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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Facebook-Chef zum Datenskandal Zuckerberg hadert mit seiner Macht
Nach Tagen des Schweigens spricht der Facebook-Chef – und zwar auf allen Kanälen. Mark Zuckerberg will vieles ändern, aber hadert sichtbar mit seiner Macht.
Wie ernst die Lage für Facebook ist, zeigt sich daran, dass Mark Zuckerberg etwas getan hat, was er überhaupt nicht mag: Er hat ein Fernsehinterview gegeben. So etwas ruft bei ihm nach eigener Aussage Unwohlsein hervor und deshalb vermeidet es der Facebook-Chef seit Jahren mit großem Erfolg.
Doch die Krise seines Unternehmens und der Druck auf ihn selbst hat sich im Zuge des Skandal um die Nutzerdaten zu sehr verschärft, als dass er sich weiter drücken konnte. Zuckerberg ging nach Tagen des Schweigens sogleich in die Vollen. Zeitgleich zur Ausstrahlung des CNN-Interviews um 2 Uhr deutscher Zeit in der Nacht zum Freitag gingen dann weitere Interviews mit Zuckerberg online: bei der "New York Times", bei der Zeitschrift "Wired" und auf dem Technikblog "Re:Code".
In seiner Medienoffensive machte Zuckerberg seine persönliche Verantwortung klar und zeigte Wege auf, wie er mit dem enormen Druck von Politik, Investoren und Medien umgehen wolle – und er tat etwas, worauf viele seit Tagen gewartet hatten.
Zuckerberg entschuldigte sich erstmals ausdrücklich für die Fehler, die dazu geführt haben, dass die Datenfirma Cambridge Analytica 50 Millionen Persönlichkeitsprofile von Facebook-Nutzern erstellen und in Wahlkämpfen einsetzen konnte, ohne deren Wissen. Das hatte in den vergangenen Tagen zu zwischenzeitlichen Kurseinbrüchen, Klagen von Investoren, heftiger Kritik von Politik und Nutzern geführt.
Zuckerberg kündigte Reformen an, deren Ausmaß noch schwer abzusehen ist: Tausende Apps wolle man kontrollieren, ob sie ebenfalls Nutzerdaten unbefugt abgegriffen hätten. Dabei könnte die Zahl der Anwendungen, die ähnlich viele Daten abgegriffen haben, sogar noch deutlich höher liegen.
"Ich fühle mich grundlegend unwohl"
Interessant an den Interviews war der Blick, den sie auf Zuckerberg im Moment der Krise eröffneten: Der 33-Jährige fremdelt sichtbar mit der Macht und der Verantwortung, die er durch den sagenhaften Siegeszug seiner Firma bekommen hat.
Man vergisst es allzu leicht, wenn man Zuckerberg in seinem charakteristischen grauen T-Shirt sieht: Seine Plattform Facebook ist das mächtigste soziale Netzwerk der Welt, sein Konzern Facebook (dem auch WhatsApp und Instagram gehören) ist auf Platz fünf der wertvollsten Unternehmen überhaupt, und er selbst ist als Facebook-Chef und -Gründer einer der mächtigsten Männer der Welt.
Doch Zuckerberg ist nicht wohl dabei. Im Gespräch mit "Re:Code" sagte er: "Ich fühle mich grundlegend unwohl, wenn ich hier in Kalifornien im Büro sitze und inhaltliche Entscheidungen für Menschen weltweit treffe." Er erwähnte die Frage: "Wo verläuft die Grenze bei Hate Speech? Ich meine, wer hat mich als die Person bestimmt, die das tut."
Damit spielte er auf die Debatte in Deutschland an, wo Facebook heftige Kritik erfuhr, weil es nicht konsequent gegen illegale Hassbotschaften auf der Plattform vorging und anschließend mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz in die Pflicht genommen wurde. Schließlich sagte Zuckerberg, er müsse in der gegenwärtigen Lage solche Entscheidungen wohl treffen. "Aber lieber wäre mir, ich müsste nicht."
Zuckerberg will sich – eventuell – dem Kongress stellen
Für Schlagzeilen in den USA sorgen Zuckerbergs Bemerkungen zur politischen Debatte – denn Facebooks Nachlässigkeit im Umgang mit Nutzerdaten hat den Druck aus der Politik auf das Unternehmen noch weiter verschärft.
Zu den Forderungen von Demokraten und Republikanern, Zuckerberg selbst solle vor dem Kongress aussagen, sagte dieser: Er sei bereit, das zu tun, "wenn es das Richtige ist". Entscheidend sei es, Fachleute für Aussagen nach Washington zu schicken. Doch sollte es ein Thema geben, bei dem er der Richtige ist, sei er dazu bereit.
Es ist eine Aussage, die in alle möglichen Richtungen interpretiert werden kann. Für viele wäre Zuckerberg die richtige Person, weil es eben nicht nur um technische Expertise, sondern um die Verantwortung des Konzerns geht, die Zuckerberg repräsentiert.
Barley will Facebook einladen
In Washington laufen mehrere Untersuchungen, die etwa die Rolle Facebooks bei Manipulationen im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 ergründen. Weil der Druck so hoch ist, sperrt sich Zuckerberg auch nicht länger gegen weitere Regulierung seitens der Politik.
Auch in Berlin tobt diese Debatte. Justizministerin Katarina Barley (SPD) kündigte bereits an, Facebook-Vertreter in ihr Haus einladen zu wollen, damit diese den Skandal erklären.
Zuckerberg war bemüht, den aktuellen Datenskandal als Fehler in der Vergangenheit darzustellen, aus dem Facebook jetzt lernen werde. Doch die aktuellen Untersuchungen zeigen, dass das Netzwerk auch aktuell immer wieder missbraucht wird – und dass Facebook selbst oft nicht zu wissen scheint, was alles auf der Plattform passiert.
Auf Nachfrage betonte Zuckerberg bei CNN, man sei auch beim Thema Fake-Profile und politische Manipulationen im Vergleich zu 2016 viel besser geworden. Mithilfe künstlicher Intelligenz sei es gelungen, die Wahlkämpfe im Frühling 2017 in Frankreich sowie die Senatsnachwahl in Alabama im Dezember 2017 zu schützen.
Politiker und Sicherheitsbehörden erwarten massive Manipulationsversuche bei den Kongresswahlen in den USA, die im November 2018 stattfinden. Erst dann dürfte sich zeigen, ob Zuckerberg seine Versprechen einlösen kann.
- eigene Recherchen
- Zuckerberg-Interview bei "Re:code" (engl.)