Konflikt um Taiwan US-Regierung: Chinesen sollen "Ton mäßigen"
Zahlreiche Flugzeuge und Schiffe Chinas missachteten die inoffizielle Seegrenze zu Taiwan. Die USA verurteilen das scharf.
Taiwan hat China vorgeworfen, bei seinen Militärmanövern einen Angriff auf die taiwanische Hauptinsel simuliert zu haben. Taiwans Streitkräfte hätten zahlreiche chinesische Flugzeuge und Schiffe in der Region der Taiwanstraße ausgemacht, von denen einige die als Mittellinie bezeichnete inoffizielle Seegrenze zwischen China und Taiwan überschritten hätten, erklärte das Verteidigungsministerium in Taipeh am Samstag. Die Manöver seien als "Simulation eines Angriffs auf Taiwans Hauptinsel" eingestuft worden.
China hatte die bis Sonntag angekündigten Manöver als Reaktion auf den Besuch der Vorsitzenden des amerikanischen Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan gestartet. Dabei missachteten zahlreiche chinesische Kampfjets und Schiffe die inoffizielle Seegrenze zwischen China und Taiwan.
Pelosis Besuch war die ranghöchste Visite aus den USA seit einem Vierteljahrhundert. China ist verärgert, weil es Taiwan für sich beansprucht. Es sieht die Insel als Teil der Volksrepublik an und lehnt offiziellen Kontakte anderer Länder vehement ab. Die Insel versteht sich aber schon lange als unabhängig.
Schiffe, Kampfjets, Drohnen und eine Rakete über Taiwan
Allein am Freitag hatte die chinesische Volksbefreiungsarmee eine "Rekordzahl" von 68 Militärmaschinen und 13 Marineschiffe in Gewässer nahe der demokratischen Inselrepublik geschickt, wie das Außenministerium in Taipeh berichtete.
Taiwans Militär berichtete, am späten Freitag seien zum zweiten Mal chinesische Drohnen nahe der vorgelagerten Insel Kinmen entdeckt worden, die nur zehn Kilometer von der Hafenstadt Xiamen an Chinas Küste entfernt ist. Auf der ebenfalls vorgelagerten taiwanischen Insel Matsu habe die Armee Leuchtgeschosse als Warnung gestartet, als ein unbekanntes Flugobjekt entdeckt worden sei.
Bei den Manövern hatte China auch elf ballistische Raketen in Richtung Taiwan gestartet, von denen nach Berichten eine sogar erstmals direkt über Taiwan und unweit der Hauptstadt Taipeh geflogen ist. Fünf landeten östlich von Taiwan in der nahe gelegenen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Japans, was auch als Warnung an Tokio gewertet wurde, sich aus dem Konflikt herauszuhalten.
Die Militärübungen zielen auf eine See- und Luftblockade und dienen der Vorbereitung auf eine mögliche Invasion. Als weitere Reaktion setzte China den Dialog mit den USA im Klimaschutz und über verschiedene Militärkanäle aus.
Kooperation wie im Kampf gegen Verbrechen, Drogen und zur Rückführung illegal eingereister Menschen wurden ganz gestrichen. Zusätzlich verhängte Peking nicht näher beschriebene Sanktionen gegen Pelosi und sogar gegen direkte Familienmitglieder. Chinas Führung wirft ihr vor, sich "ernsthaft in innere Angelegenheiten eingemischt" zu haben.
Der taiwanische Außenminister Jason Wu verurteilte "diese gefährliche militärische Eskalation der militärischen Bedrohung, die Frieden und Stabilität in der Region zerstört". Die USA kritisierten die chinesische Reaktion auf den Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi als "unverantwortlich". Dass China sogar den Dialog mit den USA über Klimaschutz ausgesetzt hatte, stieß international auf Kopfschütteln.
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US-Regierung: China bestraft "die ganze Welt"
Die US-Regierung rief China am Freitag zur Einstellung der Manöver auf. "Die Chinesen können viel dafür tun, die Spannungen zu verringern, indem sie einfach ihre provokanten Militärübungen beenden und ihren Ton mäßigen", erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby. Die USA wollten ihre militärischen Kontakte mit der Volksrepublik "auf höchstem Niveau" aufrechterhalten.
Die chinesische Regierung hatte zuvor ein Gespräch zwischen Militärführern sowie zwei Sicherheitstreffen mit den USA abgesagt. Außerdem setzte Peking den Austausch mit den USA zum Kampf gegen den Klimawandel aus. Kirby kritisierte diese Entscheidungen als "zutiefst unverantwortlich".
Die US-Regierung sprach von einer "Überreaktion der Chinesen". Unverständnis zeigte Kirby unter anderem darüber, dass die Chinesen den Dialog über Klimaschutz mit den USA gestoppt haben. "Sie glauben, dass sie uns bestrafen, indem sie diesen Kanal schließen. In Wirklichkeit bestrafen sie die ganze Welt, denn die Klimakrise kennt keine geografischen Grenzen."
Dass China bestimmte Kommunikationskanäle zwischen den Militärs der beiden Länder gekappt habe, erhöhe besonders angesichts der "provokativen Militärübungen" das Risiko von Fehleinschätzungen. Die USA wollten keine Krise mit China, und es gebe keinen Grund für eine solche Krise, sagte Kirby. Das habe die US-Regierung auch Chinas Botschafter in Washington bei einem Treffen deutlich gemacht.
Derweil traf US-Außenminister Antony Blinken am Samstag in Manila den neuen Staatschef der Philippinen, Ferdinand Marcos Jr. Blinken würdigte dabei das Bündnis zwischen beiden Staaten: "Das Bündnis ist stark, und ich glaube, es kann sogar noch stärker werden." Marcos sprach von einer "besonderen Beziehung" beider Länder.
Die USA und die Philippinen verbindet ein Sicherheitsbündnis. Washington hat Manila wiederholt in Streitigkeiten mit Peking über Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer unterstützt.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa