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Zum journalistischen Leitbild von t-online.War's das für Trump? Statt "The Donald" jetzt "The Ronald"
Immer mehr Republikaner wenden sich gegen Donald Trump. Chancen als neuer Anführer hat jetzt ein anderer, den viele für noch gefährlicher halten.
Wann genau die Dinge für Donald Trump ins Rutschen gerieten, lässt sich schwer feststellen. Spekulationen über seine politische Zukunft gibt es seit seiner Abwahl im November 2020. So intensiv wie in diesen Tagen aber wurde Trumps künftiges Schicksal in den US-Medien bislang nicht thematisiert.
Fast immer wird dieses dabei verbunden mit einem Mann, der anders als der Ex-Präsident jeden Tag politisch gestalten und seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann. Sein Name ist Ron DeSantis. Als Gouverneur regiert er ausgerechnet den Bundesstaat Florida, wo Trump sein berühmtes Golfclub-Anwesen Mar-a-Lago besitzt.
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Längst sind es nicht mehr nur die neuesten Beweise gegen Trump, die der von Demokraten geleitete Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar zutage fördert und die ihn schwer belasten. Auch in der eigenen Partei rumort es. Einflussreiche Kommentatoren in konservativen Medien, die ihn einst unterstützten, und Prominente wenden sich von ihm ab und sprechen sich für Ron DeSantis als künftigen Anführer der Republikaner aus.
Hinzu kommen Umfragen, die diesen Trend zu belegen scheinen. Dass Trump nun offenbar seine Präsidentschaftskandidatur für 2024 an der Partei vorbei bekannt geben wollte, scheint nur zu bestätigen, wie sehr er unter Druck steht. Die größte Gefahr für Trump ist es offenbar, den richtigen Moment zu verpassen. War es das womöglich bereits für "The Don"? Ist die Zeit schon reif für "The Ron"?
"Einfach jünger, frischer und spannender"
Einer der Ersten, die das Feuer auf den Ex-Präsidenten eröffnet haben, ist der britische Autor Piers Morgan. Als einflussreicher Kolumnist der konservativen "New York Post", die zum Konzern des Medienmoguls Rupert Murdoch gehört, schrieb der ehemalige Trump-Unterstützer Ende Juni einen Text, gerichtet an alle Republikaner, der deutlicher kaum sein konnte. Unter dem Titel "It’s time to dump The Donald and run with The Ronald" griff Morgan Trump an und hob zugleich DeSantis aufs Schild.
"Er ist einfach jünger, frischer und spannender als der alternde, tobende Gorilla, der zu einem jammernden, demokratieverachtenden Langweiler geworden ist", schrieb Morgan, der wie gesagt für einen der einflussreichsten konservativen Medienkonzerne Amerikas schreibt. "Nach fast jeder politischen Messgröße", so Morgan, sei Ron DeSantis "eine weitaus bessere Option als Donald Trump, um die Republikaner in die Wahlen 2024 zu führen".
Wenige Tage zuvor hatte bereits der einflussreiche Tech-Milliardär Elon Musk öffentlich bekannt gegeben, welchem möglichen Kandidaten der Republikaner er im Jahr 2024 den Vorzug geben würde. Es ist Ron DeSantis.
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Umfragen sehen DeSantis im Vorteil
Ebenfalls seit Ende Juni stürzen sich Medien auf eine Umfrage der University of New Hampshire. Sie ergab, dass im sogenannten "Granite State" New Hampshire Floridas Gouverneur Ron DeSantis für das Wahljahr 2024 bessere Chancen gegen Joe Biden hätte als Donald Trump.
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Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb diese Umfrage kaum für die Mehrheit der Republikaner-Anhänger in den übrigens Bundesstaaten spricht. Die einfachste lautet: Republikaner in New Hampshire ticken anders als in Staaten wie Texas, Georgia oder Arizona. Und: Eigentlich ist es auch noch viel zu früh, um zu ermessen, wen die Wählerinnen und Wähler bevorzugen würden.
Dennoch bestimmt der Zweikampf "Ron vs. Don" seither noch mehr die Schlagzeilen. Nicht zu Unrecht. Auch andere Umfragen unter Republikanern zeigen bereits seit Langem zumindest flolgenden Trend: Würde DeSantis statt Trump antreten, bekäme er mehr Zustimmung von den eigenen Anhängern.
