t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikGerhard Spörl: Der Welterklärer

Bidens Sieg, Biontechs Durchbruch: Dieser Monat macht uns endlich Hoffnung


Bidens Sieg, Biontechs Durchbruch
Dieser Monat macht uns endlich Hoffnung

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 16.11.2020Lesedauer: 4 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Weltereignis: In Mumbai in Indien bietet ein Händler Zeichnungen von den Siegern der US-Präsidentschaftswahl, Joe Biden und Kamala Harris, an, während im Vordergrund ein Mädchen mit Mund-Nase-Schutz sitzt.Vergrößern des Bildes
Weltereignis: In Mumbai in Indien bietet ein Händler Zeichnungen von den Siegern der US-Präsidentschaftswahl, Joe Biden und Kamala Harris, an, während im Vordergrund ein Mädchen mit Mund-Nase-Schutz sitzt. (Quelle: Niharika Kulkarni/reuters)

2020, ein Jahr zum Vergessen. Kurz vor Schluss aber dies: Joe Biden siegt, Biontechs Impfstoff ist ganz nah – und in London gehen dem Clown die Scherze aus.

Wer einen Sinn dafür hat, dem sind die goldenen November-Tage nicht nur wegen des Herbstes golden. Zuerst wird Donald Trump abgewählt, knapper als nötig zwar, aber immerhin solide und er scheint es sogar allmählich einzusehen, immerhin, wer hätte das gedacht.

Groß ist auch die Erleichterung darüber, dass ein Ende der Pandemie abzusehen ist, weil Biontech und Moderna mit einem Impfstoff fast am schon am Ziel sind und Curevac bald folgen könnte. Und dann steckt Boris Johnson in Schwierigkeiten und wirft seinen Mephisto raus, muss es tun – so jedenfalls hat es ihm seine Verlobte geraten, wie die britischen Zeitungen schreiben.

Trump mag gehen, der Trumpismus bleibt

Zu Trump: Nicht dass er unverdrossen von der geklauten Wahl twitterte, sondern dass er schon knapp zwei Wochen nach der Wahl beizubiegen scheint, ist bemerkenswert. Gestern verließen seine Lieblingstochter Ivanka und sein Lieblingsschwiegersohn Jared das Weiße Haus und kehrten nach New York zurück. Die Lotsen des Präsidenten gehen vom sinkenden Schiff, so wirkte das auf mich.

Das bedeutet nicht viel. Trump mag gehen, aber der Trumpismus bleibt bestehen. Trumpismus ist die Verachtung der Regeln und Gesetze, der Demokratie und ihrer Prozesshaftigkeit. Trumpismus ist weiß und rassistisch. Wut und Hass inklusive.

Trumpisten sind 73 Millionen Amerikaner, die ihn gewählt haben, die ihn behalten wollten, die zu ihm stehen. Die republikanischen Großfürsten, die im Kongress sitzen und kein Sterbenswörtchen darüber sagen, dass er die Wahl verloren hat und dass der Verlierer dem Sieger gefälligst gratulieren sollte, wie es die Gepflogenheit verlangt – denn was ist schon für Trump eine Gepflogenheit, der er sich unterwerfen soll –, und was ist für ihn schon eine Tatsache, die er nicht umlügen kann. Diese Republikaner schonen ihn, weil sie keinesfalls 73 Millionen Trump-Wähler entfremden wollen. Sie denken schon an 2024, wenn einer von ihnen antritt, der nicht Trump heißt, aber wie Trump redet, nur weniger vulgär, aber doch so, dass ihn möglichst viele der knapp 330 Millionen Amerikaner wählen.

Joe Biden ist nicht zu beneiden

Gut möglich, dass Kamala Harris sie mobilisieren wird – wenn sie antritt, wovon man ja wohl ausgehen kann. Joe Biden ist ein Interimspräsident. Die Pandemie ist jetzt seine Pandemie. Die Arbeitslosen sind seine Arbeitslosen. Und wie es sich fügt, stiehlt ihm jetzt auch noch sein alter Chef die Schau. Barack Obamas Memoiren, Band 1, kommen nicht zufällig gerade jetzt auf den Markt. Sie lesen sich wie ein Vermächtnis, wie ein Handbuch, dem Joe Biden, von dem Obama wohl zurecht sagt, dass er ein großer Verbocker ist, folgen soll.

