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Im Bann der Corona-Pandemie: Wir haben die schlechten Nachrichten satt


Im Bann der Pandemie
Wir alle haben die schlechten Nachrichten satt

  • Gerhad Spörl
MeinungVon Gerhard Spörl

22.02.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Ein Impfzentrum: Von jetzt an werden sich Optimismus und Pessimismus in der Corona-Pandemie abwechseln, meint t-online-Kolumnist Gerhard Spörl.Vergrößern des Bildes
Ein Impfzentrum: Von jetzt an werden sich Optimismus und Pessimismus in der Corona-Pandemie abwechseln, meint t-online-Kolumnist Gerhard Spörl. (Quelle: Daniel Bockwoldt/dpa-bilder)

Deutschland im Vorfrühling: Einerseits schlägt die britische Virusvariante wie befürchtet zu, andererseits gibt es endlich gute Nachrichten, denn plötzlich kündigt sich reichlich Impfstoff an. Vielleicht geht es ja bergauf.

Wie so viele Menschen waren wir gestern im Sonnenschein beschwingt spazieren. Zufällig kamen wir an einem alten Fabrikgelände vorbei und trafen auf ein paar Bundeswehrsoldaten, die eine Zigarettenpause einlegten. Wir fragten sie, was denn hier los sei, und einer antwortete: "Na, das hier ist ein Impfzentrum. Wenn Sie um die Ecke gehen, sehen Sie die Leute Schlange stehen." Wir dankten, gingen um die Ecke und da standen reihenweise Taxen, die ältere Herrschaften zum Impfen brachten, auf sie warteten und sie dann wieder nach Hause fuhren, durch den makellosen Sonnenschein und die würzige Frühlingsluft.

Wir staunten nicht schlecht. Berlin! Sonntag! Impfen! Die Spätis wollen sie schließen, aber die Impfzentren immerhin öffnen sie sogar am Sonntag. Gut so! Schlagartig besserte sich unsere Laune, denn gerade noch hatten wir die wieder steigenden Infektionszahlen beklagt und uns über die Fantasielosigkeit der Kassandras geärgert, die uns andauernd mit schlechten Nachrichten belämmern.

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Da ändert sich etwas. Von jetzt an werden sich Optimismus und Pessimismus abwechseln. Den Optimismus bestärken die zunehmenden Lieferungen an Impfstoff. Den Pessimismus bestärken Mutationen der Pandemie, die sich in Deutschland systematisch verbreiten.

Fangen wir mit den guten Nachrichten an. Uns wird jetzt gesagt, dass Deutschland sich darauf vorbereiten muss, in seinen Impfzentren große Mengen an Impfstoff zu spritzen. Ein Luxusproblem, wie schön! Hatten wir lange nicht. Brauchen wir dringend. Damit sollten wir doch wohl fertig werden, oder?

Schneller als erwartet mehr Impfstoff – ein Luxusproblem

Das Luxusproblem wird Folgen haben. Die bisherigen Impfpläne, in denen die Probanden fein säuberlich nach Alter und Systemrelevanz eingeteilt waren, sollen bald schon hinfällig sein, hören wir auch. Die Hamburger Gesundheitssenatorin, sie heißt Melanie Leonhard und gehört der SPD an, hat den schönen Satz geprägt: "Es wird in den nächsten Wochen immer schwieriger werden, an den Aufteilungen in den Prioritätengruppen festzuhalten."

Ja, so was, die Bürokratie muss umdenken, soll sie mal. Es gibt Schlimmeres. Schon vergessen? Vor Kurzem mussten wir noch zur Kenntnis nehmen, dass die Produktion von Biontech oder Moderna geringer als erwartet ausfällt. Der Vorstandsvorsitzende von Astrazeneca machte sich unbeliebt mit seiner schnöden Art der Mitteilung, dass sein Konzern leider nur weniger als die Hälfte der versprochenen 80 Millionen Dosen ausliefern kann.


Und jetzt also müssen wir wieder leiden und zwar daran, dass wir schneller als erwartet mehr vom gewünschten Impfstoff bekommen, sodass die Bürokratie umdenken muss. Die Prioritäten ändern sich, ach ja. Das Leben ist ungerecht, die Pandemie sowieso und ein paar alte Pläne müssen schleunigst neu geschrieben werden. Gehts noch? Gestern bekamen wir zu wenig, heute bekommen wir zu viel Impfstoff. Ist doch gut! Umgekehrt wäre es schlimmer: Wenn das Zuwenig sich weit in den März hineinziehen würde.

Alle haben schlechte Nachrichten satt

Die Herausforderung, so ringt unsere Hamburger Gesundheitssenatorin ihre Hände, besteht jetzt darin, schnell genug willige Impflinge zu finden und deren Berechtigung zu prüfen. Oh je: Die Anarchie zieht herauf und bringt die herrschenden Verhältnisse durcheinander, das scheint Melanie Leonhard zu befürchten. Jetzt mal ernsthaft. Wenn wirklich so viel Impfstoff zur Verfügung stehen sollte, dürfte es ziemlich leicht eine Alternative geben. Da sind ja auch noch die rund 100.000 Arztpraxen, welche die Impfzentren entlasten könnten.

Die Kanzlerin hat mal gesagt, bis kurz vor der Wahl am 26. September sollte geimpft sein, wer geimpft werden will, sodass Deutschland die Herdenimmunität erreicht. Vielleicht geht es schneller. Wäre schön. Ich kenne niemanden, der nicht nach guten Nachrichten dürstet, nach Zuversicht. Alle haben schlechte Nachrichten satt. Die Geduld lässt nach, schon wahr. Gut möglich, dass uns die guten Nachrichten bald schon die schlechten leichter ertragen lassen.

Jetzt sind gute Nachrichten dran

Natürlich ist die Lage ambivalent. Die britische Mutationsvariante wird sich wohl rasant vermehren. Auch in den nächsten Wochen werden wir die täglichen Bulletins über Infektionen und Tote studieren wie die Bundesligatabelle. Und daneben steht dann die Tabelle mit den Zahlen, wie viele Menschen geimpft wurden.

Heute öffnen in den meisten Bundesländern wieder Schulen mit ausgewählten Klassen. Das ist schön für die Kinder und riskant zugleich. Deshalb sollten die neuen Impfpläne schnellstens mit Lehrerinnen und Lehrern anfangen. Bis dahin sollte getestet werden, was das Zeug hält.

In zwei Wochen werden Ministerpräsidenten und Kanzlerin wieder zusammenkommen und an Beschlüsse feilen. Sie sollten wissen, dass unsere Geduld von der Perspektive abhängt, die sie uns geben. Schlechte Nachrichten haben wir im Übermaß. Jetzt sind gute Nachrichten dran.

Hier finden Sie mehr Kolumnen von Gerhard Spörl.

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