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Klimakonferenz in Bonn: Raus aus Kohle, Öl und Gas?


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Pikante Personalie
Öl-Gigant will die Welt retten


Aktualisiert am 10.06.2023Lesedauer: 4 Min.
Sultan Ahmed al-Dschaber: Der designierte Präsident des Klimagipfels in Dubai ist auch Chef eines staatlichen Ölkonzerns.Vergrößern des Bildes
Sultan Ahmed al-Dschaber: Der designierte Präsident des Klimagipfels in Dubai ist auch Chef eines staatlichen Ölkonzerns. (Quelle: AP Photo/Martin Meissner/dpa)

Die Welt muss raus aus Kohle, Öl und Gas – so lautet das eindeutige Urteil der Wissenschaft. Politisch sieht die Sache anders aus. Das könnte auch an einer pikanten Personalie liegen.

In Bonn kommen seit Anfang der Woche Vertreter aus aller Welt zusammen, um den nächsten Klimagipfel der Vereinten Nationen im Herbst vorzubereiten. Der gemeinsame Feind: die Klimakrise. Die Wissenschaft warnt, es ist so dringend wie nie. Doch das wichtigste Thema könnte gar nicht erst auf der Tagesordnung landen – der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas.

Das könnte auch an einer pikanten Personalie liegen. Denn der im November beginnende Klimagipfel wird dieses Mal ausgerichtet in Dubai, einem Teil der Vereinigten Arabischen Emirate. Die Präsidentschaft soll Industrieminister Sultan Ahmed al-Dschaber übernehmen. Kann ausgerechnet er die Zeitenwende einleiten?

Klimagipfel im Ölstaat

Daran gibt es zumindest Zweifel. Denn al-Dschaber ist nicht nur Industrieminister, sondern auch Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc (Abu Dhabi National Oil Company). Zudem belegen die Vereinigten Arabischen Emirate weltweit Platz sieben bei der Öl- und Platz 14 bei der Gasproduktion. Die fossile Industrie hat die Emirate reich gemacht.

Al-Dschaber beteuerte, sein Ziel sei ein ebenso "ausgewogenes wie ehrgeiziges Ergebnis" – und in strittigen Punkten einen Konsens zu erreichen.

In Bonn wird nun um den Fahrplan für die Verhandlungen in Dubai gerungen – und darum, die fossilen Energien auf die Agenda zu setzen. Denn dass die Klimakrise durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle verursacht wurde, ist längst belegt. Das durch sie verursachte CO2 ist der größte Treiber der Erderhitzung, schrieben Ende März auch die Wissenschaftler des Weltklimarats der Vereinten Nationen zum wiederholten Male in ihrem Bericht.

Streit schon Monate vor dem Klimagipfel

Dass es Streit geben würde, zeichnete sich spätestens fünf Wochen vor der Bonner Klimakonferenz in Berlin ab. Beim sogenannten Petersberger Klimadialog, organisiert vom deutschen Auswärtigen Amt, stießen die Vorstellungen der künftigen Klimapolitik aufeinander.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) – die seit ihrer Übernahme im Auswärtigen Amt auch für internationale Klimapolitik zuständig ist – erklärte unmissverständlich, "dass wir rausmüssen aus den fossilen Energien". Al-Dschaber hingegen sprach davon, dass die Zukunft alle Energiequellen beinhalte. "Das Thema war und ist das Ende der Emissionen."

Präsident des Klimagipfels setzt auf unausgereifte Technologie

Der Öl-Chef will also sein Geschäft nicht abschreiben – so der Eindruck. In Bonn schlug er dann versöhnlichere Töne an: "Der schrittweise Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist unvermeidlich", sagte al-Dschaber bei einer Veranstaltung am Rande der Konferenz. Wann dieser kommen soll, hänge jedoch davon ab, wie schnell CO2-freie Alternativen zur Verfügung stünden. Energiesicherheit, Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit müssten gewährleisten werden.

Bekannt ist: Al-Dschaber setzt neben dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien auch auf Technologien wie E-Fuels oder das sogenannte CCS ("Carbon Capture and Storage"). Solche Anlagen sollen CO2 binden und einlagern, teils auch bereits ausgestoßene Emissionen wieder aus der Luft holen.

