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Nato-Generalsekretär Stoltenberg: "Er ist nicht unersetzbar"


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Nato sucht neuen Generalsekretär
"Er ist nicht unersetzbar"


Aktualisiert am 16.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Jens Stoltenberg: Der Nato-Generalsekretär ist seit 2014 im Amt. (Quelle: Olivier Matthys/dpa)

Im Herbst will Jens Stoltenberg das Amt des Nato-Generalsekretärs abgeben. Kann sich das Bündnis in Kriegszeiten einen Wechsel erlauben?

Die Erklärung von Oana Lungescu ließ kaum Platz für Spekulationen. Dreimal habe Jens Stoltenberg bereits seine Amtszeit als Nato-Generalsekretär verlängert, fast neun Jahre sei er mittlerweile im Amt, teilte seine Sprecherin den Medien am vergangenen Wochenende mit. Länger war vor Stoltenberg nur der Niederländer Joseph Luns im Amt, ab 1971 blieb er ganze 13 Jahre.

Eine weitere Verlängerung für Stoltenberg soll es nicht geben: "Die Amtszeit des Generalsekretärs endet im Oktober dieses Jahres und er hat nicht die Absicht, eine weitere Verlängerung seines Mandats anzustreben", so Lungescu.

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Selten war das Amt des Nato-Generalsekretärs wohl wichtiger als heute. Frankreichs Präsident Macron nannte das Bündnis 2019 "hirntot", Ex-US-Präsident Trump 2017 "obsolet" – Aussagen, die seit der russischen Invasion in die Ukraine so wohl nicht mehr fallen würden. Doch wenn Stoltenberg Schluss macht, wird der Krieg vermutlich nicht beendet sein. Kann sich das Verteidigungsbündnis einen solchen Wechsel an der Spitze gerade leisten?

Verlängerung wegen Ukraine-Krieg

Stoltenberg wollte schon im vergangenen Jahr Schluss machen. Anfang Februar teilte er mit, dass er im Herbst das Amt abgeben werde. Ein Posten als Chef der Zentralbank in seiner Heimat Norwegen war bereits ausgehandelt. Doch aufgrund des Krieges verlängerte Stoltenberg seine Amtszeit um ein weiteres Jahr. Der Posten der Zentralbank ist mittlerweile anderweitig vergeben.

Auf den ersten Blick wirkt es so, als habe sich die Ausgangslage seitdem nicht verändert. Trotzdem glaubt Rafael Loss, dass die Zeit reif sei, Stoltenbergs Posten neu zu besetzen: "Er hat die Nato in schwierigen Zeiten zusammengehalten", bilanziert der Experte vom "European Council on Foreign Relations" die Amtszeit des Norwegers im Gespräch mit t-online. Im ersten Jahr des Krieges war ein Wechsel aber aus seiner Sicht nicht sinnvoll, um für Stabilität zu sorgen. "Im zweiten Jahr des Ukraine-Krieges kann die Nato ihre Arbeitsfähigkeit beweisen, indem sie einen neuen Generalsekretär präsentiert."

Die Aufgaben wurden im vergangenen Jahr nicht weniger: Mit Finnland und Schweden wollen zwei weitere Länder dem Bündnis beitreten. Zudem pocht Stoltenberg gebetsmühlenartig darauf, dass die Nato-Staaten ihre Verteidigungshaushalte aufstocken: Ab 2025 soll auch die schnelle Eingreiftruppe des Bündnisses von derzeit 40.000 Soldaten auf rund 300.000 vergrößert werden. In seiner Funktion ist Stoltenberg vor allem dadurch gefordert, zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten zu vermitteln und Kompromisse auszuhandeln. Denn Beschlüsse kann die Nato nur fassen, wenn alle Mitglieder zustimmen.

"Er ist nicht unersetzbar"

Einen baldigen Wechsel hält auch Matthias Dembinski von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung für möglich: Die weltpolitische Lage sei zwar auch jetzt nicht stabil. "Aber anders als im vergangenen Jahr hat die Nato möglicherweise einen Modus gefunden, dass ein solcher Wechsel stattfinden kann", sagte Dembinski im Gespräch mit t-online. "Stoltenberg hat in den vergangenen zwölf Monaten viele wichtige Dinge angeschoben. Aber er ist nicht unersetzbar", sagt Rafael Loss.

Bleibt die Frage: Wer soll es machen?

