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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Israelischer Armeesprecher zu Hamas "Die Kinder aus den Terrorlagern haben das Massaker angerichtet"
Verschiebt sich die Bodenoffensive Israels im Gazastreifen? Im Interview mit t-online will ein Sprecher der Armee diese Informationen nicht bestätigen.
Nach einem Medienbericht verschiebt sich die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen. Zuletzt hat die israelische Armee den Menschen im Gazastreifen eine neuerliche Deadline für den Sonntag gesetzt: Bis 12 Uhr mitteleuropäischer Zeit sollen sie den Norden des Gebiets verlassen haben.
t-online hat einen der Pressesprecher der Armee, Arye Sharuz Shalicar, in Israel vor Ort gesprochen. Im Interview erklärt er, warum die kurze Frist zur Evakuierung des Gebiets genug Zeit bedeutete – und was das Vorgehen der Hamas so perfide macht.
t-online: Herr Shalicar, der "New York Times" zufolge hat Israel den Einmarsch im Gazastreifen um ein paar Tage verschoben. Warum?
Arye Sharuz Shalicar: Ich weiß nicht, woher die "New York Times" ihre Information hat, aber ich kann die Verschiebung der Offensive nicht bestätigen.
Die Zeitung bezieht sich auf mehrere israelische Beamte. Der Grund seien das schlechte Wetter und die Zivilisten, die sich noch immer im Norden des Gazastreifens aufhalten.
Auf das Wetter gehe ich nicht ein. Zivilisten zu schützen, hat für die israelische Armee eine Priorität. Daher haben wir sie auch klar dazu aufgefordert, dass die nach Süden gehen.
Es sollen sich noch weiter Menschen im Norden aufhalten. Kritiker meinten, dass die Deadline der IDF zu kurz war. Was sagen Sie dazu?
Wir haben gesehen, dass viele Bewohner des nördlichen Gazastreifens unserer Aufforderung gefolgt sind. Sie haben 24 Stunden bekommen, das reicht, um das Wichtigste einzupacken, die Kinder mitzunehmen und sich auf den Weg in den Süden zu machen. Wer jetzt kritisiert, 24 Stunden seien zu wenig Zeit gewesen, sollte dabei immer bedenken: Die Hamas hat den 1.400 ermordeten Israelis keine Sekunde Zeit gegeben, bevor sie ihr Massaker angerichtet hat. Hätten wir wenigstens eine Stunde gehabt, hätten wir die Menschen vor den Terroristen retten können.
- Flucht aus Gaza: "Wir werden sterben und nicht gehen"
Wann ist mit der Bodenoffensive nun zu rechnen?
Dazu äußere ich mich nicht.
Arye Sharuz Shalicar, geboren 1977, ist ein deutsch-israelischer Schriftsteller und Regierungsbeamter. Als Jugendlicher war er unter anderem in der Berliner Graffiti-Szene aktiv. Nach seinem Abitur und Dienst bei der Bundeswehr wanderte er nach Israel aus. Von 2009 bis 2016 war er Sprecher der israelischen Armee. Derzeit ist er in derselben Funktion wieder vor Ort im Einsatz.
Die Hamas hat eine Stadt unter Gaza-Stadt gebaut: ein weit verzweigtes Netz von Tunneln, wo sich Kämpfer und Waffen verstecken, aber womöglich auch die Geiseln hingebracht werden. Wie schwierig wird diese Offensive?
Wie es Ihr Job ist, auch unter schwierigen Umständen zu arbeiten, ist es unser Job, auch unter schwierigen Umständen eine solche Operation auszuführen. Unsere Soldaten sind dafür ausgebildet, für jegliche Kampfhandlungen vorbereitet zu sein. Aber dieses Tunnelnetz im Gazastreifen zeigt doch ganz gut, mit welch einer Terrororganisation wir es hier zu tun haben.
Was meinen Sie damit?
Schauen wir uns doch an, was die Hamas gemacht hat, seit sie vor 17 Jahren die Macht übernommen hat: Statt Elektrizitätswerke, Fußballfelder oder Schulen zu bauen, haben sie Abschussrampen für Raketen, Drohnen und Terrorcamps für Kinder errichtet. Die Hamas hat das Geld, das sie hatte, in den Terror gesteckt. Die Kinder, die vor zehn Jahren in den Terrorlagern der Hamas ausgebildet wurden, haben letzte Woche das Massaker angerichtet.
- Das ist die Hamas: Was will die Terrororganisation, die Israel angreift?
Der Norden Gazas soll evakuiert werden. Heißt das, dass sich die Bodenoperation auf den Norden Gazas beschränken wird?
Auf operative Pläne gehe ich nicht ein. Aber wir haben gesehen, wie die Hamas mit Zivilisten umgeht. Die Terroristen enthaupten Frauen und Kinder, sie verbrennen sie – und lachen darüber. Die Terroristen werden auch die palästinensischen Zivilisten weiter für ihre Verbrechen ausnutzen. Die Hamas interessiert sich nicht für Zivilisten, weder in Israel noch in Gaza.
Wie will Israel reagieren, wenn sich die Hamas-Terroristen in den Süden Gazas zurückziehen, um von dort aus zu operieren?
Das passiert jetzt schon. Die Raketen, die zuletzt auf Tel Aviv flogen, wurden nicht von Militärbasen der Hamas im Norden, sondern vom Süden Gazas abgeschossen. Wir rechnen damit, dass das auch vermehrt passieren wird. Die Hamas wird auch die Salah al-Dim Straße im Gazastreifen beschießen, die wir als Hauptroute für die Evakuierung gekennzeichnet haben, als Rettungsstraße. Und sie wird uns die Schuld dafür geben.
Viele befürchten eine zweite Front im Norden Israels. Es gibt Feuergefechte an der Grenze zu Syrien und Libanon. Wie schätzt die israelische Armee die Gefahr ein?
Wir haben 300.000 Reservisten mobilisiert. Die sind nicht nur mit dem Süden beschäftigt. Wir beobachten die Entwicklung im Libanon und die Bewegungen der Hisbollah sehr genau und wir sind auf alles vorbereitet. Die Hisbollah hat in den letzten Tagen mehrmals Israel angegriffen. Auch wenn das nur kleinen Sticheleien gleichkam, hat die israelische Armee direkt geantwortet und signalisiert: Wir warnen euch davor, eine zweite Front zu eröffnen.
Der Iran soll strategische Waffen nach Syrien verlegt haben. Wie wahrscheinlich ist es, dass Iran in den Krieg eintritt?
Die Amerikaner sind mit dem Flugzeugträger angerückt, und zwar nicht, um Israel in Sachen Gaza zu helfen, sondern um ein ganz klares Zeichen zu setzen in Richtung des Mullah-Regimes und an die Hisbollah: Eröffnet unter keinen Umständen eine zweite Front.
Herr Shalicar, vielen Dank für das Gespräch.
- Gespräch mit Arye Sharuz Shalicar in Israel