Israels Bodenoffensive "Wir stehen vor den Toren von Gaza-Stadt"
Die israelische Armee setzt ihre Angriffe gegen die Hamas-Terroristen in Gaza fort. Die Bundesregierung mahnt zur Einhaltung des Völkerrechts. Aus Iran kommen erneut Drohungen.
Die israelische Armee kommt nach Angaben eines ranghohen Kommandeurs bei ihren Bodenangriffen im Gazastreifen voran. "Wir stehen vor den Toren von Gaza-Stadt", sagte der Befehlshaber der 162. Division, Itzik Cohen, am Mittwoch in einem Pressestatement. Die Soldaten seiner Einheit befänden sich mitten im Einsatz und seien tief in den Gazastreifen vorgedrungen. Gaza-Stadt ist die größte Stadt in dem abgeriegelten Küstenstreifen.
Am vergangenen Wochenende hatte das Militär eine neue Phase im Krieg gegen die im Gazastreifen herrschende Terrororganisation Hamas eingeläutet. Die israelischen Truppen weiteten ihre Einsätze am Boden aus. Die genauen Standorte der Truppen sind allerdings nicht bekannt. Israels Armee hatte die Menschen im Norden Gazas, nach den Angriffen der Hamas am 7. Oktober als Vorbereitung auf ihre Bodenoffensive in Gaza mehrfach zur Flucht in den Süden aufgerufen.
t-online gibt einen Überblick über die Lage am Mittwochabend.
Israel verübt Luftschläge auf Geflüchtetenlager
Israelische Luftangriffe im Flüchtlingslager Jabalia mit zahlreichen Toten lösten in der arabischen Welt scharfe Kritik aus. Jordanien beschloss am Mittwoch, seinen Botschafter in Israel zurückzuberufen. Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian drohte Israel und den USA: "Wenn der Krieg weitergeht, wird die Situation nicht so bleiben."
Nach Angaben des israelischen Militärs wurde bei dem Luftangriff auf ein mehrstöckiges Haus auch ein Hamas-Kommandeur, der an den Massakern im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober beteiligt gewesen sei, getötet. Insgesamt seien demnach rund 50 Terroristen getötet worden. Bewohner vor Ort berichteten am Mittwoch hingegen von einem großen Ausmaß der Zerstörung und warfen den israelischen Streitkräften ein "Massaker" vor. Jabalia ist laut UN das größte Flüchtlingslager im von Israel abgeriegelten Gazastreifen.
Die Bundesregierung betonte das Selbstverteidigungsrecht Israels nach dem Massaker am 7. Oktober und unterstrich zugleich die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. "Bei der legitimen Verteidigung Israels gegen die Terrororganisation Hamas und gegen deren fortgesetzte Angriffe, zu denen Israel im Rahmen des Völkerrechts berechtigt ist, muss auch der Schutz der Zivilbevölkerung im Vordergrund stehen", so ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Mehr zum Völkerrecht mit Blick auf die israelischen Angriffe in Gaza lesen Sie hier.
Zahl der Toten in Gaza steigt offenbar weiter an
Das israelische Militär griff nach eigener Darstellung vom Mittwoch seit Kriegsbeginn mehr als 11.000 Ziele an. Auch in der Nacht hätten die Bodentruppen im Verbund mit der Luftwaffe und der Marine mehrere "Terrorziele" im gesamten Gazastreifen angegriffen, darunter Kommandozentralen und Terrorzellen der Hamas, teilte die israelische Armee mit. Bei Kämpfen sind demnach 13 israelische Soldaten getötet worden. Sie seien im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens ums Leben gekommen, teilte das Militär mit. Bereits zuvor waren zwei Soldaten getötet worden.
Mit den israelischen Angriffen auf die Hamas-Terroristen werden immer wieder auch Zivilistinnen und Zivilisten getötet – auch weil die Hamas diese als menschliche Schutzschilde missbrauchen, indem sie sie etwa dazu aufrufen, entgegen israelischer Warnungen nicht aus Gaza-Stadt zu flüchten. Für viele Zivilisten ist die Evakuierung zudem schwierig, etwa wenn sie auf Hilfe angewiesen sind.
Die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen ist so mittlerweile auf 8.796 Menschen gestiegen. Das teilte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. Unter den Toten seien demnach 3.648 Kinder und Jugendliche im Alter unter 18 Jahren. Insgesamt seien seit Kriegsbeginn 22.219 Menschen verletzt worden. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen.
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Im Gazastreifen fielen zudem erneut alle Kommunikations- und Internetdienste aus, wie das im Westjordanland ansässige palästinensische Unternehmen Paltel mitteilte. Auch die Organisation Netblocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, bestätigte auf der Plattform X, früher Twitter, einen Zusammenbruch der Verbindungen. Paltel sei der letzte große Betreiber, der in dem Küstengebiet noch Dienste anbiete. Der Palästinensische Rote Halbmond war nach eigenen Angaben auch vom Blackout betroffen.
Iran droht mit "weiterer Überraschungsaktion"
Auch zwischen dem islamischen Regime im Iran, das als Verbündeter der Hamas gilt, und den pro-iranischen Terrororganisationen im Nahen Osten verschärft sich die Situation weiter: Der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian drohte nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Hakan Fidan vor Journalisten in Ankara: "Der Widerstand wird eine weitere Überraschungsaktion beschließen und die Situation wird anders sein." Amirabdollahian nimmt damit Bezug auf die vom Regime im Iran so bezeichnete "Achse des Widerstands" aus von Teheran unterstützten Terrormilizen, wie etwa die Hisbollah im Libanon oder die Huthi-Rebellen im Jemen.
- Lesen Sie auch: Die Geschichte des Nahostkonflikts
Vor seinem Besuch in der Türkei hatte sich Amirabdollahian in der katarischen Hauptstadt Doha so etwa mit dem Chef der Hamas-Terroristen Ismail Hanija getroffen. Das Golfemirat Katar gehört seit etwa 15 Jahren zu den wichtigsten Unterstützern der Hamas. Katar vermittelt derzeit unter anderem bei einer möglichen Freilassung von Geiseln, die von Terroristen aus Israel in den Gazastreifen verschleppt worden sind, darunter auch deutsche Staatsbürger. Nähere Details zu den Gesprächen wurden nicht bekannt.
Auch zwischen der pro-iranischen Terrororganisation Hisbollah im Libanon und dem israelischen Militär bleibt die Lage indes weiter angespannt. Die israelische Armee meldete erneut einen Angriff auf eine "Terrorzelle" im Süden des Libanons. Diese habe versucht, mehrere Panzerabwehrraketen auf den Norden Israels abzufeuern. Immer wieder kommt es seit dem 7. Oktober zu Angriffen der Hisbollah auf Israel. Diese gelten als enge Verbündete der Hamas-Terroristen. Mehr dazu, welche Taktik die Hisbollah mit ihren Angriffen auf Israel verfolgt, lesen Sie hier.
Positive Nachrichten gab es für zahlreiche verletzte Palästinenser sowie Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Gaza: Erstmals seit Beginn des Kriegs am 7. Oktober durften diese über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten ausreisen. Die Öffnung des Übergangs Rafah und wer ihn passieren darf, wird streng reguliert. Der Übergang wurde bisher vor allem zur Lieferung von Hilfsgütern genutzt. Die ersten Ausländer, darunter auch deutsche Staatsbürger, konnten den Gazastreifen jedoch so am Mittwochabend verlassen. Mehr dazu lesen Sie im Newsblog zum Angriff auf Israel.
- Nachrichtenagentur dpa