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Habeck in Washington: Der Wirtschafsminister will die Welt neu ordnen


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Habeck in Washington
Die Konsequenzen wären furchtbar

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 07.02.2023Lesedauer: 6 Min.
imago images 197143517Vergrößern des Bildes
Robert Habeck über den Inflation Reduction Act von US-Präsident Biden: "Das ist hochwillkommen." (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Bei seinem Washington-Besuch geht es für Robert Habeck um die Zukunft des deutschen Wohlstands. Der Vizekanzler will aber auch an der neuen Weltordnung mitbauen.

Seit einem Jahr bestimmt der Krieg gegen die Ukraine die Weltlage und auch den Terminkalender von Robert Habeck. Waffenlieferungen, Gasimporte, Rohstoffersatz, Sanktionen, Zeitenwende, raus und rein bei Kohle und Atom, Ausbau der Erneuerbaren und am Horizont auch noch ein drohender Konflikt zwischen China und den USA – alles landet beim deutschen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz auf dem Tisch.

Man könnte es auch so sagen: Bei niemandem sonst hängt so sehr alles mit allem zusammen wie bei Robert Habeck. Keiner ist so sehr fast Kanzler wie der Vizekanzler. Nach seiner Reise nach Stockholm ist er am Montag in Washington gelandet. Seine Mission lautet mal wieder: Das Schlimmste verhindern und zugleich das Beste herausholen.

Denn seit Monaten liegt auf Habecks Schreibtisch eine besonders dicke Akte. Darin ein Wortungetüm aus Amerika – der sogenannte Inflation Reduction Act, kurz IRA. Neben den anderen kaum lösbaren Aufgaben ist dieses US-Gesetz derzeit Habecks wichtigste Nebensache der Welt. Denn Amerika startet mit dem IRA zwar endlich die eigene Energiewende und reiht sich ein ins Pariser Klimaabkommen. Das Gesetz ist aber auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Europa.

Irgendwann wird sich Habeck am Erfolg dieser Reise nach Washington messen lassen müssen. Läuft es gut, entsteht ganz am Ende womöglich sogar ein grüner, prosperierender Freihandelsraum zwischen den USA und der Europäischen Union, verbunden mit weltweit zugeneigten Rohstofflieferanten. Es wäre nach Habecks Geschmack und ein Schritt in Richtung einer wertegeleiteten, klimaneutralen Außenwirtschaftspolitik.

Läuft es aber schlecht, steht der Wohlstand Deutschlands und der EU bei unruhiger Weltlage noch mehr auf dem Spiel als ohnehin schon. Im schlimmsten Fall droht ein Handelskrieg. Was dann aus der deutschen Energiewende werden soll, ist unklar.

Ein Lob mit einem großen Aber

Es ist nicht nur der Jetlag. Nach einem Jahr schwer lösbarer Aufgaben sind Robert Habeck die Strapazen anzumerken, als er am Montag vor dem Weißen Haus ein erstes Statement gibt. Die Themen sind so vielfältig und komplex, dass selbst er, der besonders gerne die großen Zusammenhänge erklärt, sich ab und an in den Details verheddern muss. Er wirkt müde, aber geduldig. Interessiert, aber auch irritiert.

Und er wirkt etwas zu überschwänglich, als er den Inflation Reduction Act mit den Worten lobt: "Das ist hochwillkommen!" Habeck schätzt die Regierung von Joe Biden für ihre amerikanische Version des europäischen Green New Deal.

Aber der Aufbruch Amerikas in ein grünes Zeitalter wirft Schatten auf die transatlantische Freundschaft, die in diesen Tagen alternativlos scheint.

Ein grünes Monsterprojekt

Warum das so ist, ist schnell erklärt: Der IRA ist ein Gesetz, das die Biden-Regierung so nennt, um ihre größte Schwäche zu verdecken. Die Demokraten müssen die hohe Inflation in den Griff bekommen, um die Chance auf die nächste Präsidentschaft zu wahren.

Zwar soll das Paket langfristig wirklich die Preise in den USA absenken und stabilisieren. Vor allem aber ist der IRA ein gigantisches, historisch teures und zudem extrem unbürokratisches Investitions- und Subventionsprogramm. Derart unternehmensfreundlich soll es den Wirtschaftsstandort Amerika in ein grünes Zeitalter mit Wasserstoffwirtschaft, Elektroautos, Wind- und Solarkraft katapultieren. "Build back better" war dafür der ursprüngliche Name.

In Europa klatschte es zuerst begeistert Beifall. Man freute sich, dass Joe Biden als Anti-Trump das Gesetz gegen den Willen vieler Republikaner irgendwie durch den Kongress bugsierte. Endlich machen sich auch die USA auf den grünen Weg, den das Pariser Klimaabkommen vorgegeben hat.

Erst allmählich und nach Warnrufen aus der deutschen Wirtschaft dämmerte manchem: Das, was Biden betreibt, ist "America First" mit grünem Anstrich. Denn der Inflation Reduction Act mit seinen vielen Steuererleichterungen könnte den Wettbewerb verzerren und Unternehmen aus der EU abwandern lassen. Auch Verstöße gegen internationale Handelsregeln sind darin enthalten. All das in einer Zeit, in der Europa mehr denn je von den USA abhängig ist. Damit bedroht ausgerechnet ein grünes Projekt aus den USA den Erfolg der Energiewende in Deutschland.