Entsprechende Anlagen existieren bereits – allerdings ist die Technologie weit von dem Ausmaß entfernt, in welchem sie für eine Zukunft nach Al-Dschabers Vision gebraucht würde. Experten bezweifeln, ob sie überhaupt je so groß werden kann. Der Weltklimarat ebenso wie die Bundesregierung setzen lediglich für unvermeidbare Restemissionen auf das Einfangen von CO2.

Forscher sehen Ablenkungsstrategie

Auch Klimawissenschaftler und -wissenschaftlerinnen warnen. Sie sehen den Kurs von al-Dschaber als kontraproduktive Ablenkungsstrategie, die lediglich dazu diene, die fossile Industrie am Leben zu erhalten, heißt es in der Analyse der Internetseite "Climate Action Tracker", die die internationale Klimapolitik wissenschaftlicher einordnet. Betrieben wird sie von einem Zusammenschluss von Forschern zweier Thinktanks.

Die Wissenschaftler stellen fest: Beim weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien hapert es nicht nur – der fossile Sektor wird von den größten Öl- und Gasproduzenten sogar noch weiter ausgebaut und gefördert. Auch Deutschland zählen die Forscher als Negativbeispiel auf – neben Staaten wie den USA, Russland oder den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die Uhr tickt

Dabei wies auch der Weltklimarat in seinem letzten Bericht Ende März darauf hin, dass schon die aktuell betriebenen Öl-, Gas- und Kohlekraftwerke so viele Emissionen verursachen, dass sie das verbleibende Kohlenstoffbudget sprengen – also die Menge an CO2, die noch ausgestoßen werden kann, um das 1,5-Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent zu halten.

Das 1,5-Grad-Ziel

Die Weltgemeinschaft hatte sich 2015 bei der Klimakonferenz in Paris darauf geeinigt, die Erderhitzung möglichst auf 1,5 Grad, auf jeden Fall aber auf 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die 1,5 Grad gelten dabei als Grenze, um die sich schon jetzt verschärfenden Naturkatastrophen infolge der Klimakrise – zum Beispiel Dürren, Hitzewellen oder Überschwemmungen – in einem Rahmen zu halten, der von der Menschheit bewältigt werden kann.

Doch nun wird klar: Das Problem ist noch größer, als im Bericht des Weltklimarats veranschlagt. Denn dieser fasst Erkenntnisse aus den Jahren zuvor zusammen – die Daten waren also nicht mehr aktuell. In Bonn stellten Klimawissenschaftler nun eine Studie vor, die zeigt, dass die Emissionen noch deutlich schneller sinken müssten als bislang angenommen. Das verbleibende Kohlenstoffbudget hat sich ihren neuen Erkenntnissen zufolge in den vergangenen drei Jahren halbiert – auf jetzt noch 250 Gigatonnen.

Der Handlungsdruck ist also immens. Das Berliner Mercator-Insitut rechnet das Kohlenstoffbudget um in die Zeitspanne, in der die Menschheit noch genauso viele Emissionen ausstoßen kann, wie sie es aktuell tut. Das Ergebnis: Bei den jetzigen Raten bleiben noch sechs Jahre, bis das Budget aufgebraucht ist – und die Uhr tickt. Im Mai wurde ein neuer Rekordwert bei der CO2-Konzentration in der Atmosphäre vermeldet.

Die Zeit drängt. Zuletzt sagte jedoch der Generaldirektor der Vereinigten Arabischen Emirate für den Klimagipfel in Dubai, Majid al-Suwaidi, dem "Guardian", bisher habe man sich in Bonn nicht einigen können, ob das Ende der fossilen Industrie im Herbst diskutiert werden sollte oder nicht. Öl, Gas und Kohle würden sicherlich ein Thema werden, erklärte er. Aber ob der fossile Ausstieg auf der Tagesordnung lande, sei noch unklar.

Verwendete Quellen
  • zdf.de: "Klimadialog: Konflikte in Dubai absehbar"
  • climateactiontracker.org: "RELEASE: COP28 must focus on oil and gas phase-out, not distractions like CCS" (Englisch)
  • theguardian.com: "Countries have not yet agreed to put fossil fuel phase-out on Cop28 agenda" (Englisch)
  • reuters.com: "COP28 president says fossil fuels phasedown is inevitable" (Englisch)
  • ipcc.ch: "AR6 Synthesis Report: Climate Change 2023" (Englisch)
  • Nachrichtenagentur dpa
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