Ukrainer gegen Prorussen Autonome Einheiten machen Jagd auf Separatisten
Den offiziellen ukrainischen Einheiten gelingt es nicht, die Lage in dem Land unter Kontrolle zu bringen. Davon sind Selbstverteidigungseinheiten überzeugt. Deshalb nehmen sie die Sache nun selbst in die Hand.
Voller Genugtuung verkündet Todor Panewski den jüngsten Erfolg seiner Selbstverteidigungseinheit in der ukrainischen Hafenstadt Odessa: Seine Leute hätten einen Anhänger der prorussischen Separatisten gefasst, sagt der stämmige Opernsänger und Kommandeur einer bewaffneten Gruppe gleichgesinnter Patrioten. "Wir stellen ihm ein paar Fragen und dann übergeben wir ihn den Sicherheitskräften", erklärt Panewski, während er durch das Gebäude schreitet, das sich seine Truppe zum Hauptsitz erkoren hat.
"Korrupt und verwässert"
Das malerische Odessa liegt zwar mehr als 500 Kilometer westlich der ostukrainischen Frontlinie, wo sich Regierungstruppen einen Zermürbungskampf mit prorussischen Separatisten liefern. Trotzdem herrscht auch hier die Sorge vor einer neuen Front, angetrieben von regelmäßigen Nachrichten über Festnahmen mutmaßlicher Abtrünniger. "Den Kampf gegen den Separatismus sollten die Sicherheitskräfte führen, die aber total korrupt und verwässert sind", so Panewski.
Die Behörden schafften den Job nicht, also müssten Einheiten wie die seine einspringen. 300 aktive Freiwillige umfasse seine Truppe, Hunderte weitere könne er wenn nötig aktivieren.
Status ungeklärt
Die Kernmannschaft trifft sich an den Wochenenden zum Waffentraining nahe Odessa. Der rechtliche Status der Einheit ist nicht geklärt. Beobachter schließen nicht aus, dass die Behörden angesichts solch unberechenbarer bewaffneter Gruppen demnächst auf Konfrontationskurs gehen könnten.
Auch Panewski räumt ein, dass er in einer rechtlichen Grauzone unterwegs ist. Im Keller des Gebäudes seiner Einheit zeigt er einen feuchten Raum. Dort würden die Festgenommenen gelegentlich festgehalten, sagt er. Auf die Frage, wo denn der jetzt aufgegriffene mutmaßliche Separatist sei, sagt der Kommandant lediglich, der Mann würde bald freigelassen. Dann wechselt er schnell das Thema.
Insgesamt geben sich die prorussischen Aktivisten in Odessa zurückhaltend. Die blutigen Zusammenstöße zwischen Anhängern und Gegnern der Kiewer Regierung im Mai vergangenen Jahres, bei denen 48 Menschen ums Leben kamen, lähmen den Aufstand. Wer offene Worte wagt, will sich nicht in eine Ecke stellen lassen und damit die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich ziehen.
Anlehnung an Russland
"Wenn jemand zu mir sagt, ich sei prorussisch und er proukrainisch, dann fühlt sich das an, als ob man mir meine ukrainische Staatsbürgerschaft absprechen wollte", sagt Maurice Ibrahim. Er ist eine der Führungsfiguren der regierungskritischen Bewegung Kulikowo Pole, die sich nach ihrem Treffpunkt auf einem Platz der Stadt benannt hat. Unterschiedliche Beweggründe und Interessen haben die Gruppierung zusammengeführt, die sich für eine Anlehnung der Ukraine an Russland stark macht.
Ibrahim selbst kam als Flüchtling vor dem libanesischen Bürgerkrieg nach Odessa. Er studierte, blieb und wurde vor zehn Jahren Ukrainer. Vom prorussischen Lager fühlte er sich wegen seiner eigenen linken Ansichten angezogen. Andere Mitstreiter seiner Bewegung verweisen eher auf ethnische Nähe zu Russland oder auf ihren Widerstand gegen den Regierungskurs. Kiew verfolgt in ihren Augen eine zu rechtsgerichtete Agenda, eine Ansicht, die auch von russischen Staatsmedien beflügelt wird.
Moskaus Einfluss wird für einen Großteil der Unruhen in der Ukraine verantwortlich gemacht, auch in der weitgehend russischsprachigen Schwarzmeerstadt Odessa. Im April meldeten die Sicherheitskräfte die Festnahme von zehn Verdächtigen, die Bombenanschläge in der Stadt geplant hätten. Die Behörden sprachen von russischer Koordination, Beweise dafür legten sie allerdings nicht vor.
Seine Gruppe habe damit nichts zu tun, versichert Ibrahim. Das sei wahrscheinlich das Werk von Einzeltätern. "Sie glauben, dass sie sich irgendwie für uns einsetzen, während sie uns tatsächlich nur schaden."
"Jedes kleine Stückchen Land"
Unter Druck fühlen sich Ibrahim und seine Bewegung auch von den selbst ernannten Verteidigungseinheiten. Als ein Anwalt von Kulikowo Pole in der vergangenen Woche eine Pressekonferenz gab, störte eine Gruppe muskulöser Männer den Auftritt mit fortwährenden Zwischenrufen und Gelächter. Einer der Unruhestifter wurde als Führungsmitglied von Todor Panewskis Einheit erkannt.
Auf solche Einschüchterungsaktionen angesprochen, zuckt Panewski mit den Schultern. Sein Land stehe doch offenbar einem äußeren Aggressor gegenüber, sagt er. Da dürfe man im Umgang mit möglichen Bedrohungen nicht zimperlich sein. "Es ist wichtig, auf jedes kleine Stückchen Land zu achten, jeden Millimeter der Ukraine", betont Panewski. "Wir dürfen nicht zulassen, dass irgendjemand unsere nationalen Werte verunglimpft oder zerstört."