Klinken putzen im Weißen Haus

Um das zu verhindern, baggern Habeck, sein Ministerium und die Europäische Union seit Monaten in Washington. Sie stellen die gemeinsamen Herausforderungen in den Vordergrund: Russland, China und das Klima. Um diese zu meistern, dürften sich die Partner nicht gegenseitig ein Bein stellen. Es ist ein Hoffen auf Einsicht der USA und ein Werben um Rohstoffpartnerschaften, von denen noch keiner so genau weiß, wie sie wirklich aussehen sollen.

Auf dem Lafayette Square vor dem Weißen Haus stand Habeck vor rund einem Jahr schon einmal. Damals, wenige Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, ging es vor allem um Waffenlieferungen und das Sichern der Erdgasreserven. Deutschland ist an diesen Herausforderungen gewachsen. Aber mit dem Erfolg kommen neue Erwartungen. Die USA erwarten, dass Deutschland und die EU eine eigene Industriestrategie entwickeln. Für Brüsseler Bürokratie hat man hier wenig Verständnis.

Zudem ist der IRA längst in Kraft getreten. Die US-Regierung will die Verbündeten zwar nicht aktiv benachteiligen. Aber das verabschiedete Gesetz lässt kaum Raum für nachträgliche Anpassungen. Joe Biden kann jetzt nur noch exekutive Kosmetik betreiben. Zugleich dürfen politische Gegner nicht aufgeschreckt werden, wenn man den Europäern zumindest etwas entgegenkommt.

Basis für ein grünes Freihandelsabkommen?

Was Habeck dann ausspricht, will er deshalb nicht falsch verstanden wissen. "Ich will das jetzt nicht gleich als Freihandelsabkommen bezeichnen", sagt der Wirtschaftsminister auf die Frage, ob der Inflation Reduction Act am Ende zu einem neuen Anlauf von TTIP führen könnte. Das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU ist vor Jahren gescheitert, das Wort Freihandel gilt seither auch in den USA als vermintes Gelände.

Worüber aber gesprochen wird, das klingt zumindest theoretisch nach einem Ausweg und wie die kleine grüne Schwester von TTIP. Deutlich kleiner, angewandt nur auf "grüne Industrien", aber dennoch ein Angleichen von Standards und Normen und das Schaffen eines gemeinsamen Marktes, sagt Habeck. Entsprechende Produkte könnten automatisch auf beiden Seiten des Atlantiks zugelassen werden. Das sei "keine Raketenwissenschaft", sagt Habeck. Freihandel darf es aber eben nicht heißen. Das wäre zu umfassend.

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Tatsächlich hofft aber gerade die deutsche Industrie auf derartige Freihandelsregelungen für bestimmte Marktsegmente. Mit einer neuen Gesetzgebung zum Inflation Reduction Act rechnet im zerstrittenen US-Kongress ohnehin niemand mehr. So erzählt es eine Lobbyistin, die in Washington unter anderem für BMW, Mercedes und Volkswagen arbeitet, aber auch für koreanische und japanische Konzerne.

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Es gebe viele laufende Gespräche, sagt sie, um mit bestimmten Ländern zu einer Art Freihandelsabkommen über bestimmte Produkte in bestimmten Marktsegmenten zu kommen. Warum sollte mit der EU nicht möglich sein, was mit Südkorea und Japan geht?

"Ein Stück weit geht Ehrfurcht verloren"

Am ersten Tag nimmt sich Habeck Zeit für Journalisten, für Vertreter der deutschen Unternehmen, darunter Siemens, BASF, SAP und BMW. Auch für eine Gruppe junger Azubis, die an einem Partnerschaftsprogramm im US-Kongress teilnehmen.

Habeck erzählt ihnen, was passiert, wenn man lange in der Politik ist: "Ein Stück weit geht Ehrfurcht verloren." Man merke schnell, in der Politik arbeiten ganz normale Menschen. "Manche sind vielleicht stressresistenter als andere", sagt Habeck. Es stellt sich einem unwillkürlich die Frage: Wie schafft er das alles? Und dann sagt er, was man stattdessen gewinnt: "Respekt vor dem Funktionieren des Apparats."

Am Dienstag funktioniert auch der Vizekanzler. Gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire klappert er die US-Regierung ab, darunter die Sicherheits- und Wirtschaftsberater des Präsidenten. Es soll ein starkes Signal für Europa sein. Wenn Frankreich und Deutschland in der Lage sind, mit einer Stimme aufzutreten, dann sind auch Einigungen mit den Amerikanern möglich.

Im Anschluss darf Habeck wie im vergangenen Jahr auch den US-Außenminister Antony Blinken treffen. Die wirtschaftlichen Details, die so wichtigen Nebensachen, sind dann fürs Erste abgehakt. Im State Department geht es um die großen Linien und Zusammenhänge, um die Ukraine, um Russland, um China und das Klima. Das ist für den Vizekanzler die Hauptsache.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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