Führende CIA-Mitarbeiterin Der Aufstieg der Folterfrau
Sie beging vor den Anschlägen vom 11. September 2001 einen schweren Fehler - und sie presste falsche Geständnisse aus Qaida-Mitgliedern. Trotzdem machte sie Karriere: Eine CIA-Beamtin gilt als Hauptverantwortliche des Folterprogramms.
"Eigentlich sollte sie vor Gericht gestellt und ins Gefängnis gesteckt werden für das, was sie getan hat." Das sagt ein ehemaliger Geheimdienstbeamter über eine Frau, die inzwischen zum Führungszirkel der CIA gehört. Ihren Namen hält der Nachrichtendienst geheim. Bekannt ist nur, dass sie 49 Jahre alt ist.
Die Arbeit der Frau, über die NBC ausführlich berichtet, taucht mehrfach in dem kürzlich veröffentlichen US-Senatsbericht auf, der die CIA-Folter von Terrorverdächtigen aufarbeitet. Doch die Senatoren durften in ihrem Report keine Pseudonyme für die wichtigsten Protagonisten in dem Bericht verwenden. Denn dann wäre aufgefallen, welchen Einfluss die Frau in der CIA hat.
Laut Recherchen des NBC-Reporters Matthew Cole spielte die Frau in den vergangenen 15 Jahren eine zentrale Rolle. Sie soll dafür verantwortlich gewesen sein, dass die CIA vor den Anschlägen vom 11. September 2001 Informationen über die späteren Attentäter nicht ans FBI weitergab. Der Geheimdienst erfuhr im Jahr 2000, dass Qaida-Mitglied Khalid al-Mihdhar ein Visum zur mehrfachen Einreise in die USA erhalten hatte. Später erlangte die CIA Kenntnis davon, dass ein anderer Qaida-Terrorist, Nawaf al-Hazmi, nach Los Angeles flog. Diese Erkenntnisse, die möglicherweise Tausende Menschenleben hätten retten können, behielten die Geheimdienstler jedoch für sich.
Khaled el-Masri fiel ihr zum Opfer
Die Frau, in deren Verantwortung das Thema fiel, wurde dafür nicht bestraft - im Gegenteil: Sie machte weiter Karriere. Sie wurde zur stellvertretenden Chefin der CIA-Einheit, die Qaida-Chef Osama Bin Laden jagte. Mehrfach war sie dabei, als der gefangen genommene 9/11-Chefplaner Khalid Sheikh Mohammed in einem Geheimgefängnis in Polen dem sogenannten Waterboarding und anderen Foltermethoden unterzogen wurde.
Die angeblich brisanten Informationen, die sie den Häftlingen unter Folter abrang, erwiesen sich mehrfach als falsch. 2003 hatte ein Qaida-Mitglied in pakistanischer Haft behauptet, Mohammed habe versucht, amerikanische Muslime für Anschläge auf Tankstellen in den USA anzuwerben. Nachdem er in Verhören mehrfach von seinen CIA-Peinigern gegen die Wand geschleudert und Waterboarding unterzogen wurde, bestätigte Mohammed diese angeblichen Pläne. Das führte schließlich dazu, dass die US-Polizei im Bundesstaat Montana nach mutmaßlichen Terroristen fahndete. Ohne Erfolg, denn diese Anschlagspläne hatte es nie gegeben.
Umso mehr bemühte sich die Frau, diese Fehlschläge zu verschleiern: "Allein Khalid Sheikh Mohammeds Informationen haben mindestens mehrere Hundert, wenn nicht Tausende Menschenleben gerettet", behauptete sie im Februar 2004 in einem Memo an die CIA-Spitze. Das diente als Vorlage, um die sogenannten verschärften Verhörmethoden des Geheimdienstes vor Politik und Medien zu rechtfertigen.
Auch ein Deutscher wurde so zum Opfer der CIA-Frau. Sie war mitverantwortlich für die Entführung von Khaled el-Masri, den der US-Geheimdienst in Mazedonien aufgriff und in ein Geheimgefängnis in Afghanistan steckte. Dort wurde der Mann über Monate verhört und misshandelt. Obwohl der CIA schon nach wenigen Wochen klar wurde, dass el-Masri Opfer einer Verwechslung und keinesfalls Qaida-Mitglied war, hielt der Geheimdienst den deutschen Staatsbürger fest. Erst nach fünf Monaten kam er frei.
Zuletzt leitete die Frau die Geheimdienstabteilung, die sich mit dem internationalen Dschihad befasst. Inzwischen soll sie zur CIA-Führungsebene gehören.
Wie hat sie es trotz der offensichtlichen Fehlschläge nach oben geschafft? "Sie ist erschreckend intelligent und weiß mehr über al-Qaida als jeder andere in der CIA", sagte der ehemalige Geheimdienstbeamte John Maguire der NBC. Und er fügte einen Satz hinzu, der in den Ohren ihrer Opfer wie Hohn klingen muss: "Sie hatte keine Angst, Fehler zu machen."