Anatoli Tschubais Ex-Berater von Putin verlässt Klinik – Vergiftungsgerüchte halten sich
Er soll eine seltene Krankheit haben, aber nun hat Ex-Putin-Berater Tschubais die Klinik in Italien verlassen. Für Kremlgegner ist der Fall klar.
Der ehemalige russische Sondergesandte Anatoli Tschubais hat einem Medienbericht zufolge die Intensivstation eines italienischen Krankenhauses verlassen. "Es geht ihm besser", berichtete die Tageszeitung "La Repubblica" am Sonntag. Demnach sei der 67-Jährige am späten Samstagvormittag aus dem Krankenhaus Mater Olbia auf Sardinien entlassen worden. Er sei nach Frankfurt gereist, um sich dort in einer Reha-Klinik zu erholen.
Zwei Insider hatten zuvor der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, dass Tschubais am Guillain-Barré-Syndrom erkrankt sei. Die seltene Autoimmun-Krankheit, bei der das Nervensystem angegriffen wird, kann lebensbedrohliche Probleme wie schwere Atembeschwerden und Blutgerinnsel verursachen. Die Ergebnisse der toxikologischen Tests lägen zwar noch nicht vor, schrieb die italienische Tageszeitung nun; aber Tschubais habe auf die Behandlung angesprochen, "sodass die Ärzte sicher sind", dass es sich bei seinen gesundheitlichen Problemen um das Guillain-Barré-Syndrom handele. Er habe das Krankenhaus ohne fremde Hilfe wieder verlassen können.
Ähnlichkeit zu Nowitschok-Reaktion
Zunächst wurde auch über eine mögliche Vergiftung Tschubais spekuliert, dafür gibt es allerdings keine Hinweise. Der ehemalige Berater Putins kritisierte anfangs den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und im Westen befürchteten Experten, dass er auf Putins Abschussliste stehen könnte.
Die plötzliche Erkrankung mit neurologischen Symptomen weckt Erinnerungen an Fälle, in denen russische Oppositionelle Opfer von mutmaßlichen Giftanschlägen durch russische Geheimdienste wurden. Der prominenteste Fall war Alexei Nawalny, der 2020 monatelang in einem deutschen Krankenhaus behandelt wurde und derzeit in einem russischen Straflager inhaftiert ist. Bei Nawalny wurde das Nervengift Nowitschok nachgewiesen – ein Wirkstoff, der auch 2018 im Körper des der Spionage beschuldigten Sergej Skripal und seiner Tochter gefunden wurde. Trotz schwer belastender Indizien streitet der Kreml bis heute jegliche Beteiligung an den Giftanschlägen ab.
"Das ist der Ruf des Kremls"
Den Verdacht, dass Tschubais vergiftet worden sein könnte, äußerte auch die Pressesprecherin Nawalnys, Kira Jarmysch. Sie schreibt auf Twitter: "Das ist der Ruf des Kremls: Niemand zweifelt wirklich daran, dass Tschubais vergiftet wurde." Belege für die Vorwürfe gibt es dagegen nicht. Das Guillan-Barré-Syndrom tritt meist in Verbindung mit einer vorangegangenen Infektion auf – auch als mögliche, seltene Nebenwirkung von Impfungen mit einzelnen Corona-Impfstoffen ist es derzeit Gegenstand der Berichterstattung. Ein Giftstoff als Auslöser ist bislang nicht bekannt.
Nach einem Bericht der "Financial Times" geht auch Tschubais selbst nicht von einer Vergiftung aus. "Das sind sehr verständliche Verdächtigungen. Aber er denkt nicht so", erklärte demnach eine enge Kontaktperson Tschubais am Montag. Demnach bestehe auch keine Lebensgefahr mehr für den 67-Jährigen.
Einen Monat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Tschubais im März seinen Posten als Sonderbeauftragter von Präsident Wladimir Putin für Beziehungen zu internationalen Organisationen abgegeben und Russland verlassen. Tschubais gilt als Architekt der postkommunistischen Reformen in Russland. Er war Stabschef des früheren Präsidenten Boris Jelzin, von dem Putin Ende 1999 das Amt übernahm. Kritiker werfen Tschubais vor, die Anhäufung großer Vermögen durch einzelne Unternehmer geduldet zu haben, während Millionen Russen unter großer Armut litten. Er galt als einer der profiliertesten Liberalen im Umfeld der Regierung.
- Nachrichtenagentur Reuters
- Eigene Recherche