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Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen: Sie will den Drachen von China zähmen


Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen
Sie provoziert eine Weltmacht

Von dpa, afp, t-online, tos

06.04.2023Lesedauer: 3 Min.
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen: Mit ihrer offensiven Diplomatie bringt Taiwans Staatschefin China gegen sich auf.Vergrößern des Bildes
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen: Mit ihrer offensiven Diplomatie bringt Taiwans Staatschefin China gegen sich auf. (Quelle: IMAGO/Chien Chih-Hung/Roc Office)

Tsai Ing-wen ist die Präsidentin Taiwans. Um die Unabhängigkeit des Landes zu sichern, sucht sie sich mächtige Verbündete – und bringt China gegen sich auf.

Als sich Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen am Mittwoch mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, traf, tobte der chinesische Drache. "Das Treffen ist ein schwerer Verstoß gegen die Ein-China-Politik", ließ das Außenministerium der Volksrepublik China über die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua verlauten. Die Taiwan-Frage sei eine rote Linie, die von den USA nicht überschritten werden dürfe.

Auch das chinesische Verteidigungsministerium machte deutlich, dass es von den diplomatischen Beziehungen zwischen Taiwan und den USA nichts halte. Es drohe eine "ernsthafte Konfrontation" zwischen den beiden Ländern.

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Doch Tsai Ing-wen scheint das nicht zu kümmern. Die Präsidentin des kleinen Inselstaates, den das benachbarte China als festen Bestandteil seines Staatsgebiets betrachtet, knüpft weiter diplomatische Beziehungen in alle Welt. Die meisten Nationen erkennen Taiwan nicht als souveränen Staat an. Allerdings entfernt sich die Volksrepublik China immer weiter vom Westen – und befördert so indirekt, dass sich viele demokratische Länder Taiwan annähern. Daran hat Tsai Ing-wen mit ihrer Politik einen erheblichen Anteil.

Tsai kommt aus einer Arbeiterfamilie

1956 wurde die Politikerin als elftes Kind einer Arbeiterfamilie geboren. Sie studierte Jura in Taiwans größter Stadt Taipeh und in den Vereinigten Staaten, promovierte in Großbritannien. Danach trat sie in den taiwanesischen Staatsdienst ein – und verhandelte die Aufnahme Taiwans in die Welthandelsorganisation (WTO). Bis heute ist die WTO eine der wenigen internationalen Institutionen, in denen Taiwan Mitglied ist.

2000 ging es für Tsai Ing-wen in die Politik. Sie trat in die Demokratische Fortschrittspartei ein und wurde nach einem innerparteilichen Korruptionsskandal im Jahr 2008 zu deren Vorsitzender. Als sie 2016 mit den Stimmen der jungen Taiwaner und Taiwanerinnen zur Präsidentin gewählt wurde, hofften viele Menschen auf demokratische Reformen – und die frisch gewählte Präsidentin lieferte, indem sie prompt die gleichgeschlechtliche Ehe einführte.

"Asiens Angela Merkel"

Durch weitere Reformen konnte sich Taiwan im Demokratieindex immer weiter verbessern. Lag der kleine Inselstaat bei Tsais Amtsantritt noch auf dem 33. Platz, belegte Taiwan 2022 den zehnten Platz von 167 Ländern und Territorien. Damit ist es nicht nur mit Abstand das demokratischste Land Asiens, sondern belegt sogar einen höheren Platz als Deutschland und Frankreich. Auch deshalb bekam Tsai Ing-wen von Beobachterinnen und Beobachtern den Spitznamen "Asiens Angela Merkel" verliehen.

Ähnlich wie Merkel wirkt Tsai eher nüchtern, durch ihre leicht gebückte Haltung manchmal sogar schüchtern. Doch der Eindruck täuscht, denn Taiwans Präsidentin ist eine Machtpolitikerin par excellence und schreckt nicht davor zurück, sich auch mal mit Panzerfaust auf der Schulter fotografieren zu lassen.

Diskussionen mit Xi "auf Augenhöhe"

Auch Tsais Führungsstil ähnelt der ruhigen und rationalen Politik Angela Merkels. Für China birgt das ein großes Problem: Es kann die Politikerin nicht als wutschäumende Abtrünnige und somit als gefährliche Feindin der Volksrepublik darstellen.

Das bringt die Präsidentin der Insel, die so groß ist wie Baden-Württemberg, in eine starke Position, wenn es um Verhandlungen mit dem kommunistischen Regime auf dem Festland geht. Die will Tsai nämlich "auf Augenhöhe" mit Präsident Xi führen und die Unabhängigkeit Taiwans weitestgehend wahren, wie sie 2016 in ihrer Antrittsrede als Präsidentin erklärte.

Dank der diplomatischen Bemühungen der "asiatischen Angela Merkel" wirkt dieses Ziel nicht unrealistisch – und mit den Vereinigten Staaten als Unterstützer könnte es tatsächlich gelingen, den chinesischen Drachen weitestgehend zu zähmen.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • sueddeutsche.de: "'Ich glaube, dass unsere Bindung jetzt stärker ist als zu irgendeinem Zeitpunkt in meinem Leben'" (kostenpflichtig)
  • bernerzeitung.ch: "Sie will mit Xi Jinping auf Augenhöhe reden"
  • time.com: "Behind TIME's Cover With Taiwan's Tsai Ing-wen" (Englisch)
  • lesechos.fr: "Tsai Ing-wen, présidente de Taïwan, privée de trêve des confiseurs" (Französisch, kostenpflichtig)
  • japantimes.co.jp: "‘On a tightrope’: How Taiwan’s president navigated the U.S. and China" (Englisch)
  • eiu.com: "Democracy Index 2016"
  • eiu.com: "Democracy Index 2022"
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