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HomePolitikGerhard Spörl: Der Welterklärer

Kanzlerkandidatenfrage: Mit wem wir im Herbst rechnen können


K-Frage bei der Bundestagwahl
Mit wem wir im Herbst rechnen können

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 05.04.2021Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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CSU-Chef Markus Söder: Der künftige Kanzlerkandidat der Union?Vergrößern des Bildes
CSU-Chef Markus Söder: Der künftige Kanzlerkandidat der Union? (Quelle: Montage: t-online/Reuters-bilder)

Der Countdown läuft ab jetzt, denn bis Pfingsten müssen sich Union und Grüne entscheiden, wer ihnen vorangehen darf. Unser Kolumnist wagt einen Blick in die Glaskugel.

In 48 Tagen ist Pfingsten und bis wir, gläubig oder nicht, die Sendung des Geistes Gottes zu den Jüngern Jesu feiern, werden wir gleich zwei Epiphanien erleben. Dank ihrer werden wir wissen, wer unser neuer Bundeskanzler ist und wer so tun will, als könne er/sie es auch werden.

Timing ist nicht alles im Leben oder in der Politik, aber ohne das Glück des gelungenen Augenblicks ist alles nichts. Die Pandemie verschärft die Unberechenbarkeit noch und was sie uns in nächster Zeit an neuen Überraschungen bietet, dürfte die Stimmung bestimmen, in der die Union und die Grünen ihre Entscheidung fällen – und am Ende wir bei der Bundestagswahl.

Wie schlechtes Timing sich auswirken kann, lässt sich am Beispiel des unglückseligen Martin Schulz von der SPD studieren. Früh gestartet. Überhäuft mit Weihrauch und Myrrhe. Die glänzenden Umfragen inhaliert wie Marihuana. Daran geglaubt, dass es bleibt, wie es gerade ist. Eigenen und fremden Illusionen aufgesessen. Abgestürzt und nicht mehr aufgestanden. Gefleddert zur geradezu lächerlichen Figur und seither fast schon wieder vergessen. Mit 20,5 Prozent das schlechteste Wahlergebnis eingefahren, das die SPD seit 1949 je bekam. Und trotzdem kann Olaf Scholz heute von einer 2 vorne dran nur träumen.

Die Grünen sind das Gegenbeispiel. Seit mehr als drei Jahren laufen Annalena Baerbock und Robert Habeck gemeinsam durchs Land und gehen freundlich miteinander um. So staatstragend und vernünftig muss man erst einmal sein wollen. Oft genug den richtigen Ton getroffen. Nichts für garantiert gehalten, erst recht nicht steigende Umfragen. Skepsis als Grundhaltung macht sich gut. Die Grünen haben den größtmöglichen Nutzen durch ihre beiden Vorsitzenden.


Der Robert hat stark begonnen und die Annalena stark aufgeholt. Wie man aus dem inneren Kosmos hören kann, neigt der Robert neuerdings zu Anflügen von Melancholie, weil Annalena nicht nur richtig gut ist, sondern eben auch unübersehbar eine Frau, was bei den Grünen ins Gewicht fällt. Somit bleibt es ihr überlassen, ob sie die Nummer 1 und damit die Kanzlerkandidatin sein will oder nicht. Und da sie es jedem Anschein nach sein will, ist es nur eine Frage des Timings, wann sie den Anspruch förmlich erhebt.

Interessante Konstellation: Sie kann sagen, was sie haben möchte. Spricht er zuerst, kann er nur sagen: Ich will nicht.

Für die CDU ist die Lage, in der sie ist, nicht ganz neu. Angela Merkel war schon (fast) zwei Jahre lang Vorsitzende der CDU, als eine Bundestagswahl bevorstand und sie zugunsten des CSU-Vorsitzenden auf die Kanzlerkandidatur verzichtete. Was im Jahr 2002 ein Politikum erster Güte war, erwies sich im Nachhinein als Episode. Die Verliererin war in Wahrheit die Gewinnerin. So dialektisch kann es zugehen.

