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Türkei-Putschversuch: Was fasziniert Erdogan-Anhänger in Deutschland?


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Erdogan-Anhänger in Deutschland
"Die Türkei, von der sie reden, existiert gar nicht"

Volker Dohr mit Material der dpa

Aktualisiert am 21.07.2016Lesedauer: 3 Min.
Pro-Erdogan-Demonstration in Stuttgart.Vergrößern des Bildes
Pro-Erdogan-Demonstration in Stuttgart. (Quelle: dpa-bilder)

Nicht nur in Istanbul und Ankara gehen viele Menschen für Recep Tayyip Erdogan auf die Straßen, auch in Deutschland finden mittlerweile täglich Demonstrationen für den Präsidenten statt. Was fasziniert die hier lebenden Türken am Image Erdogans?

Als Teile der Armee am vergangenen Freitag versuchten, in der Türkei die Macht zu übernehmen, gingen Tausende dagegen auf die Straße. Auch in Berlin. Etwa 3000 Menschen versammelten sich in der Nacht zum vergangenen Samstag vor der türkischen Botschaft im Bezirk Tiergarten. Unter ihnen war auch Tahir Sözen. Bei den letzten beiden Wahlen hat er die Regierungspartei AKP gewählt. Als die Putschisten die Machtübernahme verkündeten, zog er vor die Botschaft. Von dem Phänomen des starken Mannes, das die hier lebenden Jugendlichen zu Erdogan-Anhängern werden lässt, weiß auch der Demonstrant: "Es gibt diese jungen Leute, die sich nach Stärke sehnen. Und wenn sie hier ausgegrenzt werden, suchen sie die Stärke in Erdogan", so Sözen.

Was treibt die in Deutschland lebenden Türken zu dieser Solidaritätsbekundung? Viele Einwanderer, gerade in sozialen Brennpunkten, fühlten sich in Deutschland nicht zugehörig. "Als Kind in der Schule war ich immer nur der Türke. Später als ich mir Arbeit suchte, war ich auch immer nur ein Mensch zweiter Klasse", beschreibt Ali Utlu im Gespräch mit t-online.de, wie sich viele Türken hier fühlen. Der Menschenrechtler und Ex-Pirat sieht den Grund in Erdogans neuer Popularität vor allem darin, dass er sich um die in Deutschland lebenden Türken gekümmert habe. So habe er etwa die Kosten für Angelegenheiten, die mit dem Konsulat zu regeln waren, massiv heruntergesetzt.

Sehnsucht nach dem starken Mann

Hinzu komme, dass die Türken, die nach Deutschland einwanderten, schon in ihrem Heimatland von den dortigen Eliten diskriminiert wurden, so Utlu. "Erdogan dagegen ist einer aus der Mitte, der es geschafft hat, Präsident zu werden", sagt er. Vor allem hätten die Jugendlichen hier in Erdogan zum ersten Mal etwas, womit sie ihr Selbstwertgefühl steigern könnten. Dabei würden sie jedoch in einer Traumwelt leben, denn "die Türkei von der sie reden existiert gar nicht", so Utlu.

Dem pflichtet ein Landsmann bei, der aus Rücksicht auf seine Verwandten, die nicht in Deutschland leben, nicht genannt werden möchte. "Junge Türken in Deutschland schaffen sich über Erdogan und seine martialische 'neue Türkei' eine Ersatzidentität", so der Mann. "Für sie, gerade für die jungen Männer, ist Machismo-Gehabe Teil der eigenen Existenz. Das Ego ist klein, sie selbst voller Minderwertigkeitskomplexe."

"Wenn die Situation eskaliert, bekommen wir das zu spüren"

Gescheiterte Integrationsbiografien könnten jedoch keine Erklärung für die große Unterstützung der AKP hierzulande sein, sagt Politikwissenschaftlerin Gülistan Gürbey von der Freien Universität Berlin. Die AKP habe eine soziale Basis, auch hier in Deutschland. Ihre hohe Zustimmung hierzulande spiegele die politischen Verhältnisse und die Polarisierung der Gesellschaft in der Türkei wider. "Denn Fakt ist, wenn es um die Integration in den Lebensbereichen Bildung, Ausbildung, Beschäftigung geht, dann ist die Mehrheit gut integriert", sagt Gürbey.

Viele Menschen sehen als entscheidend an, wie sich Erdogan jetzt verhalten wird. Das sieht Integrationsforscherin Gürbey ähnlich. "Wenn die Situation in der Türkei eskaliert, werden wir diese Eskalation auch hier zu spüren bekommen. Davon können wir ausgehen." Der junge Mann, der anonym bleiben möchte, warnt ebenfalls: "Nun mischt sich der bereits bekannte Nationalismus mit einer massiven Religionsüberhöhung und in der Kombination wird das Ganze noch weit gefährlicher. Darum sieht man 'Graue Wölfe' auch unter 'Allahu ekber' durch die Straßen ziehen. Junge Türken in Deutschland sind durch Erdogan sehr empfänglich für diese Abgrenzungen."

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