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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump in Not Sechs gegen einen
Donald Trump kommt juristisch und politisch in immer größere Not. Seine Gegner warten nur noch auf seinen Sturz – und einstige Zöglinge auch.
Der Staub konnte sich noch nicht legen. Aufgewirbelt vom desolaten Ergebnis der Republikaner bei den Zwischenwahlen verhindert er noch immer einen klaren Blick auf die altehrwürdige Partei.
Klar sind bislang nur zwei Dinge: Donald Trump will erneut Präsident werden. Und, das ist neu: Seine erneute Kandidatur ist noch längst nicht ausgemacht. Denn mehr und mehr werden mögliche parteiinterne Gegenkandidaten sichtbar. Darunter sind erbitterte Gegner, aber eben auch Zöglinge und Wegbegleiter.
Weil Trump noch immer der mächtigste Politiker der Republikaner ist, fürchten seine Rivalen vor allem, sich im Kampf mit ihm so sehr zu beschädigen, dass ihre Karrieren anschließend vorbei sein könnten.
Viele hoffen deshalb, dass sich das Problem von selbst erledigt – und zwar vor Gericht. Die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht. Allein am Dienstag dieser Woche hatte Trump in vier Fällen einen Gerichtstermin. Nicht persönlich. Das erledigen seine Anwälte. Es geht um Steuern, Betrug und Verleumdung. Das Justizministerium hat zuletzt auch noch einen Sonderermittler beauftragt, um gegen Trump zu ermitteln.
Und es gibt eine Entscheidung des obersten Gerichtshofs, die Trump große Probleme bescheren kann. Nach drei Jahren Verfahrenskrieg entschied der Supreme Court, dass Trumps fehlende Steuererklärungen endlich vom US-Kongress begutachtet werden können. Der Ex-Präsident hatte sich bislang geweigert, diese offenzulegen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern.
Je mehr Trump juristisch in die Enge getrieben wird, desto schwächer wird seine Position bei den Republikanern. Und desto eher wird einer seiner internen Gegner die eigene Chance nutzen. Dafür kommen vor allem sechs Politiker in Frage.
Der Zögling
Ron DeSantis, 44, Gouverneur von Florida
Schon vor seinem historischen Sieg bei der Gouverneurswahl im wichtigen Bundesstaat Florida galt der einstige Ziehsohn Donald Trumps als Favorit für dessen Nachfolge. In vielen Umfragen liegt er vor Trump. Er ist erst 44 Jahre alt und gilt als frisches politisches Gesicht. Dass er vor seiner ersten Amtszeit als Gouverneur bereits fünf Jahre im Repräsentantenhaus saß, ist fast in Vergessenheit geraten.
DeSantis ist erfahren und ein geschickt agierender Politiker, der weiß, wie er Kampagnen führen kann. Bekannt wurde er während der Corona-Pandemie als Freiheits-, aber auch als Kulturkämpfer. Er positionierte sich gegen Masken- und Impfpflichten, aber auch gegen die Rechte von Schwulen, Lesben und Transgender-Personen. Aufklärung über Rassismus an Schulen erschwerte er. Um für eine strikte Migrationspolitik zu werben und die Demokraten zu provozieren, ließ er Einwanderer per Flugzeug auf eine Insel im Nordosten der USA bringen.
Ob DeSantis wirklich als republikanischer Kandidat für die Präsidentschaftswahlen antritt, wird von Experten wie dem Harvard-Professor Karl Kaiser bezweifelt. Zumindest, solange Trump nicht zurückzieht, ist die Gefahr für ihn zu groß, sich und seine Karriere zu beschädigen. Zumal er warten kann, bis seine Zeit gekommen ist.
Der Rachsüchtige
Mike Pence, 63, Ex-Vizepräsident
Der evangelikal-konservative Mike Pence hat mit Trump eine ganz besondere Rechnung offen. Spätestens seit der Präsident während des Sturms auf das Kapitol gesagt haben soll, wenn der Mob ihn hängen wolle, verdiene sein Vize es nicht anders. An diesem Tag wurde Pences jahrelange Loyalität zu Trump erschüttert.
Abgeordneter im Repräsentantenhaus war Pence von 2000 bis 2013. Damals schloss er sich der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung an. Danach war er vier Jahre Gouverneur des Bundesstaats Indiana. Pence ist Abtreibungsgegner und war daher dienlich, dem nicht-religiösen Trump 2016 die Stimmen der wichtigen Wählergruppe der Evangelikalen zu sichern. Zuletzt sagte Pence: "Ich denke, wir werden in Zukunft bessere Wahlmöglichkeiten haben" als Trump.
Sein Hauptproblem bei einer möglichen Kandidatur gegen Trump: Für viele Republikaner wäre er ein Verräter.
Der Vergessene
Mike Pompeo, 58, Ex-Außenminister
Trumps Außenminister gilt zwar bislang nicht als Favorit für eine Kandidatur, hält sich aber seit langer Zeit im Rennen. Nach den enttäuschenden Zwischenwahlen verbreitet er ausgerechnet auf Twitter einen mutmaßlich gegen Trump gerichteten Satz: "Konservative werden gewählt, wenn wir liefern, nicht, wenn wir nur in den sozialen Medien schimpfen. Auf diese Weise können wir gewinnen."
Vor Trump gewarnt hatte Pompeo schon vor dessen Wahl im Jahr 2016. Dieser werde, so die Prognose, einen "autoritären Präsidenten" abgeben, der "unsere Verfassung ignorieren werde".
