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Syrien: 100.000 Menschen in Deir al-Sor im Würgegriff des IS


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Schlacht um Deir al-Sor
100.000 Syrer im Würgegriff des IS

Christoph Sydow, Spiegel Online

Aktualisiert am 18.01.2017Lesedauer: 3 Min.
Deir al-Sor: Der IS startet eine neue Offensive im Osten Syriens.Vergrößern des Bildes
Deir al-Sor: Der IS startet eine neue Offensive im Osten Syriens. (Quelle: Reuters-bilder)
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Der IS startet eine neue Offensive im Osten Syriens. Die Dschihadisten stehen vor der Eroberung von Deir al-Sor. Dort sind rund 100.000 Menschen eingeschlossen. Das Assad-Regime und Russland wirken hilflos.

Deir al-Sor ist der letzte Außenposten des Assad-Regimes im Osten Syriens. Die Regierung kontrolliert große Teile der Stadt am Euphrat. Strategisch wichtig sind vor allem die Luftwaffenbasis und der Stützpunkt der 137. Brigade am Rande der Stadt.

Die Stadt und die Militäranlagen sind eine Exklave des syrischen Staats inmitten des Herrschaftsgebiets der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Seit mehr als drei Jahren kontrollieren die Dschihadisten das Umland von Deir al-Sor. Die Stadt ist seither auf dem Landweg vom Herrschaftsgebiet des syrischen Regimes abgeschnitten. Homs, die nächstgelegene, von der Regierung kontrollierte Großstadt, ist 350 Kilometer entfernt.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass rund 110.000 Menschen in Deir al-Sor vom IS belagert werden. Seit April 2016 hat das Welternährungsprogramm 177-mal Hilfsgüter aus Flugzeugen über der Stadt abgeworfen - am Sonntag zum bislang letzten Mal. Denn am Wochenende hat der IS eine Offensive in Deir al-Sor gestartet.

Mehr als hundert Tote bei Kämpfen in Deir al-Sor

Es ist der bislang am besten vorbereitete und entschlossenste Versuch der Terrormiliz, Deir al-Sor komplett zu erobern. Die Dschihadisten haben mehrere tausend Kämpfer zusammengezogen, die von mehreren Seiten vorrücken. Am Montag gelang es dem IS, die Regierungsexklave in zwei Teile zu spalten. Zudem eroberten sie einen strategisch wichtigen Hügel. Bei den Gefechten sollen mehr als hundert Zivilisten, Regierungssoldaten, Assad-treue Milizionäre und IS-Kämpfer getötet worden sein.

Die syrische und russische Luftwaffe haben in den vergangenen Tagen zahlreiche Stellungen der Terrororganisation rund um Deir al-Sor bombardiert, es ist ihnen aber bislang nicht gelungen, den Vormarsch des IS zu stoppen. Selbst syrische Staatsmedien räumen inzwischen ein, dass die Dschihadisten inzwischen so weit zur Luftwaffenbasis vorgerückt sind, dass dort keine Helikopter mehr landen können. Das Regime ist also nicht mehr in der Lage, Nachschub und Verstärkung in die Exklave zu bringen.

Offenbar wurden die Regierungen in Damaskus und Moskau von der IS-Offensive überrascht. Jahrelang herrschte entlang der Front zwischen Regime und Dschihadisten in Deir al-Sor, von sporadischen Gefechten abgesehen, angespannte Ruhe. Weil der IS vor dem Verlust seiner Hochburg Mossul steht, hat sich die Terrormiliz nun aber offenbar dazu entschlossen, an anderer Stelle ihre Schlagkraft zu beweisen.

IS soll Elitekämpfer aus dem Irak abgezogen haben

Das von lokalen Journalisten betriebene Nachrichtenportal "Deirezzor24" berichtet, der IS habe Kommandeur und Elitekämpfer aus dem Irak nach Deir al-Sor gebracht. Sie sollen den Vormarsch anführen. Lokale IS-Kräfte spielten demnach nur eine Nebenrolle und seien vorab auch nicht über die geplante Offensive informiert worden - offenbar fürchteten die Dschihadisten, vom syrischen Regime infiltriert worden zu sein.

Das US-Militär hat nach eigenen Angaben seit Samstag ebenfalls mehrere Luftschläge in Deir al-Sor und Umgebung durchgeführt. Dabei seien unter anderem zwölf Lastwagen und ein Checkpoint der Dschihadisten zerstört worden. Eine Woche vor Beginn der IS-Offensive hatten US-Spezialkräfte mehrere Anführer der Terrormiliz in einem Vorort von Deir al-Sor getötet. Die Schlagkraft der Terrormiliz konnten sie damit jedoch nicht mindern.

Bislang scheut die US-Armee ein noch härteres Vorgehen gegen den IS in Deir al-Sor. Das hat mehrere Gründe: Der Luftraum über Syrien ist aus militärischer Sicht völlig überfüllt. Syrische und russische Luftwaffe, die USA und ihre arabischen Verbündeten und immer wieder auch Israel - sie alle fliegen Angriffe in Syrien. US-Piloten berichten, dass es schon mehrfach zu Beinahe-Zusammenstößen von Kampfjets über Syrien gekommen sei.

Erst verlor Assad Palmyra, nun droht der Fall von Deir al-Sor

Deshalb hat sich in den vergangenen Monaten eine informelle Arbeitsteilung zwischen Washington und Moskau entwickelt: Die USA konzentrierten ihre Luftangriffe auf Stellungen rund um die inoffizielle IS-Hauptstadt Rakka und begleiteten damit den Vormarsch der vom Pentagon unterstützen "Demokratischen Kräfte Syriens" (SDF), die am Boden vorrückten. Das gilt besonders, seitdem die US-Luftwaffe im September 2016 versehentlich einen Stützpunkt der syrischen Armee in Deir al-Sor bombardierte und dabei mehr als 90 Soldaten tötete.

Russland wiederum bombardierte Stellungen in dem IS-kontrollierten Territorium, das an Gebiete grenzt, die vom Assad-Regime beherrscht werden. Mit mäßigem Erfolg: Im Dezember verlor die syrische Regierung trotz russischer Luftunterstützung die Kontrolle über die Wüstenstadt Palmyra, nun droht der Fall von Deir al-Sor - mit unkalkulierbaren Folgen für rund 100.000 Zivilisten.

Die drohende Einnahme der Stadt stellt damit auch die US-Armee vor ein Dilemma: Greift sie gar nicht oder zu zögerlich gegen den IS ein, gefährdet sie das Leben von Tausenden Menschen, die dann dem IS in die Hände fallen. Schlägt sie den IS mit ihren Luftangriffen zurück, stärkt sie aber gleichzeitig die Position des Assad-Regimes und dessen Verbündeten Russland. Indirekt würde Washington damit seinen Gegnern in Syrien helfen.

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