Als Senator vertritt er den Bundesstaat Kentucky bereits seit 1985. Wenn er seine inzwischen schon siebte Amtszeit voraussichtlich beendet haben wird, wird er 85 sein.
  • Als derzeit prominenteste Vertreterin der Riege der Greise gilt allerdings die kalifornische Senatorin Dianne Feinstein. Geboren wurde sie im Jahr 1933. Mit derzeit 89 Jahren ist sie die älteste amtierende Senatorin. Weil die Demokratin immer wieder durch ihre geistigen Aussetzer auffällt, wird seit Jahren heftig über ihre geistige Gesundheit diskutiert. Zuletzt wurde ihr im April von besorgten Kollegen attestiert, ihr Gedächtnis würde sich rapide verschlechtern. Im Kongress gilt es offenes Geheimnis, dass ihre Arbeit fast nur noch von ihren Büromitarbeitern erledigt wird.
  • Dicht gefolgt wird Feinstein im Senat von ihrem republikanischen Kollegen Richard Shelby, der mit 88 Jahren noch immer seinen Bundesstaat Alabama vertritt.

Sind das alles außerordentliche Einzelfälle? Tatsächlich gehört zu fast jedem wichtigen Politikernamen eine Person jenseits der 70. Ob es der Ex-Präsident Donald Trump mit 76 Jahren ist, die Senatoren Elizabeth Warren mit 73, Bernie Sanders mit 80, Joe Manchin mit 74 oder Mitt Romney mit 75. Jüngere Politikerinnen wie die 32-jährige Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez aus New York bleiben eine Ausnahme.

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Die Kritik am hohen Alter und am Dienstalter der Mächtigen ist groß. Die Jungen würden nicht ausreichend repräsentiert, lautet ein Vorwurf. Verfilzende und korrumpierte Strukturen ein anderer. Zuletzt gab es wieder mal Empörung, weil Nancy Pelosis Ehemann Aktienpakete erwarb, während seine Frau über Gesetze zur Regulierung von Digitalkonzernen abstimmen darf. Das Alter und der sprichwörtliche Sumpf von Washington – das hängt für viele eng zusammen.

Immer wieder zeigen Umfragen deshalb, dass eine deutliche Mehrheit der Amerikaner die Amtszeiten ihrer Abgeordneten gerne begrenzen würde. Zuletzt ergab eine Befragung, dass 82 Prozent der Wählerinnen und Wähler einer Verfassungsänderung zustimmen würden, die den Mitgliedern des Kongresses Amtszeitbeschränkungen auferlegen könnte. Versuche, ein solches Gesetz zu verabschieden, scheitern aber immer wieder. Die Mächtigen wollen sich selbst nicht abschaffen.

Schon der Nachkriegspräsident Harry S. Truman kritisierte die "alten und hinfälligen" Kongressmitglieder in Washington. Der 33. Präsident der Vereinigten Staaten vermerkte handschriftlich: "Zwölf Jahre Washington sind genug für jeden Mann. Nach zwölf Dienstjahren sollte kein Präsident, Senator oder Mitglied des Repräsentantenhauses wiedergewählt werden können."

Seine Forderung wurde bis heute nicht umgesetzt.

Verwendete Quellen
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