Krisen & Konflikte Türkische Polizisten prügeln auf Notärzte ein
Das Ausmaß der Brutalität des Systems Erdogan kennt offenbar keine Grenzen: Am Sonntag haben Polizisten auf eine Gruppe von Notärzten eingeprügelt, die verwundete Demonstranten versorgen wollten. Das berichtet ein Reporter des ARD-Morgenmagazins, der selbst in Istanbul vor Ort ist, und die Szene beobachten musste. Derweil droht die Regierung den Demonstranten mit einem Einsatz der Armee.
Die Situation eskalierte offenbar am Sonntagvormittag: Während die Aufräumarbeiten nach einer nächtlichen Straßenschlacht auf dem Taksim-Platz und im Gezi-Park erneut auf Hochtouren liefen, war der Reporter mit einem Kamera-Team in der Sperrzone unterwegs. Vor den Augen der Journalisten gingen die Polizisten offenbar auf die Ärzte und Verletzten los.
Ärzte dürfen Demonstranten nicht behandeln
Die verstörten Notfallmediziner konnten sich nur noch vor der Polizei verbarrikadieren. Für sie gilt ein Verbot, den Demonstranten zu helfen. Provisorische Lazarette sind von Behördenseite strikt verboten.
Während der gewaltsamen Ausschreitungen in der Nacht zum Sonntag wurden einige Ärzte sogar festgenommen, als sie versuchten, Verwundete zu behandeln. Über den Verbleib der Mediziner herrscht laut ARD-Morgenmagazin noch immer Unklarheit.
Merkel ist erschrocken
Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte am Montag das gewaltsame Vorgehen der türkischen Polizei in Istanbul. Aus ihrer Sicht seien die Sicherheitskräfte dort "viel zu hart vorgegangen. Das, was im Augenblick in der Türkei passiert, entspricht nicht unseren Vorstellungen von Freiheit der Demonstration, der Meinungsäußerung." Zu den Fernsehbildern von der Räumung des Gezi-Parks in Istanbul sagte sie: "Ich bin erschrocken, wie viele andere Menschen auch".
Erdogan droht mit militärischem Eingreifen
Die türkische Regierung droht den Demonstranten im Land mit dem Einsatz der Armee. Sollte der Einsatz der Polizei gegen die Proteste "nicht ausreichen, können auch die Streitkräfte eingesetzt werden", sagte Vize-Ministerpräsident Bülent Arinc am Montag im Fernsehen.
Kein Ende in Sicht
Die Polizei ging in der Nacht zum Montag wieder gegen regierungskritische Demonstranten vor. In Ankara setzten Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Tränengas gegen Gegner der islamisch-konservative Regierung Erdogans ein. Innenminister Muammer Güler drohte mit verschärfter Strafverfolgung von Internet-Aktivisten sowie Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, die sich an Demonstrationen oder den für Montag ausgerufenen Streiks beteiligen.
In Istanbul hinderte die Polizei Zehntausende Demonstranten gewaltsam daran, zum zentralen Taksim-Platz zu ziehen. Aktivisten berichteten, die Polizei habe auch ein Krankenhaus in der Nähe des Taksim-Platzes mit einem Wasserwerfer angegriffen, nachdem sich Demonstranten dorthin geflüchtet hatten.
Schon 441 Festnahmen in Istanbul
Die Polizei nahm zuvor bereits bei den heftigen Protesten nach der Räumung des Gezi-Parkes Hunderte Menschen fest. Allein in Istanbul seien mindestens 441 Menschen in Gewahrsam, zitierten türkische Medien am Montag einen Mitarbeiter der Rechtsanwaltkammer (TBB).
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