Möglicher Nordkorea-Krieg China ist offenbar schon längst vorbereitet
Sind es leere Drohungen oder macht Donald Trump nach seinen Kriegsdrohungen Richtung Pjöngjang ernst? China bereitet sich auf einen solchen Fall schon länger vor, hält das aber geheim.
Dass die Lage in Nordkorea eskalieren könnte, ist offensichtlich. Der große Nachbar China wird daher längst Pläne für den Notfall in der Schublade haben. Zum eigenen Schutz dürfte Peking darauf bedacht sein, nordkoreanische Standorte für Raketen sowie für nukleare, chemische und biologische Waffen zu sichern. Entlang der Grenze müssten womöglich unzählige Flüchtlinge versorgt werde.
Sollte das Regime von Kim Jong Un stürzen, wäre auch ein Einmarsch chinesischer Bodentruppen denkbar. Offiziell hat sich Peking zu solchen Optionen bisher jedoch nicht geäußert. "Wir können nur Vermutungen anstellen", sagt Dean Cheng vom in Washington ansässigen Politik-Institut Heritage Foundation. "Diejenigen, die etwas wissen, sagen nichts. Und diejenigen, die etwas sagen, wissen wohl eher nichts."
Vieles deutet darauf hin, dass China gut vorbereitet ist. Bautrupps verlängern gerade quer durch die Berge im Nordosten eine dreispurige Autobahn bis an den Grenzfluss Tumen. Regulären Verkehr gibt es dort fast keinen. Im Fall der Fälle würde sich die Straße aber gut für eine schnelle Verlegung von Panzern und anderem militärischen Gerät eignen.
Humanitäre Katastrophe würde drohen
Das Schweigen Pekings mag aus strategischer Sicht klug sein. Ein Mangel an Absprachen mit den USA und ihren asiatischen Verbündeten könnte allerdings verheerende Folgen haben. "Für den Fall einer Krise haben alle Akteure ihre eigenen Handlungspläne. Wenn sie aber eigenmächtig agieren, ohne miteinander zu reden, steigt die Gefahr von Fehleinschätzungen und unnötigen militärischen Konfrontationen", sagt Jia Qingguo, Experte für internationale Politik an der Universität Peking.
In erster Linie müsse irgendwer die Kontrolle über die nordkoreanischen Atomwaffen übernehmen. Darüber hinaus wäre Jia zufolge auch bei der Hilfe für die Zivilbevölkerung ein hohes Maß an Koordination erforderlich, vor allem mit den entsprechenden internationalen Organisationen. Es sei mit einer extrem hohen Zahl von Flüchtlingen zu rechnen - unter ihnen könnten zehntausende ehemalige Insassen der nordkoreanischen Arbeitslager sein, die an ansteckenden Krankheiten und Unterernährung litten, sagt Jia. Es könne daher leicht zu einer humanitären Katastrophe kommen.
Bloß kein Misstrauen schüren
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking betonte in dieser Woche, dass Dialog der "einzige effektive Weg zur Lösung des Problems auf der koreanischen Halbinsel" sei. "Die chinesischen Streitkräfte haben alle erforderlichen Vorbereitungen getroffen, um die nationale Souveränität und Sicherheit sowie Frieden und Stabilität in der Region zu gewährleisten", hieß es.
Bei einem Besuch des US-Generalstabschefs Joseph Dunford in China im August wurde vereinbart, Kanäle für einen solchen Dialog einzurichten. Zum Reiseprogramm des US-Generals zählte bezeichnenderweise auch die Begutachtung einer chinesischen Militärübung nahe der nur 200 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernten Stadt Shenyang. Wie aus Kreisen der US-Streitkräfte verlautete, findet zumindest hinter den Kulissen bereits ein Austausch mit China über mögliche Reaktionen auf die Nordkorea-Krise statt.
Offiziell wolle Peking aber nicht zu viel über die eigenen Planungen verraten - auch um Pjöngjang nicht unnötig zu provozieren, sagt Cheng von der Heritage Foundation. Sollten die Chinesen den Eindruck erwecken, dass ihr Vertrauen in die Herrschaft von Kim Jong Un so gering ist, dass sie sich schon auf die Zeit nach dessen Sturz vorbereiteten, könnten sie außerdem "gerade dadurch das Problem auslösen, das sie am meisten fürchten".
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China gegen noch größeren US-Einfluss
Da 85 Prozent der nordkoreanischen Nuklear-Anlangen weniger als hundert Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt lägen, könnten Spezialeinheiten der Volksbefreiungsarmee diese im Konfliktfall leicht sichern, ohne mit Truppen Südkoreas oder der USA im Süden in Berührung zu kommen, sagt die Sicherheitsexpertin Oriana Skylar Mastro von der Georgetown University in Washington. Nach ihrer Einschätzung wären die chinesischen Streitkräfte auch in der Lage, die potenziellen Flüchtlingsströme zu bewältigen, da sie im Rahmen von UN-Friedensmissionen und nach Naturkatastrophen im eigenen Land viel Erfahrung mit solchen Einsätzen gesammelt hätten.
Das übergeordnete Ziel Pekings dürfte sein, dass der eigene Einfluss auf Pjöngjang erhalten bleibt. Im Koreakrieg von 1950 bis 1953 kämpften chinesische Truppen gegen das von US-Soldaten unterstütze Südkorea. Eine politische Neuordnung zugunsten der USA würde China daher jetzt kaum akzeptieren. Ohnehin sehen die Chinesen die militärischen Bündnisse Washingtons mit Ländern in der Region als unmittelbare Bedrohung für die eigenen Machtansprüche in Asien.
China geht auf Distanz zu Pjöngjang
Während China aber über viele Jahrzehnte als eng verbündete Schutzmacht Nordkoreas galt, haben sich die Beziehungen der beiden Staaten zuletzt deutlich verschlechtert. Das zeigt sich allein schon am mangelnden Austausch auf politischer Ebene. Xi Jinping ist der erste chinesische Staatschef, der noch vor einem Besuch in Pjöngjang in Südkorea war. Seit fast zwei Jahren ist auch sonst kein führender chinesischer Politiker mehr in Nordkorea gewesen. Kim Jong Un wiederum ist seit seiner Machtübernahme noch nicht in China gewesen. Soweit offiziell bekannt, gibt es keinen direkten Kontakt zwischen Kim und Xi.
Nach der Unterstützung neuer UN-Sanktionen durch Peking wurde zuletzt sogar in den von der Regierung kontrollierten Medien Nordkoreas offene Kritik am großen Nachbarn laut. Die amtliche Nachrichtenagentur KCNA schrieb, die Kommunistische Partei Chinas habe sich dem Druck aus Washington gebeugt. Chinesischen Partei-Medien wurde gar ein "Kniefall vor dem ignoranten Gebaren der Trump-Regierung" vorgeworfen.