Verwirrung um Putins Ziele Luftangriffe in Syrien galten angeblich nicht dem IS
Kurz nach der Billigung im Moskauer Parlament hat Russland militärisch in den Syrien-Konflikt eingegriffen. Wie der Kreml bestätigte, bombardierte die Luftwaffe mehrere Orte nahe der westsyrischen Stadt Homs. Doch um die genauen Ziele gibt es Verwirrung.
Russland habe zusammen mit der syrischen Luftwaffe mehrere Ziele des "Islamischen Staats" (IS) attackiert, verlautete aus dem syrischen Staatsfernsehen. Die Offensive habe sich gegen sieben "Terroristen-Verstecke" in den Provinzen Homs, Hama und Latakia gerichtet.
Zuvor hatte Wladimir Putins Amtschef Sergej Iwanow erklärt, die Luftangriffe zielten nur gegen den IS. Doch daran gibt es bereits Zweifel: US-amerikanische und französische Vertreter vermuten, dass die ersten Attacken Russlands nicht dem IS galten. Das Ziel seien vielmehr "Oppositionsgruppen" gewesen, hieß es aus diplomatischen Kreisen in Paris. Die Angriffe würden daher vor allem die Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad unterstützen.
Syrische Aktivisten behaupten, in den attackierten Orten nördlich von Homs gebe es gar keine IS-Kämpfer und auch keine Mitglieder der Terrorvereinigung Al-Kaida. Diese Region werde von verschiedenen gemäßigten Rebellengruppen beherrscht, erklärte Samir Naschar, führendes Mitglied des Oppositionsbündnisses Nationale Syrische Koalition.
Russland wies die Vorwürfe zurück, in Syrien andere Gruppen als die IS-Miliz ins Visier zu nehmen. Dies sei eine Verzerrung der Tatsachen, sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Rande der UN-Vollversammlung in New York.
Steinmeier verlangt Aufklärung von Russland
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte von Russland Aufklärung über die genauen Ziele der Luftangriffe. "Bisher haben wir keine wirklich belastbaren Hinweise über Ziele und Methoden dieser Luftschläge", sagte er in New York. Moskau müsse "jetzt schnellstmöglich selbst für Aufklärung sorgen", schon aus eigenem Interesse.
Steinmeier forderte eine internationale Abstimmung der militärischen Aktivitäten. Ansonsten bestehe "in dieser aufgeheizten Situation die große Gefahr, dass es zu weiteren Missverständnissen kommt".
Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab derweil bekannt, dass bei den russischen Luftangriffen mindestens 27 Menschen ums Leben kamen. Die Aktivisten berichteten sogar von mehr als 35 Toten, darunter Frauen und Kinder.
USA sind verärgert über russisches Vorgehen
In den USA sorgte der russische Einsatz für Unmut: Außenminister John Kerry beschwerte sich bei seinem Kollegen Sergej Lawrow, wie ein hochrangiger US-Vertreter mitteilte. Kerry habe die Bombardements als "kontraproduktiv" eingestuft. Bei einem Gespräch mit Lawrow in New York habe Kerry zudem betont, dass das russische Vorgehen das Bemühen erschwere, einen militärischen Zusammenstoß von Flugzeugen verschiedener Länder in Syrien zu vermeiden.
Verärgert zeigten sich die USA auch über die Weise, wie Russland sie über die bevorstehenden Angriffe informierte. Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, sagte dazu: "Ein russischer Vertreter in Bagdad informierte heute Morgen das Personal der US-Botschaft, dass russische Militärflugzeuge heute mit Anti-IS-Einsätzen über Syrien beginnen würden."
Nach Angaben eines US-Militärvertreters erfolgte die Vorwarnung etwa eine Stunde vor dem ersten Luftangriff. Ein russischer General aus einem Geheimdienstzentrum in der irakischen Hauptstadt sei über die Straße zur US-Botschaft gegangen und habe dort mündlich die bevorstehenden Luftangriffe verkündet. Kirby erzählte, der russische Vertreter in Bagdad habe zudem verlangt, "dass US-Flugzeuge den syrischen Luftraum während dieser Einsätze meiden" sollten.
"Assad ist Teil des Problems"
Auch die Nato übte Kritik: Die Unterstützung Russlands für den syrischen Machthaber al-Assad sei "nicht konstruktiv", sagte ein hochrangiger Mitarbeiter der Militärallianz: "Assad ist Teil des Problems."
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg habe Russland dazu aufgefordert, "eine konstruktive und kooperative Rolle" im Kampf gegen den IS zu übernehmen. Jede neue militärische Aktion dürfe nicht im Konflikt zu den von den USA geleiteten Einsätzen gegen den IS stehen.