In einer erst am Wochenende durchgeführten Umfrage beim jährlich stattfindenden "Western Conservative Summit" zog DeSantis an Trump vorbei. 71 Prozent der Teilnehmer wollten, dass der Gouverneur von Florida im Jahr 2024 für das Präsidentenamt kandidiert. Für Trump waren nur 67 Prozent. Weit abgeschlagen mit 28 Prozent liegt der texanische Senator Ted Cruz.
Zaghafte Distanzierungen
In Washington ist es ein offenes Geheimnis, dass zahlreiche Republikaner Donald Trump am liebsten sofort los wären. Niemals würden sie das öffentlich sagen, zu groß ist die Angst nach wie vor, politisch dann abgesägt zu werden. Stattdessen warten viele offenbar auf den richtigen Moment. Eine Rede von Liz Cheney bei der klassisch konservativen "Reagan Foundation" vor wenigen Tagen zeigte, dass sich einige Republikaner zumindest zaghaft mehr Opposition zu Donald Trump zu trauen scheinen.
Galt die bei Trump-Anhängern in Ungnade gefallene Liz Cheney bislang als einsame Ruferin, bekam sie dort auffallend viel zustimmenden Applaus. "Republikaner können sich nicht für beides entscheiden, loyal gegenüber Donald Trump und loyal gegenüber der Verfassung zu sein", sagte Cheney, die eine der Hauptfiguren im Untersuchungsausschuss zum 6. Januar ist. Applaus ist zwar keine verlässliche Messgröße, noch vor wenigen Monaten aber war dies weniger vorstellbar.
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Eine Zukunft unter US-Präsident DeSantis?
Was würde es bedeuten, wenn Ron DeSantis wirklich der Nutznießer dieser Absetzbewegungen und öffentlichen Huldigungen wäre? Für die politischen Gegner ist bereits jetzt klar: Ronald ist noch gefährlicher als Donald. Denn DeSantis, so die Befürchtung, würde einen reaktionären und gesellschaftspolitischen Rückwärtsgang erst recht vollziehen. Die finanzielle Basis dafür schafft er bereits. Ende Mai soll DeSantis bereits 112 Millionen US-Dollar an Spendengeldern gesammelt haben.
Geboren in Jacksonville als Ronald Dion DeSantis wurde er 2018 mit gerade mal 40 Jahren Gouverneur. Der Vater von drei Kindern ist mit einer ehemaligen Fernsehjournalistin verheiratet. Anders als der schillernde Trump ist sein Bild in der Öffentlichkeit das eines bodenständigen Typen von nebenan, der es nicht durch einen reichen Vater, sondern durch Fleiß, Ausdauer und Klugheit nach oben geschafft hat.
DeSantis diente in der US-Army, war im Irak und in Guantanamo stationiert. Zu Schulzeiten war er ein talentierter Baseballspieler. Ein damaliger Freund ließ sich vor Monaten mit den Worten über ihn zitieren: "Sein Ziel war es, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Ob das abwegig klang? Viele Dinge, über die wir (…) damals gesprochen haben, waren abwegig. Und vieles davon ist eingetreten."
Extremer als Trump
DeSantis gilt bei seinen politischen Gegnern schon lange als nur die höflichere und geschickter kommunizierende Version von Trump – und darum als viel gefährlicher. Das hat durchaus einen Grund: Der Gouverneur gilt als intelligenter als sein einstiger Lehrmeister. DeSantis hat Abschlüsse der US-Eliteuniversitäten Harvard und Yale. Er versteht es aufzufallen, ohne ausfällig zu werden. Während Trumps wütende Tweets bis heute legendär sind, bleibt DeSantis kultiviert, selbst liberale Medien schätzen ihn.
Dabei geht Ron DeSantis im rechtskonservativen Kulturlkampf weit über Donald Trump hinaus. Er gilt als einer der wichtigsten politischen Schrittmacher einer reaktionären Wende in den USA.