Grundsätzlich gibt es kein geordnetes Verfahren, wie der Nato-Generalsekretär bestimmt wird: Alle Mitgliedsstaaten müssen sich einstimmig auf einen Kandidaten einigen, der dann das Amt für vier Jahre bekleidet. Anschließend – wie im Falle von Stoltenberg – kann die Amtszeit aber verlängert werden, sofern alle Nato-Länder dem weiter zustimmen. Eine Entscheidung könnte schon auf dem Nato-Gipfel im Juli in Litauen erfolgen.

Namen kursieren bereits reichlich: Schon als Stoltenberg im vergangenen Jahr seinen Rückzug erstmalig angekündigt hatte, gab es etwa Gerüchte um den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte oder die ehemalige britische Regierungschefin Theresa May. Nach Informationen von der Zeitung "Welt" werden Rutte aktuell aber nur Außenseiterchancen eingeräumt. Auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez sei ein Thema. Die Zeitung spekuliert dagegen auch über den aktuellen britischen Verteidigungsminister Ben Wallace, dessen Name auch bei der "New York Times" fällt.

Auch wenn es kein Ausschlusskriterium sein muss: Alle genannten Länder haben bereits in der Vergangenheit den Posten besetzt, die Niederlande und Großbritannien sogar jeweils dreimal. Spekuliert wird deshalb darüber, dass erstmals ein Kandidat aus einem ost- oder mitteleuropäischen Staat infrage kommen könnte. Noch stärker könnte dagegen ein weiteres Kriterium ins Gewicht fallen: Noch nie hat eine Frau den Posten innegehabt.

Matthias Dembinski hält es daher für "durchaus realistisch", dass auf Stoltenberg eine Frau folgt. Laut der "New York Times" gibt es mehrere Personen, die in die engere Auswahl kommen könnten: Denkbar wären etwa die Präsidentin der Slowakei, Zuzana Čaputová oder die ehemalige kroatische Präsidentin, Kolinda Grabar-Kitarović, sowie die Regierungschefin von Estland, Kaja Kallas.

Die Wahl einer der Kandidatinnen, die sich allesamt sehr klar auf die Seite der Ukraine gestellt haben, könnte nach außen auch eine Signalwirkung an den Kreml sein. Allerdings glaubt Matthias Dembinski, dass man innerhalb der Nato möglicherweise jemanden sucht, die ähnlich wie Stoltenberg eher auf eine bedachtsame Sprache setzt: "Die Zeiten sind vorbei, dass die Nato auf russische Befindlichkeiten Rücksicht nimmt. Aber möglicherweise teilen nicht alle Nato-Länder die Haltungen von Frau Kallas."

Ein weiterer Name, der häufiger fällt, ist jener der kanadischen Finanzministerin Chrystia Freeland. Auch ihre Wahl hätte in gewisser Weise eine Signalwirkung: Die Familie der 54-Jährigen hat ihre Wurzeln in der Ukraine, vor ihrer Zeit als Politikerin arbeitete sie als Journalistin sowohl in Kiew als auch in Moskau. Zudem wäre eine kanadische Führung des Verteidigungsbündnisses auch eine Premiere.

Ein Nachteil könnte allerdings sein, dass Kanada aktuell das sogenannte 2-Prozent-Ziel der Nato verfehlt: Die Zielvorgabe, dass jeder Mitgliedstaat 2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung steckt, hatte das Land zuletzt Anfang der Neunziger erfüllt – im Gegensatz zu Ländern wie Griechenland, Polen oder den baltischen Staaten. "Es könnte auch darauf ankommen, wie gut das Heimatland des neuen Generalsekretärs seine Zusagen gegenüber der Nato erfüllt", glaubt Verteidigungsexperte Rafael Loss.

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So ist die Wahrscheinlichkeit weiter groß, dass von den genannten Namen am Ende niemand die Nachfolge von Stoltenberg antreten wird. "Die Auswahl an guten Kandidaten ist riesengroß", sagt Matthias Dembinski.

Wie unberechenbar die Wahl werden kann, zeigt auch der Werdegang von Jens Stoltenberg: In den Siebzigern demonstrierte der Norweger noch gegen den Vietnamkrieg und warf Steine auf die amerikanische Botschaft in seiner Heimat. Später setzte er sich auch für den Austritt von Norwegen aus dem Verteidigungsbündnis ein. Er habe aber früh erkannt, dass seine Position falsch sei, sagte Stoltenberg im vergangenen Jahr dem ZDF und kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Matthias Dembinski
  • Interview mit Rafael Loss
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