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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Selbst in der Hölle wirst du der Beste sein, Papa" Wagner-Anhänger drohen mit "katastrophalen Folgen"
Nach dem mutmaßlichen Tod von Wagner-Chef Prigoschin reagieren seine Gefolgsleute mit Trauer und Wut. Manch einer droht dem Kreml mit "katastrophalen Konsequenzen".
Jewgeni Prigoschin ist höchstwahrscheinlich tot. Kommandeure der vom Oligarchen angeführten Söldnergruppe Wagner bestätigten, dass Prigoschin am Mittwoch beim Absturz seines Privatjets auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg ums Leben gekommen sei. Auch die russische Staatsagentur Ria Nowosti nennt ihn als einen der Insassen des Flugzeugs. Offiziell bestätigt wurde der Tod Prigoschins von russischen Behörden bisher nicht.
Die Reaktionen der Wagner-Anhänger ließen nicht lange auf sich warten. In verschiedenen Telegramkanälen brachten sie ihre Trauer über den Tod des Wagner-Chefs, dessen Söldnergruppe schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen hat, zum Ausdruck.
Emotionale Verabschiedungen auf Wagner-Kanälen
Besonders emotional verabschiedete sich der Telegramkanal "Wagner Group ®", der eine langsam vorgetragene Version des sowjetischen Militärliedes "Ot geroew bylych wremjon" ("Von den Helden der alten Zeit") postete und dazu schrieb: "Ein wahrer Patriot seines Vaterlandes wurde durch die Handlungen von Verrätern an Russland getötet."
Damit spielt der Kanal mutmaßlich auf die Kremlelite an, die sich seit dem misslungenen Aufstand der Wagner-Söldner im Juni zum Feindbild der Kämpfer entwickelt hat. "Selbst in der Hölle wirst du der Beste sein, Papa", fügt der Autor hinzu. Dass der Autor des Kanals Prigoschin als Vater bezeichnet, zeigt, wie nah sich die Wagner-Söldner ihrem Anführer wähnten.
Auf der Streaming-Plattform Twitch verlor ein junger russischer Streamer komplett die Fassung. Als er während seines Livestreams vom Tod Prigoschins erfuhr, brach er vor seinen Zuschauern in Tränen aus.
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Droht ein Telegramkanal Putin?
Deutlich kämpferischer zeigt sich da der Telegramkanal "Orchestra Wagner", dem knapp eine Million Menschen folgen. Dessen Autor hält es für unwahrscheinlich, dass "ein äußerer Feind" – also mutmaßlich die Ukraine – etwas mit Prigoschins Tod zu tun hat.
"Wenn er aber durch ein Messer im Rücken gestorben ist, wird zumindest das Vaterland überleben", schreibt er auf dem Kanal und droht vage in Richtung der unbekannten Beschuldigten: "Dein Schicksal als 'Judas' ist nicht zu beneiden. Solange Geschichte geschrieben wird, wird auch die Geschichte dieses schändlichen Verrats ein Schandfleck deiner Familie sein."
Warnung vor "katastrophalen Folgen"
Auch der Wagner nahestehende russische Militärberichterstatter Roman Saponkow berichtet über Prigoschins Tod – und warnt die Moskauer Machtelite: "Die Ermordung Prigoschins wird katastrophale Folgen haben. Wer auch immer den Befehl dazu gegeben hat, hat von der Stimmung in der Armee und der Moral der Truppe keine Ahnung."
Saponkows Warnung nehmen viele größere Wagner-Kanäle auf Telegram auf, darunter auch "Grey Zone". Der Autor des Kanals mit 590.000 Followern ist innerhalb der Gruppe Wagner gut vernetzt und war auch bei deren Aufstand im Juni nah dabei. Abgesehen von Trauerbekundungen zum Tod Prigoschins hält sich Grey Zone mit offenen Drohungen in Richtung Kreml allerdings zurück.
"Wir sind dabei, den Krieg zu verlieren"
Anders sieht es beim Telegramkanal "R24" aus, der von einer Wagner-Webseite verlinkt wird: "Er war der Mann, der Bachmut erobert hat. Jewgeni Prigoschin war unsere letzte Hoffnung auf einen russischen Sieg [in der Ukraine]", schreibt der Kanal. "Wir sind dabei, den Krieg zu verlieren. Er hat seine Schlachten gewonnen. Sie hatten Angst vor ihm und beschlossen deshalb, ihn zu ermorden", heißt es weiter.
Damit allerdings nicht genug. Der Kanal beendet seine Nachricht mit einem Aufruf: "Wir werden nicht schamvoll zu Hause herumsitzen und so tun, als hätte es Prigoschin nie gegeben. Versammelt euch am Sonntag um 12 Uhr auf den zentralen Plätzen eurer Stadt." Ob der Aufruf dieses Telegramkanals Erfolg haben wird, weiß man nicht. Allerdings wird der Aufruf auch von einer Gruppe namens "Orchestra Wagner" geteilt und erreicht so fast eine Million Menschen.
Etwas analytischer widmet sich der Account "Prigoschin 2023" dem Tod des Wagner-Chefs. "Das Problem für Russland wird sein, dass Prigoschins Imperium auf ihm und seinen persönlichen Kontakten aufgebaut war", schreibt der Account mit 425.000 Followern. Ohne Prigoschins "Charisma" sei es wahrscheinlich, dass Wagner und alle damit verbundenen Firmen zusammenbrechen.
Außerdem würden die russischen Ambitionen in Afrika durch den Tod Prigoschins zerbrechen – und der Kontinent so "mit dem westlichen Würgegriff um den Hals in hoffnungslose Finsternis zurückfallen", schreibt "Prigoschin 2023".
Auch Gedenken an Wagner-Gründer Utkin
Doch nicht nur Prigoschin gedenken die Wagner-Kanäle. Denn neben dem Wagner-Chef starb offenbar auch Dmitri Utkin bei dem Flugzeugabsturz. Der Neonazi, der sich Abzeichen der Waffen-SS auf den Hals tätowieren ließ, gilt als der Gründer der Gruppe Wagner.
Der Kanal "Wagner Group ®" mahnt, Utkin bei der Trauer über Prigoschins Tod nicht zu vergessen. "Leute, wer war von Anfang an bei der Gründung der Gruppe Wagner dabei?", fragt der Autor des Telegramkanals. Utkin sei ein guter Kommandeur gewesen.
Auch viele andere große Wagner-Kanäle gedenken des Neonazis Utkin als "gutem und gerechtem Kommandanten", wie etwa "Grey Zone" schreibt. "Er trug die Wagner-DNA im Herzen."
- Telegramkanäle: "Prigoschin 2023", "Grey Zone", "Wagner Group ®", "Orchestra Wagner", "WW3.Info | Battlefield Research", "Rasgruska Wagnera", "Kommenty Saponkowa"