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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ex-Generalmajor über Krieg in Gaza "Es wird viele, viele, viele zivile Opfer geben"
Die israelische Offensive im Gazastreifen ist in ihrer ersten Phase. Ein Ex-Militär der Armee glaubt, in späteren Phasen werde es viele zivile Opfer geben.
Die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen ist in vollem Gange. Ziel der Operation, die Israels Armee (IDF) im Gebiet durchführt: Die vollständige Zerstörung der Terrororganisation Hamas. Allerdings leben im Gazastreifen viele Zivilisten. Etwa zwei Millionen Menschen siedeln dort auf einer Fläche, die mit 365 Quadratkilometern nur minimal größer ist als die Stadt Dresden.
Deshalb könnte es bald zu deutlich mehr zivilen Opfern im Gazastreifen kommen. Das befürchtet auch Giora Eiland, ehemaliger Generalmajor der IDF und nationaler Sicherheitsberater Israels. Im Gespräch mit dem "Spiegel" prophezeit er einen monatelangen Krieg, auf den eine "humanitäre Katastrophe" und "eine lange Periode völligen Chaos" folgen könnte.
Drei Phasen des Krieges
Derzeit befinde sich der Krieg in der ersten von drei Phasen. Die IDF räume in dieser Phase den nördlichen Gazastreifen von Hamas-Entitäten, erklärt Eiland. Danach werde das Kampfgeschehen vermutlich noch schwieriger werden, sobald die IDF in den südlichen Gazastreifen vorrückt. "Das kann ein paar Wochen oder viel länger dauern", so der ehemalige Generalmajor. "Wir können den Menschen dort nicht sagen, sie sollen an einen anderen Ort gehen."
Laut Eiland werde eine der zentralen Herausforderungen für israelische Soldaten darin bestehen, in Gebieten mit einem hohen Anteil an Zivilsten zu kämpfen. "Es wird viele, viele, viele zivile Opfer geben", so Eiland. "Wir können das nicht vermeiden".
Sobald der größte Teil der Hamas-Kämpfer besiegt ist, beginne die dritte Phase des Krieges. "Es wird eine lange Periode völligen Chaos sein", sagt der ehemalige Generalmajor. Es sei unrealistisch, jeden einzelnen Hamas-Kämpfer zu töten. Die verbliebenen Terroristen im Gazastreifen werden nicht aufgeben, glaubt Eiland. Die IDF würde auch diese Hamas-Kader bekämpfen – "wir werden vielleicht nicht so viele Truppen im Gazastreifen haben, aber wir werden weiterhin aus der Luft oder mit gezielten Bodenangriffen operieren."
Nördlicher Gazastreifen weitgehend zerstört
Eine baldige Rückkehr der Geflüchteten in den Norden des Gazastreifens sieht der Ex-Militär nicht. "Im Gebiet des nördlichen Gazastreifens werden Menschen wahrscheinlich nicht leben können. Die meisten dieser Gebiete sind zerstört – die Gebäude, die Infrastruktur. Ich rechne damit, dass die Zivilbevölkerung für sehr, sehr lange Zeit nicht in den nördlichen Teil des Gazastreifens zurückkehren wird."
Irgendwann danach könnte Israel eine Pufferzone einrichten, meint Eiland, und von dort immer wieder Militäroperationen gegen Hamas durchführen. Das werde so lange dauern, "bis jemand innerhalb des Gazastreifens oder von außerhalb bereit oder in der Lage sein wird, die Verantwortung zu übernehmen". Das werde aber wohl erst nach einer "sehr langen Übergangszeit" der Fall sein.
"Ich kann nicht leugnen, dass es eine schreckliche humanitäre Katastrophe in Gaza geben wird", sagte er dem "Spiegel". Und weiter: "Solange keine andere Partei in der Welt bereit ist, etwas zu tun, glaube ich nicht, dass Israel viel mehr tun kann, um diese zu verhindern."
- spiegel.de: "Chaos, Terror – oder ein neuer, großer Friedensplan?"