- In der Pandemie wandte er sich gegen die Impfpflichten und pries stattdessen andere Medikamente an. Während Trump bisweilen auf seinen eigenen Rallys ausgebuht wurde, weil er "seinen Impfstoff" empfahl, sammelte DeSantis Punkte mit seinem "Freedom State". Mit Sätzen wie "Don't Fauci my Florida" machte er Stimmung gegen Joe Biden und dessen Gesundheitsberater Anthony Fauci. "Ich will keinen biomedizinischen Sicherheitsstaat", sagte er und kämpfte jurstisch vehement und erfolgreich gegen aus Washington verordnete Maskenpflichten.
- Floridas Gouverneur hat in diesem Jahr das restriktivste Abtreibungsgesetz in der modernen Geschichte des Bundesstaates unterzeichnet. Es lässt Schwangerschaftsabbrüche nur bis zur 15. Woche zu. Es enthält keine Ausnahmen für Frauen, die infolge von Vergewaltigung, Inzest oder Menschenhandel schwanger werden.
- Um seine Gesetzgebung gegen Schwule, Lesben und Transgender durchzusetzen, legte sich DeSantis vor wenigen Monaten sogar mit einem der wichtigsten Konzerne seines Bundesstaates an. Das Unternehmen Disney genoss dort seit Jahrzehnten wirtschaftliche Sonderrechte. DeSantis entzog diesen Status zur Strafe, weil der Disney-Konzern sich öffentlich gegen sein Gesetz aussprach, dass es Schulen verbietet, bei Kindern bis zur dritten Klasse Homosexualität überhaupt zu thematisieren. Gegner sprechen deshalb von Ron DeSantis "Parental Rights in Education" als einem "Don't Say Gay"-Gesetz. Trump hatte zumindest in seinem ersten Wahlkampf 2016 noch versprochen, die LGBTIQ-Gemeinschaft zu schützen.
- Auch in Rassismus-Fragen gilt DeSantis vielen als extremer als Donald Trump. Mit seinem "Stop Woke Act" gab Floridas Gouverneur die Richtung auch für andere republikanisch regierten Bundesstaaten vor, das Lehren der sogenannten "Critical Race Theory" an Schulen zu verbieten. Er wolle "keinen Steuerzahler-Dollar dafür einsetzen, damit Kindern beigebracht wird, ihr Land zu hassen" sagte DeSantis. Eltern bekämen deshalb die Möglichkeit, die Schulen verklagen, wenn diese gegen die Vorgabe verstoßen. Das Geld für die Anwaltskosten stelle der Bundesstaat bereit.
Bei allen Warnungen vor einem noch schlimmeren Trump und den vielen Debatten über eine mögliche Kandidatur von Ron DeSantis wird eines allerdings oft vergessen: Bis heute hat Floridas Gouverneur mit keinem Wort erwähnt, dass er als Präsidentschaftskandidat für das Jahr 2024 zur Verfügung stehen würde. Verneint hat er es allerdings auch nicht.
Damit treibt DeSantis seinen politischen Wert geschickt in die Höhe. Ein riesiges Wahlkampf-Fundraising im Bundesstaat Utah soll außerdem inzwischen in Planung sein. Mit jedem weiteren Dollar an Spendengeldern und jedem weiteren Prozentpunkt an Zustimmung wird das gefährlicher für Donald Trump.
- Eigene Recherchen
- politico.com: "'Better than President Trump': DeSantis' clout swells in the West" (englisch)
- cnn.com: "112 million reasons why Donald Trump should be nervous about Ron DeSantis" (englisch)
- newyorker.com: "Can Ron DeSantis displace Donald Trump as the G.O.P. Combatant-in-chief?" (englisch)
- scholars.unh.edu: University of New Hampshire – The Granite State Poll (englisch)
- cnbc.com: Florida Gov. Ron DeSantis plans Utah fundraiser with GOP megadonors, signaling possible presidential run (englisch)
- thedailybeast.com: "Joe Rogan Reveals He’s Rejected Trump Multiple Times for Interview" (englisch)
- vanityfair.com: "Ron DeSantis "Don't say gay" law has already made Florida schools a dystopian hellscapes" (englisch)
- nypost.com: "Memo to Republicans: It’s time to dump The Donald and run with The Ronald" (englisch)
- theguardian.com: "As Trump’s star wanes, another rises: could Ron DeSantis be the new Maga bearer?" (englisch)