USA-Talk bei "Anne Will" Trump hat die Nato "als Deppen dargestellt"
Rüpel, Rowdy und doch US-Präsident: Die Welt muss Donald Trump ertragen. Aber kann sie auch etwas von ihm erwarten? Das diskutierte Anne Will am Sonntagabend – es wurde eine ernüchternde Runde mit Blick auf die nächsten dreieinhalb Jahre.
Die Gäste
- Norbert Röttgen (CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag)
- Klaus von Dohnanyi (SPD, Ex-Bürgermeister Hamburg)
- Michael Wolffsohn (Historiker und Publizist)
- Susan Neiman (US-Philosophin, Direktorin des Einstein-Forums in Potsdam)
- Christoph von Marschall (langjähriger USA-Korrespondent des "Tagesspiegel")
Das Thema
Staatsmann. Trifft dieser Begriff eigentlich auch auf Donald Trump zu? Auf einen narzisstischen, sich rüpelhaft in den Vordergrund drängenden, schlecht informierten und die Welt verunsichernden Mann, der sich nun bis 2020 US-Präsident nennen darf. Oder sollte man ihn vielmehr als das benennen, was selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel nun in Trump zu sehen scheint: ein Sicherheitsrisiko? Anne Will stellte die Frage: Kann Donald Trump Außenpolitik? Dabei hatte der 70-Jährige die Antwort in der vergangenen Woche bereits selbst gegeben.
Die Fronten
Wirkliche Fronten gab es am Sonntagabend bei Anne Will keine. Wo sollten sie auch herkommen? Selbst der Großteil der Republikaner - Trumps eigene Partei - verteidigen ihren Präsidenten dieser Tage nicht mehr ob seiner ständigen Ausfälle.
"Die Republikaner haben Angst, dass die Welt den Respekt vor den USA verliert", beschrieb die US-Philosophin Susan Neiman das Phänomen. Und weil die ARD keinen Hardliner geladen hatte, waren sich alle schnell einig: Eigentlich ist Trump für die USA, Europa, Deutschland, den Nahen Osten und viele andere Länder auf der Welt eine mittlere bis große Gefahr.
Der Aufhänger
Trumps Vordrängeln bei der Nato, ähnlich dem Verhalten eines Kindes, das fürchtet, nicht in die Fußballmannschaft gewählt zu werden, bot den Aufhänger für die Diskussion. Norbert Röttgen beschrieb es mit den Worten: "Das war intuitives Verhalten – und diese Persönlichkeit ist jetzt im Amt."
Was aber bedeutet diese Persönlichkeit für das westliche Verteidigungsbündnis? Angela Merkel hatte Trumps Auftritt bei der Nato und dem G7-Treffen mit den Worten umschrieben: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, ist ein Stück weit vorbei. Wir Europäer müssen unser Schicksal in unsere eigene Hand nehmen."
Drastische Worte, die mit Diplomatie nicht mehr viel zu tun hatten. Die Bundeskanzlerin machte deutlich: Auf die USA muss niemand mehr zählen, solange dieser Mann im Amt ist. Doch warum ist das so wichtig? Und welche Wege können für Deutschland und Europa zum Erfolg führen?
Moderatoren-Frage des Abends
Es war Anne Wills Frage nach einer "Zeitenwende", die das Gespräch ins Rollen brachte. Zunächst die Rolle der Nato, deren Mitglieder in den Augen Klaus von Dohnanyis von Trump "als Deppen dargestellt" worden waren. Der SPD-Grande war sich mit Röttgen und dem Historiker Michael Wolffsohn einig: Die Nato muss sich neu definieren. Vor allem aber muss sich die Europäische Union neu formieren.
Denn dass die außenpolitischen Interessen der USA und der EU auseinander gehen, erhält eine immer drastischere Bedeutung. "Die Amerikaner konnten schon immer Kriege führen, die nicht auf ihrem eigenen Kontinent stattfanden", sagte von Dohnanyi. "Für die USA ist Europa der Brückenkopf zu Eurasien. Deswegen müssen wir endlich anfangen, über diese unterschiedlichen geopolitischen Interessen zu reden."
In die gleiche Kerbe schlugen Wolffsohn und Röttgen. Die unmittelbaren Folgen der US-Kriege im Irak und Afghanistan sowie die Interventionen in Syrien tragen nicht die Amerikaner, sondern die Europäer. Umso grotesker, so von Dohnanyi, sei Trumps Auftritt in der vergangengen Woche zu bewerten. Röttgen warnte: "Wenn Trump es schafft, den Atlantik zu einem Graben zu machen, werden wir irrelevant werden."
Feststellung des Abends
Das Problem mit Trumps Außenpolitik brachte der CDU-Politiker dann selbst auf den Punkt: Die gesamte Auslandsreise des US-Präsidenten nach Saudi-Arabien, Israel, in den Gaza-Streifen und zu den Sitzungen der Nato und der G7 diente nur einem Zweck: der US-Innenpolitik. Denn Trumps Lage in seinem eigenen Land ist so verheerend, dass der Selbstinszenierer die Reise nutzte, um an strategisch wichtigen Punkten Reize zu setzen, die bei seinen innenpolitischen Gegner wie Befürwortern ankamen.
"Er ist nicht an einer Lösung interessiert. Trump macht in der Region, in der es knallt, Innenpolitik." Im Klartext: im Nahen Osten. Anne Will nannte es "Saudi-Arabien hofieren, den Iran isolieren." Eine Politik, die Trump bei seiner republikanischen Partei Zustimmung einbringen dürfte, die in der Region aber alles konterkariert, was in irgendeiner Form auf Frieden hindeuten könnte.
Der Dealmaker, für den sich Trump gerne hält, hat seinen Deal mit der Region gemacht, und der geht so: ein klein wenig Frieden für den Präsidenten in der US-Innenpolitik im Tausch für einen ohnehin kaum zu realisierenden Frieden im Nahen Osten. Ein bisschen mehr Hass und Feuer in Form von Isolationspolitik und milliardenschweren Waffendeals macht da auch nichts mehr aus.
Interessant war da der Vorschlag Wolffsohns, dass sich die EU künftig ein Beispiel an Israel nehmen solle. Ein Land, das von den USA abhängig ist, aber doch immer wieder den Partner mit Stärke die Stirn bietet – "Interessen definieren und eigenständig handeln", nannte es Wolffsohn – könnte der EU die Richtung vorgeben. Nur so sei den USA beizukommen.
Was offen bleibt
Aber auch Trump? Wenn sich dieser eigentlich nicht um die Welt schert, sondern nur "America great again" machen will? In den USA wachsen die Proteste an. Neiman sagte: "Das einzig Gute an Trump im Weißen Haus ist, dass protestiert werden muss."
Und Christoph von Marschall sah in diesen Widerständen auch die Chance für die amerikanischen Partnerstaaten. Ja, es sei "gefährlich", dass Trump sein Bild in den Medien nicht mehr selbst bestimmen kann, seine Zustimmung im Kongress und Senat nicht erkaufen kann, dass die rechtlichen Instanzen der USA greifen und die Politik des neuen US-Präsidenten bloßstellen. "Das endet bei ihm in Frustration und Zornesausbrüchen."
Doch genauso sei es eine Chance, so von Marschall, denn: "Trump verliert den Kampf um die Öffentlichkeit. Das heißt, sein Handlungsspielraum wird sehr eingeschränkt bleiben." Was am Charakter der Präsidenten dennoch wenig ändern wird.