Der Präsident im Wartestand ist in diesen Tagen nicht zu beneiden: Trump wirft einen düsteren Schatten und Obama stellt ihn in den Schatten.

Der Zirkusdirektor muss gehen

Zu Johnson: Sein Vater soll über ihn gesagt haben, er wird Premierminister, aber nicht lange. Trump ist der große Zerstörer, der Joker, Johnson dagegen ist nur ein Clown. Dominic Cummings war sein wichtigster Berater, sein Zirkusdirektor. Zirkusdirektoren halten sich Clowns. Zirkusdirektoren halten sich für unentbehrlich und wenn der Clown zufällig Premierminister des Vereinigten Königreichs ist, kommt es früher oder später zu Problemen.

Zuletzt schadete Cummings dem Premier erheblich mehr, als er ihm nützte. Das fand jedenfalls Carrie Symonds, die Verlobte von Boris Johnson, die zuvor Kommunikationschefin der Konservativen Partei war, also was vom Geschäft versteht. Boris Johnson hört auf sie, was wahrscheinlich nur gut für ihn ist, wenn es auch komisch anmutet, dass es in den Zeitungen steht, wofür vermutlich sogar Cummings schnell noch sorgte, bevor er abtreten musste.

Egal, der Clown muss jetzt ohne Zirkusdirektor auskommen. Die Pandemie verhagelt ihm ziemlich viel, denn nur bei einigermaßen geordneten Verhältnissen kann ein Clown mit seinen Späßchen das werte Publikum amüsieren. Ist die Lage ernst, fällt der ewige Unernst des Boris Johnson störend auf. Nicht zufällig verliert er rapide an Popularität. Nicht zufällig schleppt er die Verhandlungen über einen Vertrag mit der Europäischen Union nach dem Brexit dahin. Er wollte die EU für das Scheitern und die Folgen verantwortlich machen, wie er immer andere für seine Probleme schuldig erklärt. Kaum zu glauben, dass er damit jetzt noch durchkommt.

Ziemlich viel ziemlich richtig gemacht

Zum Impfstoff: Die Geschichte des Ehepaares Sahin ist natürlich fast zu schön, um wahr zu sein. Beide geboren in der Türkei, früh nach Deutschland gekommen. Ein Wissenschaftspaar wie die Curies. Gleich nach der Trauung zurück ins Labor. Ein Leben für die Wissenschaft. Schon viele Jahre forschen sie an Krebstherapien und der Impfstoff, den sie entwickeln, ist im Grunde nur ein Nebenprodukt ihrer experimentellen Onkologie. Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Pharmariesen Pfizer. Ziemlich viel ziemlich richtig gemacht.

Wäre die Nachricht vom Durchbruch vor dem Wahltag am 3. November verkündet worden, hätte Donald Trump gesagt: Seht her, habt ihr mir zu verdanken, ich bin ein großer Präsident, die Pandemie ist jetzt schon vergangen, verweht, hab ich euch doch immer gesagt. Zufall oder nicht, Absicht oder nicht, sechs Tage nach der Wahl kam die Neuigkeit aus Mainz, auf welche die ganze Welt gewartet hat.

Ein Ende ist in Sicht

Die Sahins werden nicht die einzigen bleiben, die einen Impfstoff entwickeln, und das ist gut so, aber sie sind die ersten. Morgen wird die Bundeskanzlerin sagen, wie es weitergehen soll, noch mehr vom Lockdown und bis wann. Die Infektionszahlen fallen nicht. Die Intensivstationen füllen sich. Aber einen wesentlichen Unterschied gibt es: Ein Ende ist in Sicht. Mitte nächstes Jahres, hoffentlich, sind wir geimpft und können wieder feiern, ausgehen, solange wir wollen. Ins Theater gehen, ins Konzert, ins Stadion.

In aller trüben Stimmung, in aller Beklommenheit, die uns umfängt, ist Hoffnung aufgestiegen. Joe Biden wird auch Mitte nächsten Jahres nicht zu beneiden sein. Donald Trump steht dann vielleicht vor Gericht oder sagt, er hätte ohnehin keine Lust mehr auf Präsident gehabt. Boris Johnson wird mit den Folgen des harten oder weniger harten Brexit zu kämpfen haben und vielleicht den Spaß am Premierminister langsam verlieren. Und das Ehepaar Sahin bekommt den Nobelpreis für Medizin.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website