Laschet hatte keine gute Strähne

Markus Söder erweckt zuverlässig den Eindruck, dass er der Herr des Geschehens ist und dass er sich vieles zutraut, wenn nicht alles. Zugleich dürfte er genau studiert haben, woran es eigentlich gelegen haben mag, dass weder der Riesenstaatsmann Franz Josef Strauß noch der nicht ganz so omnipotente Edmund Stoiber geworden sind, was sie unbedingt werden wollten.

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Mehrere Gründe bieten sich an: Deutschland will nicht von einem Bayern regiert werden. Oder dem CSU-Vorsitzenden, auf Alleinherrschertum getrimmt, mangelt es an der Fähigkeit, Loyalität zu begründen. Oder die CSU als Anhängsel der CDU ist konstitutionell zu klein und auch zu fern der Hauptstadt, um zu reüssieren.

Armin Laschet ist noch nicht lange CDU-Vorsitzender. Inzwischen finden sich Hinterbänkler im Bundestag, die sich gerne damit zitieren lassen, dass derjenige Kanzlerkandidat sein soll, der die größere Chancen bei den Wählern hat. Ja, wenn man das immer so genau wüsste, wäre vieles einfacher. Die aktuellen Umfragen sind nichts als Momentaufnahmen und mehr von Covid-19 bestimmt als vom Charisma der Konkurrenten. Deshalb gilt der schöne alte Spruch: Ich glaube nur den Umfragen, die ich selber in Auftrag gegeben habe.

Zuletzt hatte Armin Laschet keine gute Strähne, schon wahr. Aber ihm ist es bisher immer gut bekommen, wenn man ihn schon abgeschrieben hatte. Er ist gut im Endspurt. Daher muss ihm daran gelegen sein, so spät wie möglich die Entscheidung zu treffen, ob er antreten will oder nicht. Denn das Erstgeburtsrecht steht ihm als dem Vorsitzenden der CDU zu. Nur wenn er merken sollte, dass ihm die eigene Partei die Gefolgschaft verweigert, müsste er von sich aus klein beigeben – wie Helmut Kohl im Jahr 1980 und Angela Merkel im Jahr 2002.

Der Wahlkampf wird kurz – aber spannend

Gehen wir mal davon aus, dass bis Mitte Mai geklärt ist, ob es Armin Laschet sein darf oder Markus Söder und wer von den beiden netten, kompetenten Grünen die Nummer 1 trägt, die Annalena oder der Robert. Dann sind noch rund sechs Wochen bis zu den Sommerferien, wo wir sie auch immer verbringen dürfen, der Pandemie sei es geschuldet. In dieser Zeit werden die Medien die beiden Übriggeblieben durchleuchten und Schwachstellen/Widersprüche/Geheimnisse offenlegen. Wer gute Nerven hat, wissen wir dann. Denn niemand kann sich auf die Hitze in der Küche so vorbereiten, dass er nicht davon überrascht würde.

Bayern und Baden-Württemberg kommen erst Anfang September aus den Ferien zurück. Deshalb wird der eigentliche Wahlkampf nur kurz und scharf ausfallen. Bei aller fundamentalen Ungewissheit, ob wir bis dahin Herdenimmunität haben oder die Pandemie uns mit neuen Mutanten in neue Lockdowns jagt, sind die Voraussetzungen für den Wahlkampf ziemlich günstig. Je kürzer, desto politischer. Oder anders gesagt: Je kürzer, desto weniger langweilig.

Dass Annalena Baerbock das Experiment auf sich nimmt, als grüne Kanzlerkandidatin anzutreten, ist aus meiner Sicht so gut wie sicher. Dass Armin Laschet, obwohl er will, am Ende doch für Markus Söder zurückziehen muss, erscheint mir wenig wahrscheinlich, wenn es auch nicht ganz ausgeschlossen ist.

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