"Mossul gehört uns" Beginnt Erdogans Iraker-Miliz einen Krieg im Krieg?
Der Kampf um Mossul wird zu einem Kampf zwischen Bagdad und der Türkei. Die will dort unbedingt mitmischen. "Auf keinen Fall", antwortet Bagdads Regierung. Jetzt hat die Türkei die ersten Angriffe gestartet.
"Unser Krieg ist ein irakischer Krieg – von Irakern für Iraker", verkündet Ministerpräsident Haider al-Abadi am Montag. Danach sieht es gerade nicht aus: Von Baschika aus, 15 Kilometer nordwestlich von Mossul, fliegen seit Sonntag die Geschosse türkischer Haubitzen in den Verteidigungsring um die irakische Hauptstadt des Islamischen Staates (IS).
Hier, vor Mossul, kämpfen viele Gruppen für die Vertreibung des IS: die irakische Armee, schiitische Milizen, kurdische Peschmerga, US-Spezialkommandos – und jetzt auch die Türkei.
Peschmerga öffnen Türkei den Weg in die Schlacht
Eigentlich könnte die irakische Regierung für jede Unterstützung ihrer schwachen Armee dankbar sein. Stattdessen verbittet sie sich heftig eine "türkische Beteiligung jeder Art an dem Einsatz zur Befreiung von Niniveh" - so der Name der Provinz um Mossul.
Fakt ist aber: Die Türkei mischt beim Nachbarn zunehmend mit. Immer mehr Truppen hat Ankara seit den 1990er Jahren unauffällig in den Nordirak verlegt. Mehrere Panzer-Bataillone sowie Teams von Spezialeinheiten stehen seit Jahren in nordirakisch-türkischen Grenzstädten. Daneben unterhält Ankaras Armee Verbindungsbüros in kurdischen Städten wie Duhok, Zakho oder Arbil.
Denn: So verfeindet die Türkei mit der türkisch-kurdischen PKK und ihrem syrischen Ableger YPG auch ist - so eng arbeitet das Land mit den irakischen Kurden - den Peschmerga - in ihrer Hauptstadt Arbil zusammen. Deren Anführer haben selbst große Probleme mit den sozialistischen Geschwistern in der Türkei und Syrien.
Die Peschmerga sollen es auch gewesen sein, die die Türkei um Hilfe bei der Mossul-Schlacht gebeten haben - und damit den offiziellen Vorwand zum Losschlagen lieferten.
Furcht vor schiitischen Killer-Milizen
Vom Städtchen Baschika aus kann die Türkei jetzt jedenfalls direkt in den Krieg eingreifen: Vier große 155-Millimeter-Haubitzen mit einer Reichweite von 40 Kilometern hat die Türkei in Baschika stationiert. Außerdem sind dort Panzer und bis zu 700 türkische Kommando-Soldaten.
Ihre Hauptaufgabe: Sie bilden eine sunnitische Miliz aus, die dafür sorgen soll, dass Mossul auch nach seiner Eroberung eine vornehmlich sunnitische Stadt bleibt – die Gruppe Haschd al-Watani.
Bei früheren Eroberungen von IS-Städten wie Ramadi oder Tikrit soll es zu grausamen Vertreibungen von Teilen der sunnitischen Bevölkerung gekommen sein, die angeblich den IS unterstützt hatten. Schuld daran sind offenbar die vom Iran und der libanesischen Hisbollah unterstützten schiitischen Milizen. Von ihnen gibt es mehrere Dutzend.
Auch in Mossul sind sie wieder dabei, obgleich die USA versuchen, Bagdad dazu zu bewegen, sie aus der Stadt selbst herauszuhalten. Andernfalls, so die Befürchtung von US-Regierung und Fachleuten, könnte sich die sunnitische Mehrheitsbevölkerung von Mossul aus Angst vor Verfolgung und Folter doch noch hinter dem ebenfalls sunnitischen IS versammeln.
Peschmerga gehen vor - Sunniten-Miliz geht rein
Derzeit rückt die irakische Armee von Süden aus vor. Die schiitischen Milizen decken das Terrain westlich der Stadt ab. Hier soll ein Fluchtkorridor für IS-Kämpfer entstehen, der es ihnen ermöglicht abzuziehen, bevor die Stadt völlig zerstört ist.
Im Norden und Osten dagegen rücken Peschmerga und die von der Türkei ausgebildete und bewaffnete Sunniten-Miliz "Haschd al-Watani" vor. Sie besteht vor allem aus Turkmenen, Arabern und Kurden.
Der Plan dieser "Nord-Allianz": Die Peschmerga wollen die nördlichen Stadtränder erobern und der Miliz den Weg freiräumen. Die Kurden selbst haben es offenbar selbst nur auf die wenigen kurdischen Stadtteile Mossuls abgesehen. Rund 1500 Kämpfer der Haschd al-Watani - rund die Hälfte der Truppe - sollen dann den Straßenkampf innerhalb der Stadt übernehmen.
Was kommt nach der Eroberung?
Der einzig positive Ausblick: Die Herrschaft des IS in Mossul geht zu Ende. "Wer aber wird danach dort herrschen?", fragt der Nahost-Experte Udo Steinbach im Gespräch mit t-online.de. Die Türkei sehe sich als Beschützer der irakischen Sunniten, Bagdad aber mache das nicht mit. "Die Allianz Arbil-Ankara wird dort nicht akzeptiert", so Steinbach.
Vor kurzem klagte Bagdad sogar den vom IS vertriebenen Statthalter von Niniveh, Atheel al-Nujaifi, an. Al-Nujaifi – ebenfalls ein Sunnit – soll sich mit Ankara bilateral geeinigt haben. Jetzt wirft ihm Bagdad "Konspiration mit einer ausländischen Macht" vor.
Ankara scheint sich daran bislang nicht zu stören. Ministerpräsident Al-Abadi sei für ihn gar kein gleichrangiger Gesprächspartner, verkündete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor wenigen Tagen.
Eine Etage tiefer, auf der Ebene der Milizen vor Ort, wird derweil bereits Tacheles geredet: "Mossul gehört uns", soll Mohammed Tahma Talib, Kommandeur der Haschad al-Watani, bereits vergangene Woche getönt haben. Ähnliche Sprüche sind auf der anderen Seite von den Anführern der gefürchteten Schiitenmilizen zu hören.
Treffen sie während oder nach der Schlacht gegen den IS aufeinander, könnten die Kämpfe neu ausbrechen. Ob die Eroberung Mossuls also ein Weg zum Frieden ist oder zu mehr Krieg muss sich erst noch erweisen.