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So führt Wladimir Putin den Propaganda-Krieg in Deutschland


Russland-Kenner über Putins Propaganda
"Ihr Deutschen seid so naiv, ihr bemerkt das nicht einmal"

t-online, Christina Rath

Aktualisiert am 04.03.2016Lesedauer: 4 Min.
"Wer Putin kritisiert, muss mit Angriffen rechnen"Vergrößern des Bildes
"Wer Putin kritisiert, muss mit Angriffen rechnen" (Quelle: AFP-bilder)

Wladimir Putin führt laut dem Russland-Experten Boris Reitschuster einen Krieg in Deutschland - nicht mit Panzern, sondern mit anderen, ebenso perfiden Mitteln. Sein Ziel: den Rechtsstaat zu schwächen. Ein Zwischenziel: der Sturz von Kanzlerin Angela Merkel.

Zuletzt rüttelte die Affäre um die angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin die Öffentlichkeit auf: Es kam zu diplomatischen Verwerfungen zwischen Deutschland und Russland, wie aus dem Nichts formierten sich hunderte Russlanddeutsche zu Demonstrationen. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie der russische Präsident die öffentliche Meinung hierzulande durch eine ausgeklügelte Propagandamaschinerie manipuliert.

In seinem Buch "Putins verdeckter Krieg", das Mitte April erscheint, deckt der Russland-Kenner Boris Reitschuster die Zusammenhänge auf. Reitschuster, der über 15 Jahre Leiter des Moskauer Büros von "Focus" war, berichtet von mysteriösen Todesfällen, alten Stasi-Seilschaften, geheimen Kampftruppen Putins in Deutschland und direkten Verbindungen zum Kreml. T-Online.de hat vorab mit dem Autor gesprochen.

Herr Reitschuster, steht Deutschland im Fadenkreuz eines Propagandakrieges von Wladimir Putin?

Boris Reitschuster: Das ist ganz eindeutig und auch schon seit langem zu bemerken. Was mich wundert, ist, wie blind wir Deutschen lange Zeit waren. Als ich vor einem Jahr in Moskau war, haben mich schon Moskauer Freunde darauf angesprochen und gesagt, dass hier ein Propagandakrieg läuft. Sie haben sogar gelacht und gesagt: "Ihr Deutschen seid so naiv, ihr bemerkt das nicht einmal."

Hat Putin denn in Deutschland viele Unterstützer?

In Russland ist die Rede von einer "Schröderisierung" der Eliten - das ist sogar in den russischen Sprachgebrauch eingegangen. Damit meint man eine Korrumpierung der Eliten. In Deutschland sieht man das in Ansätzen. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass die Elite insgesamt von Russland korrumpiert ist. Aber Sie sehen das sowohl in der Politik, als auch in der Wirtschaft. Es gibt Menschen, die hier auftreten wie Putins Propagandakrieger und die oft auch sehr effektiv sind. Weil sie uns einfach Märchen erzählen davon, was in Russland vor sich geht. Weil das, was wirklich in Russland geschieht, außerhalb unserer Vorstellungskraft liegt. Wir haben es in Russland wieder mit einer klassischen Diktatur nach der Duden-Definition zu tun, allerdings nicht mit einer totalitären Diktatur wie es die DDR oder die Sowjetunion war, deshalb lassen sich hier viele täuschen.

In vielen Ländern der EU unterstützt die russische Regierung nationalistische Vereinigungen, man denke etwa an den Millionenkredit, den eine russische Bank dem französischen Front National gewährt hat. Warum?

Putin erhofft sich von diesen Nationalisten, dass sie in den jeweiligen Ländern und in der EU die Lage destabilisieren. Und was wir hier im Westen völlig unterschätzen, ist die Denkweise, die in der russischen Führung herrscht. Sie hat ja in gewisser Weise eine stalinistische Tradition. Wir definieren hier immer Stalinismus mit links. Das ist aber nicht der Fall - da möchte ich an Kurt Schumacher, den Sozialdemokraten, erinnern, der die Kommunisten als "rot lackierte Faschisten" bezeichnet hat. In Wirklichkeit sind diese Schnittmengen zwischen dem alten sowjetischen Denken und dem der Nationalisten sehr groß und wir sind nur blind geworden. Wir sehen immer nur eine Gefahr von rechts, aber wir sehen nicht diese Schnittmengen.

Putin unterstützt ja alle Kräfte, die ihm dabei helfen können, die EU zu destabilisieren….

….links wie rechts, genau.

Die Einflüsse des Kremls auf andere Länder wie Frankreich und Italien sind ja schon belegt, in Deutschland ist das noch nicht so klar. In Medien wird häufig spekuliert, dass die russische Führung die AfD unterstützt. Stimmt das und fließen da womöglich Gelder? Und wenn ja, gibt es Belege?

Da hilft auch wieder ein Blick in die Geschichte: Moskau und auch Ostberlin haben immer westliche Parteien, die ihnen genehm waren, unterstützt. Sie waren aber so klug, das so zu tun, dass man es nicht beweisen konnte und dass man wesentliche Teile dieser Unterstützung erst nach der Wende herausbekam. Es wird nicht einfach Geld auf ein Konto überwiesen, sondern es wird mit Firmen gearbeitet oder über Deckmänner. Von daher ist es ein großes Wunder, dass man in Frankreich etwa die Finanzierung der rechtsextremen Front National durch Russland aufdeckte.

Wenn ich mir die ganze Situation anschaue: wie AfD-Politiker ständig in der russischen Botschaft sind, dass Russland selbst in der AfD zu einem Hauptthema geworden ist, das die Partei mehr bewegt als ihr eigentliches Thema, der Euro. Wenn ich mir anschaue, was für Querverbindungen es gibt zwischen der AfD und anderen Netzwerken, die Putin nahe sind, dann wäre es für mich eine Überraschung, wenn Putin die AfD nicht unterstützen würde. Nach all dem, was man von dem System Putin und seiner Tätigkeit im Ausland weiß, würde es mich sehr wundern, wenn es hier keine Querverbindungen zur AfD gäbe.

Wie gefährlich ist die Situation in Deutschland? T-Online.de hat ja kürzlich ein Interview mit einem Bundestagsabgeordneten geführt. Der wollte seinen Namen aus Angst vor Hass und Bedrohungen nicht nennen. Ist es schon so weit?

Wenn schon Bundestagsabgeordnete Angst haben, ihren Namen zu nennen, zeigt das, dass wir sehr weit sind. Ich habe das auch im Vorfeld meines Buches „Putins verdeckter Krieg“, das im April erscheint, mitbekommen. Man hat mir gesagt, es sei für mich gefährlich, dieses Buch zu schreiben, ich solle mir doch überlegen, ob ich das wirklich machen wolle. Beim Schreiben musste ich mir bei vielen Dingen überlegen, kann ich das wirklich schreiben oder ist das zu gefährlich?

Ich denke, die Situation ist kritisch. Es gab Aussagen von Ramsan Kadyrow, dem Tschetschenien-Führer, und seinen Vertrauten, man werde Kritiker Putins auch im Ausland verfolgen. Die deutschen Behörden schätzen das als gefährlich ein. Auf der anderen Seite gibt es sehr viel Psychoterror. Putins Propagandakrieger sind hier sehr aktiv. Wer Putin kritisiert, muss mit sehr viel Angriffen rechnen.

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