Pompeos politische Ambitionen sind unbestritten. Als Mann ohne Amt ist es für ihn allerdings schwierig, Anhänger zu mobilisieren. Seine politischen Ansichten passen zu denen vieler rechtskonservativer Evangelikaler. Er steht für restriktive Abtreibungsgesetze, ist ein Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe und tritt für lockere Waffengesetze ein.
Die Erzfeindin
Liz Cheney, 56, Abgeordnete aus Wyoming
Die Tochter des ehemaligen Vize-Präsidenten Dick Cheney galt einst als die erzkonservative Speerspitze ihrer Partei. Doch Liz Cheney hat sich verändert. Den Bruch mit ihrer lesbisch lebenden Schwester bedauerte sie öffentlich und entschuldigte sich dafür. Bekannt wurde Cheney vor allem, weil sie sich gegen Trump stellte, als dieser seiner Niederlage gegen Joe Biden leugnete.
Cheney saß deshalb auch im Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol und half dabei, Beweise gegen ihn zusammenzutragen. Sie bezahlte ihr Engagement mit der Abwahl als eine der stellvertretenden Fraktionschefs im Repräsentantenhaus. Vor den Zwischenwahlen verlor sie gegen eine Parteigegnerin und wurde nicht wieder in den Kongress gewählt.
Für den Fall, dass die Parteibasis erneut Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten küren sollte, kündigte Cheney an, eine konservative Gegenbewegung oder sogar eine Gegenpartei zu gründen. Sie gilt als geheime Anführerin jener Republikaner, die Trump schon lange loswerden wollen. Ihre Anhängerschaft könnte größer sein, als es derzeit aussieht. Die Zahl ihre Feinde aber ist so groß, dass eine Nominierung als Präsidentschaftskandidatin nahezu ausgeschlossen ist.
Der Trump-Vermeider
Glenn Youngkin, 55, Gouverneur von Virginia
Seitdem der Unternehmer den Favoriten der Demokraten im Gouverneurs-Rennen von Virginia im Jahr 2021 geschlagen hat, gilt er als einer der Geheimtipps in der Republikanischen Partei. Zwar hat sich Youngkin nie eindeutig von Trump distanziert. Im Wahlkampf hatte er ihn aber auch nie zum Wahlkampf in seiner politischen Heimat eingeladen. Diesen Balance-Akt werten einige Experten als vielversprechenden Ausweg aus dem Trump-Dilemma.
Politisch gilt Youngkin, ähnlich wie Trump, als unerfahren. Er ist aber ein gewiefter Populist. Ähnlich wie sein Gouverneurskollege DeSantis in Florida setzte er gleich nach der Amtsübernahme um, was er im Wahlkampf versprochen hatte: Ende der Covid-Beschränkungen, keine Rassismus-Aufklärung an Schulen und vieles mehr. Ob Youngkin mit seinem eher bodenständigen Temperament jenseits seines Bundesstaats eine Euphorie für die Republikaner entfachen kann, ist aber zweifelhaft.
Die Hoffnungsträgerin
Nikki Haley, 50, Ex-Gouverneurin von South Carolina
Sie ist eine viel weniger laute, aber trotzdem beständige Kritikerin von Trump. Die ehemalige Gouverneurin von South Carolina galt einst als eine der vielversprechendsten Frauen in ihrer Partei. Bekannt wurde sie unter anderem, weil sie sich nach dem rassistisch motivierten Attentat in der Stadt Charleston dagegen aussprach, die Konföderierten-Flagge der Südstaaten an öffentlichen Gebäuden weiterzuverwenden. Diese ist umstritten, weil sie ein Symbol jener Staaten ist, welche die Sklaverei nicht abschaffen wollten.
Seitdem sie als von Trump ernannte Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen 2018 zurücktrat, wurde es ruhiger um Haley. Nun kündigte sie allerdings an, dass sie eine Präsidentschaftskandidatur "ernsthaft" in Erwägung ziehe. Haley könnte noch immer das Gesicht einer sich modernisierenden konservativen Partei sein. Sie wagt sich bislang aber noch nicht aus der Deckung. Insbesondere junge und weibliche Anhänger könnte sie aber womöglich ansprechen.
Weitere Kandidaten
Viele weitere Namen kursieren. Darunter New Jerseys ehemaliger Gouverneur Chris Christie, der schon einmal gegen Trump angetretene texanische Senator Ted Cuz, der Gouverneur aus New Hampshire, Chris Sununu, oder der einzige Schwarze Senator der Republikaner: Tim Scott aus South Carolina.
Sie alle traten zuletzt beim "Republican Jewish Coalition’s Annual Leadership Meeting" in Las Vegas auf und testeten ihren Marktwert bei den jüdischen Anhängern der Republikaner. Standing Ovations bekam aber Trump, der per Video-Botschaft zugeschaltet wurde. Seine Errungenschaften wie die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem oder das Ende des Atom-Deals mit Iran wurden von den Teilnehmern besonders geschätzt.
- Eigene Recherchen
- wsj.com: "Mike Pence: My Last Days With Donald Trump" (Englisch)
- abcnews.go.com: "As he begins 2024 run, Trump faces legal challenges in 4 courtrooms in 1 day" (Englisch)
- reviewjournal.com: "Trump, potential GOP presidential candidates speak at RJC event in Vegas" (Englisch)