"Aura der Unbesiegbarkeit zerstört" Wird Kobane für den IS zum Waterloo?
Seit mehr als zwei Monaten dauert nun schon der Kampf um Kobane an. Während es zu Beginn so aussah, als würde die Terrormiliz Islamischer Staat die kurdische Stadt in Nordsyrien einfach überrennen, könnte sich das Blatt jetzt wenden. Mithilfe der Luftangriffe der US-geführten internationalen Koalition gewinnen die kurdischen Verteidiger in Kobane langsam die Oberhand und könnten den einst unbesiegbar erscheinenden Terroristen eine empfindliche Niederlage zufügen.
Die IS-Extremisten nahmen Mitte September Dörfer in der Umgebung von Kobane und weite Teile der Stadt ein. Die meisten der 60.000 Einwohner flohen schon in den ersten Tagen der Offensive in die Türkei. Allgemein wurde erwartet, dass Kobane schnell fallen würde. Doch die Kämpfe dauern immer noch an.
Der frühere US-General John Allen, Sonderbeauftragter der Vereinigten Staaten für die internationale Allianz gegen den Islamischen Staat, sagte, die Miliz ziehe noch immer ihre Männer um Kobane zusammen und schaffe so weitere Ziele für die USA und ihre Verbündeten. Der IS habe sich praktisch selbst ausgeliefert.
Erfolge dank Peschmerga-Kämpfer
Neben den Luftangriffen half eine Gruppe irakisch-kurdischer Peschmerga-Kämpfer mit modernen Waffen, die IS-Offensive erlahmen zu lassen. Die USA versorgten außerdem kurdische Kämpfer aus der Luft mit Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen. Es war das erste Mal seit Beginn des Konflikts in Syrien vor vier Jahren, dass die USA sich zu diesem Schritt entschieden.
Die kurdischen Kämpfer seien seit dem Eintreffen der Peschmerga vor zwei Wochen zwar langsam, aber stetig vorgerückt. In der vergangenen Woche nahmen die kurdischen Kämpfer, auch als YPG bezeichnet, einen Hügel ein, der Teile der Stadt überblickt.
Am Dienstag eroberten sie sechs vom IS kontrollierte Gebäude und beschlagnahmten Waffen und Munition. Aus kurdischen Kreisen hieß es, die Peschmerga nähmen IS-Stellungen unter Beschuss und gäben so den kurdischen Kämpfern Feuerschutz.
"Die Gefahr bleibt"
"Die Fronten sind jetzt genauer bestimmt", sagt der kurdische Aktivist Mustafa Bali. "Wir haben eine besser organisierte und einheitliche Verteidigungsstrategie." Der Vormarsch des IS sei gestoppt, "aber die Gefahr bleibt". Immer noch kontrolliert die Miliz rund ein Viertel der verwüsteten Stadt.
Die USA und ihre Verbündeten flogen seit dem 23. September mehr als 270 Luftangriffe auf Kobane und seine Umgebung. Das sind deutlich mehr als auf andere Ziele in Syrien oder im Irak. So wurde der Mossul-Damm im Nordirak am zweithäufigsten angegriffen: 156 Mal seit dem 8. August.
"Wann entscheiden sie, dass der Preis zu hoch ist?"
UN-Sonderbeauftragter Allen erklärte, bei den Angriffen seien mehr als 600 IS-Kämpfer getötet worden. "Wann entscheiden sie, dass der Preis zu hoch ist? Wenn sie sich zurückziehen, ist das ein echtes Zeichen, dass der Durchmarsch des IS endlich seinen Zenit überschritten hat", sagt der ehemalige General.
Für den IS kommen die Verluste in Kobane zu einem schlechten Zeitpunkt: Er musste bereits im Irak militärische Rückschläge hinnehmen, wo die Miliz gegen Regierungssoldaten, Peschmerga und schiitische Gruppen kämpft. "Die Aura der Unbesiegbarkeit, die mit den Vormärschen im Sommer entstand, ist zerstört", erklärt David Philips, Direktor des Programms für Friedensaufbau und Menschenrechte an der Columbia Universität.
"Kobane ist eine kleine Stadt und der IS legte großen Wert darauf zu gewinnen und nun ist er gezwungen klein beizugeben."
"Die Stadt ist dem Erdboden gleichgemacht"
Der Aktivist Bali rechnet noch mit einem langen Kampf. Manchmal dauere es Tage, die IS-Kämpfer aus einem Haus zu vertreiben, weil sie überall Scharfschützen postiert hätten. Außerdem seien Gebiete, die zuvor vom IS besetzt gehalten worden seien, häufig voller Sprengfallen.
Er hat jedoch keinen Zweifel, dass die Terrormiliz am Ende besiegt wird. "Die Stadt ist dem Erdboden gleichgemacht, aber sie wird sich vielleicht als Waterloo des Islamischen Staates erweisen."