Staatsbesuch bei Erdogan Merkel auf heikler Mission in der Türkei
Angela Merkel ist in dieser Woche auf Staatsbesuch in der Türkei. Der Zeitpunkt könnte kritischer kaum sein: Nicht nur die Unstimmigkeiten zwischen Erdogan und der Bundesrepublik haben zugenommen, auch die türkische Opposition hat Bedenken gegen Merkels Visite.
Die Liste der Probleme ist lang. Der EU-Türkei-Flüchtlingspakt gilt als fragil, die Entwicklung der Türkei unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan als kritisch, die Beziehung zu Deutschland als angespannt. Eigentlich gibt es keinen politisch ungünstigeren Zeitpunkt für einen Besuch der Kanzlerin in Ankara. Am Donnerstag reist Angela Merkel aber dorthin - auf dem Weg zum EU-Gipfel auf Malta.
Die EU hat sich "ausgeliefert"
In der Flüchtlingspolitik wird sie jedoch kaum Druck auf Erdogan ausüben können. Im Gegenteil, meint der Abgeordnete der Mitte-Links Partei CHP, Sezgin Tanrikulu. Erdogan könnte mit der Drohung, den Flüchtlingspakt platzen zu lassen, seinerseits Druck auf die EU und auf Deutschland machen. Die EU habe sich der Türkei mit den Abkommen "ausgeliefert", sagt er.
Für Merkel wäre ein Scheitern der Vereinbarungen mit der Türkei, nach denen Griechenland Migranten in die Türkei zurückschicken kann, ein schwerer Rückschlag für ihre Flüchtlingspolitik. Denn steigende Flüchtlingszahlen im Bundestagswahljahr will die Union unbedingt verhindern.
Als heikel wird Merkels Besuch aber schon rein aus zeitlichen Gründen gesehen. Sie besucht die Türkei - mal wieder - sozusagen im Wahlkampf. Schon vor den Parlamentswahlen im November 2015 hatte sie sich in Istanbul mit Erdogan getroffen und sich damit viel Kritik eingehandelt. Nun stimmen die Türken in wenigen Wochen über das von Erdogan und der islamisch-konservativen AKP-Regierung gewünschte Präsidialsystem ab. Kritiker befürchten, dass Merkels Besuch als Unterstützung für Erdogans autoritären Kurs gewertet wird.
Der Oppositionsführer und CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu, sagte der "Süddeutschen Zeitung", Merkels Besuch laufe auf Wahlkampfhilfe für Erdogan hinaus. Massenentlassungen, Verhaftungen von Oppositionspolitikern und Journalisten, Erdogans Führungsstil - die CHP erwartet nicht, dass Merkel das anspricht. Dabei hat sie sich bisher oft kritisch zu Einschränkungen von Freiheitsrechten in der Türkei geäußert.
Ärger um Asylanträge von Soldaten
Auch bei der Aufarbeitung des Putschversuchs im Juli 2016 gibt es enorme Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis. Der türkische Justizminister Bekir Bozdag sagte jüngst dem Sender Kanal 24, der Westen beschütze Anhänger der Gülen-Bewegung und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Er beschuldigte die Kanzlerin sogar persönlich: "Auch Merkels Deutschland schützt die Terroristen, die Mitglieder der Gülen-Terrororganisation. Es schützt die Terroristen der PKK-Terrororganisation."
Besonders sensibel ist nun, dass etwa 40 in Nato-Einrichtungen stationierte türkische Soldaten Asyl in Deutschland beantragt haben. Der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik fordert, die Asylanträge der mutmaßlichen Putschisten müssten abgelehnt werden. Den Anträgen stattzugeben, würde ernste Konsequenzen haben, droht er. Merkels Sprecher Steffen Seibert hielt dagegen, Asylanträge seien für die Bundesregierung keine politische Frage.
Für weiteren Ärger auf türkischer Seite sorgt der Auftritt des in Deutschland im Exil lebenden regierungskritischen türkischen Journalisten Can Dündar als Ehrengast bei einem Neujahrsempfang des Bundesjustizministeriums. Das türkische Außenministerium sprach von einer "Provokation" in Zeiten sich verbessender bilateraler Beziehungen. Das von Dündar mit initiierte Online-Medium "Özgürüz" ("Wir sind frei") sperrten die türkischen Behörden noch bevor die Berichterstattung begonnen hatte.