Umstrittene Reform Mitten in Europa wankt die nächste Demokratie
In der Slowakei gehen Zehntausende Menschen auf die Straße. Sie protestieren gegen eine umstrittene Reform. Das Land steht am Scheideweg.
Als Robert Fico im Oktober 2023 in der Slowakei die Regierungsgeschäfte übernahm, zählte zu seinen ersten Amtshandlungen die weitgehende Einstellung der Ukraine-Hilfen. Das hatte der Putin-Bewunderer im Wahlkampf versprochen. Und noch einiges mehr. Nun macht der Rechtspopulist auch in anderen Bereichen der Gesellschaft mit einem antidemokratischen Rückbau ernst.
So sollen unter anderem die Strafen für Korruption gelockert werden und eine Sonderstaatsanwaltschaft, die sich bislang mit besonders schweren Fällen von Korruption, organisierter Kriminalität und Amtsmissbrauch beschäftigte, abgeschafft werden. Auch die Strafen für Korruption und Wirtschaftsvergehen sollen verringert und der Schutz für Whistleblower bei der Polizei aufgehoben werden.
Diese sogenannte Justizreform stößt nicht nur bei der Europäischen Union auf scharfe Kritik. Auch viele Slowaken und Slowakinnen scheinen sich große Sorgen über den Fortbestand der Demokratie in dem Land zu machen.
Zehntausende Menschen gingen am Donnerstag gegen die geplante Strafrechtsreform auf die Straßen der Hauptstadt Bratislava. Sie trugen Plakate mit Slogans wie "Fasst unsere Demokratie nicht an!" und "Wir werden nicht schweigen!" Auch in mehr als 20 weiteren Städten des osteuropäischen Landes gab es Kundgebungen.
Auch Fico geriet unter Korruptionsverdacht
Das Parlament soll die Reform in einem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren beschließen. Bereits Ende vergangenen Jahres gab es in der Slowakei Demonstrationen gegen die Pläne. Oppositionsführer Michal Šimečka nannte die geplante Reform ein "Pro-Mafia-Gesetz".
Fico war zwischen 2006 und 2018 bereits zweimal slowakischer Ministerpräsident. Während dieser Zeit konnte sich das organisierte Verbrechen in dem Land ausbreiten, auch wurden viele Fälle von Korruption in den höchsten Ebenen der Gesellschaft bekannt. Die Sonderstaatsanwaltschaft ermittelte unter anderem gegen 15 ranghohe Richter. Auch Fico selbst geriet unter Korruptionsverdacht. Er soll gemeinsam mit seinem ehemaligen Innenminister eine kriminelle Vereinigung unterstützt haben.
Nach dem brutalen Doppelmord an dem Journalisten und Whistleblower Jan Kučiak an einer Verlobten musste Fico im Jahr 2018 unter dem Druck einer beispiellosen Protestwelle zurücktreten. Die Nachfolgerregierung nahm den Kampf gegen die Korruption auf. Nun drohen diese Bemühungen zum Stillstand zu kommen.
Die Europäische Staatsanwaltschaft (Eusta) in Luxemburg kritisierte die Reformpläne in dem EU-Mitgliedsland als "ein ernsthaftes Risiko der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit". Zuletzt verurteilte das EU-Parlament am Mittwoch in einer Resolution das Reformprojekt.
- euractiv.com. "Slovaks protest Fico’s plans to protect corruption" (englisch)
- europarl.europa.eu: "Parliament concerned about the rule of law in Slovakia" (englisch)
- spiegel.de: "Machtkampf in slowakischer Polizei eskaliert"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa