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Israel: Frauen lassen seit Hamas-Terror vermehrt Spermien von Toten entnehmen


Kontroverse Praxis
Israelische Familien nutzen Sperma ihrer gefallenen Söhne

Von t-online, aj

Aktualisiert am 13.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Ein israelischer Soldat wird beerdigt (Archivbild): Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel soll es eine vermehrte Nachfrage nach posthumer Fortpflanzung geben. (Quelle: IMAGO/DEBBIE HILL/imago-images-bilder)

Es handelt sich um ein ethisch heikles Thema: In Israel haben Ehefrauen und Eltern die Möglichkeit, mit den Spermien verstorbener Männer neues Leben zu zeugen.

In Israel gibt es eine umstrittene Praxis, bei der Eltern das Sperma ihrer toten Söhne entnehmen lassen können, um später Enkel zu zeugen. Auch Ehefrauen ist dies gestattet. Laut einem Bericht der "The Israel Times" haben die Anfragen nach posthumer Fortpflanzungsmethoden seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober zugenommen.

Auch die israelische Embryologin Yael Harir hatte Medienberichten zufolge in einer Instagram-Story darauf aufmerksam gemacht. Dort schrieb sie laut Berichten: "Uns wurde immer gesagt, wie glücklich wir uns schätzen können, an einem Ort zu arbeiten, der Leben in die Welt bringt. Seit gestern Abend werden wir aufgefordert, Samen von Toten einzufrieren (…) Junge Männer, einer nach dem anderen." Harir sagte gegenüber "Ynet", es habe noch nie so viele Anfragen gegeben wie jetzt.

Shahar Kol, ein Mediziner an einem israelischen Zentrum für künstliche Befruchtung, bestätigte gegenüber dem "Spiegel", dass es im Zusammenhang mit den Anschlägen mehrere Fälle gegeben habe.

Posthume Entnahme von Spermien in Deutschland verboten

Das Entnehmen von Spermien bei Verstorbenen ist keine gewöhnliche Prozedur. In den meisten Ländern, einschließlich Deutschland, ist es verboten. In Israel gibt es diese Praxis schon länger. Seit 2003 kann eine Ehefrau dies auf Antrag vornehmen lassen – auch ohne frühere Einwilligung des Verstorbenen. Frauen unter 45 Jahren können sich zudem kostenlos künstlich mit den eingefrorenen Spermien befruchten lassen.

Auch Eltern von getöteten Soldaten dürfen seit 2007 die Spermien ihrer Söhne entnehmen. Früher war dafür laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) ein Gerichtsbeschluss per Eilverfahren notwendig. Aktuell ist ein solcher gerichtlicher Zuspruch demnach nicht mehr nötig.

"Familie und Kinder haben einen sehr hohen Stellenwert in der israelischen Gesellschaft"

Die Spermien werden durch einen Einschnitt in den Hoden entnommen und in flüssigem Stickstoff eingefroren. Nach dem Tod ihres Angehörigen bleibt den Hinterbliebenen für den Eingriff aber nur wenig Zeit. Im "Journal of Medical Ethics" schreiben britische Wissenschaftler, es gebe Hinweise darauf, dass eine Spermienentnahme binnen 48 Stunden nach dem Tod zu gesundem Nachwuchs führen könne.

"Familie und Kinder haben einen sehr hohen Stellenwert in der israelischen Gesellschaft, auch deshalb gehört Israel zu den Vorreitern der Reproduktionsmedizin", sagte Dr. Noga Fuchs Weizman, eine Fruchtbarkeitsspezialistin am Ichilov Krankenhaus in Tel Aviv gegenüber der FAZ. In-vitro-Fertilisationen seien im Land längst Normalität, Kryokonservierungen gehörten zu den Routineeingriffen in Fruchtbarkeitskliniken und würden bei jungen Frauen immer beliebter.

"Viele Familien haben ihre Söhne im Krieg verloren"

Die israelische Organisation Or Lamishpachot unterstützt die Familien von verstorbenen Soldaten bei der Trauerbewältigung. Seit mehreren Jahren setzt sich die Organisation dafür ein, die Hürden für Eltern, die Spermien ihrer verstorbenen Söhne entnehmen und Enkel zeugen möchten, zu senken. "Viele Familien haben ihre Söhne im Krieg verloren. Sie sehen es als ein Opfer für die Gesellschaft an, für das ihnen eine Art Kompensation zusteht", sagt Irit Gunders, die Leiterin der Organisation, gegenüber der österreichischen Zeitung "Der Standard".

Denn auch wenn die Hürden für eine Entnahme von Spermien bei Toten in Israel nun relativ niedrig sind, bleibt die spätere Verwendung und die Zeugung von Kindern weiterhin ethisch und juristisch problematisch.

Kritiker des Vorgehens argumentieren, dass Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde des Toten bei der Prozedur verletzt würden. So stelle sich die Frage, inwiefern man nachvollziehen kann, ob der Verstorbene wirklich eine posthume Zeugung wollte. Auch sei es fragwürdig, ob Kinder noch zur Welt gebracht werden sollten, wenn ihre Väter schon tot sind.

Verwendete Quellen
  • timesofisrael.com: "Embryologists inundated with requests for sperm retrieval from the fallen and dead" (englisch)
  • faz.net: "Damit das israelische Volk eine Zukunft hat" (kostenpflichtig)
  • spiegel.de: "Wie israelische Familien das Sperma getöteter Männer retten wollen"
  • derstandard.de: "Samenspende: Wenn aus toten Männern noch Väter werden"
  • kurier.at: "Britische Ärzte empfehlen Samenspenden von toten Männern"
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