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Islamischer Staat: Was Familien in den "falschen Himmel" treibt


"Ich war ein Niemand"
Was ganze Familien in den Terror-Staat treibt

ap, Von Berza Simsek und Raphael Satter, AP

Aktualisiert am 25.09.2014Lesedauer: 3 Min.
Vorher (rechts) und nachher: ein verzweifelter Sahin Aktan mit Fotos seiner nach Syrien geflohenen Ex-Frau. Heute nennt sie sich "Ummi Abdullah".Vergrößern des Bildes
Vorher (rechts) und nachher: ein verzweifelter Sahin Aktan mit Fotos seiner nach Syrien geflohenen Ex-Frau. Heute nennt sie sich "Ummi Abdullah". (Quelle: ap-bilder)

Asija Ummi Abdullah findet nicht, dass die Terrormiliz Islamischer Staat eine Schreckensherrschaft führt. Sie hat auch keine Angst vor den amerikanischen Luftangriffen. Für sie ist die Stadt Rakka, das IS-Machtzentrum in Ostsyrien, der ideale Ort, um Kinder aufzuziehen.

Deswegen ist die 24 Jahre alte, zum Islam konvertierte Frau mit ihrem dreijährigen Sohn aus der Türkei in das von der IS-Miliz kontrollierte Gebiet in Syrien gegangen, wie sie in Interviews der Nachrichtenagentur AP erklärt.

Die Türkei ist für Ummi Abdullah ein Sündenpfuhl - mit Sex, Drogen und Alkohol. "Die Kinder in diesem Land sehen das alles und werden entweder Mörder, Kriminelle, Homosexuelle oder Diebe", schrieb sie in einer ihrer zahlreichen Facebook-Nachrichten. Das sie unter dem strengen Recht der Scharia lebt, bedeute, dass ihr Sohn in Sicherheit lebe. "Er wird Gott erfahren und nach dessen Regeln leben", sagt sie.

Dutzende Familien verlassen die Türkei

Ummi Abdullahs Geschichte zeigt die Anziehungskraft von IS. Und sie macht deutlich, dass sogar in einem modernen Land wie der Türkei Menschen dazu bereit sind, alles hinter sich zu lassen, um ihr Seelenheil zu finden.

Ummi Abdullah, die ursprünglich aus Kirgistan stammt, schloss sich der IS-Terrormiliz erst im vergangenen Monat an. Ihr Verschwinden wurde zu einem der Topthemen in den türkischen Medien, nachdem ihr Ex-Mann Sahin Aktan, ein 44 Jahre alter Autoverkäufer, sich an die Medien gewandt hatte.

Doch ihre Geschichte ist kein Einzelfall. Unter weit weniger öffentlicher Anteilnahme haben Menschen in Scharen ihre Familien in der Türkei verlassen und sich den militanten Sunniten angeschlossen.

Am Anfang stand die Einsamkeit

Mehr als 50 Familien seien bereits in diesem Monat über die Grenze nach Syrien gegangen, um unter dem IS-Kalifat zu leben, sagt der Oppositionspolitiker Atilla Kart. Die Zahl scheint hoch, doch Zeugenberichte stützen sie. Ein Bewohner von Cumra, einem Ort in der Zentraltürkei, berichtete der AP, dass sein Sohn und seine Schwiegertochter zum IS nach Syrien aufgebrochen seien.

"Es wird so etwas wie ein falscher Himmel für sie", sagt Ahmet Kasim Han, Professor für Internationale Beziehungen an der Kadir Has Universität in Istanbul.

Wie bei vielen anderen war Einsamkeit der Ausgangspunkt für Ummi Abdullahs Weg zum radikalen Islam. Geboren wurde sie als Swetlana Hasanowa, als Teenager kam sie mit ihrer Mutter nach Istanbul, um Kleidung zu kaufen. Damals lernte sie ihren Mann kennen. Nach ihrer Heirat vor sechs Jahren konvertierte sie zum Islam.

"Ich wurde ständig runtergemacht"

Aktan sagt, die Beziehung sei zunächst gut gewesen. "Bevor wir geheiratet haben, sind wir oft im Meer geschwommen oder im Pool und abends haben wir uns zusammengesetzt und gemeinsam Fisch gegessen und Wein getrunken." Nach der Geburt ihres Sohnes sei seine Frau dann immer religiöser geworden. Sie habe sich verschleiert und oft gebetet.

Ummi Abdullah ("Abdullahs Mutter") wirft ihrem 20 Jahre älteren Mann dagegen vor, er habe sie behandelt wie eine Sklavin. "Ich wurde ständig von ihm und seiner Familie runtergemacht", schrieb sie in einer Nachricht an die AP. "Ich war ein Niemand in ihren Augen."

Flucht mit dem gemeinsamen Sohn

Die Gemeinschaft, nach der sie sich gesehnt hatte, fand sie stattdessen im Internet. Sie chattete mit Dschihadisten und postete zahlreiche religiöse Ermahnungen auf ihrer Facebook-Seite. Im Juni ließ sie sich scheiden, wie ihr Mann sagt. Einen Monat später nahm sie den gemeinsamen Sohn und reiste in eine türkische Stadt nahe der Grenze zu Syrien. Seitdem hat Aktan seinen Jungen nicht mehr gesehen.

Für die IS-Terroristen sind solche Geschichten eine gefundene Propaganda. Sie stilisieren sich als familienfreundlicher Ort. In einem ihrer Propaganda-Videos ist eine Montage zu sehen. Sie zeigt muslimische Krieger aus aller Welt und ihre Kinder in Rakka vor dem Hintergrund eines Vergnügungsparks.

Ein Mann - er wird als Amerikaner bezeichnet und Abu Abdurahman al-Trinidadi genannt - hält ein Kind an der Hand, das eine Spielzeug-Maschinenpistole an einem Gurt auf dem Rücken hat. "Seht all die kleinen Kinder", sagt er. "Sie haben Spaß."

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