Spannungen zwischen USA und China Das brachte das Fass zum Überlaufen
Fast alle Konflikte zwischen Washington und Peking wurden in dieser Woche noch einmal durchgespielt. Die Stimmung ist extrem angespannt. Was steckt dahinter?
Ursprünglich wollte Antony Blinken noch am Freitag nach Peking aufbrechen: Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sollte ihn dort empfangen, hieß es in Medienberichten. Es wäre der erste China-Besuch eines US-Außenministers seit mehr als vier Jahren gewesen. Doch praktisch in letzter Minute sagte Blinken seine Reise am Freitagnachmittag ab. Die Beziehungen zwischen Washington und Peking sind an einem Tiefpunkt angelangt.
"Diese Woche wurden fast alle Konflikte zwischen China und den USA noch mal durchgespielt", schrieb Christina zur Nedden, Asien-Korrespondentin der Zeitung "Die Welt", auf Twitter. Der mutmaßliche chinesische "Spionageballon" im Luftraum der USA habe "das Fass zum Überlaufen gebracht". Was ist in den vergangenen Tagen passiert?
Montag: Peking macht USA für Ukraine-Krieg verantwortlich
In ungewöhnlich deutlicher Form machte China die Vereinigten Staaten am Montag für den Krieg in der Ukraine verantwortlich. "Die USA sind diejenigen, die die Ukraine-Krise ausgelöst haben", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning am Montag vor der Presse in Peking. Sie seien auch "der größte Faktor, der die Krise anfacht". Indem die USA schwere und offensive Waffen an die Ukraine lieferten, verlängerten und verstärkten sie den Konflikt nur.
Wenig später kündigte das russische Außenministerium Medienberichten zufolge an, dass Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Frühjahr nach Moskau reisen und sich mit Kremlchef Wladimir Putin treffen werde. Das letzte Treffen der beiden Staatsoberhäupter fand bei einem Gipfel in Usbekistan im Herbst statt. Und auch der Konflikt um Taiwan rückte am Montag erneut in den Fokus: In einem Memo hatte der US-Luftwaffengeneral Mike Minihan zuvor für das Jahr 2025 einen Krieg mit China um die Insel prognostiziert.
Dienstag: Wird Huawei von US-Technologie abgeschnitten?
Laut Medienberichten vom Dienstag erwägt die US-Regierung derzeit, dem chinesischen Huawei-Konzern komplett den Zugang zu amerikanischer Technologie zu kappen. Eine endgültige Entscheidung gebe es zwar noch nicht, hieß es. Doch US-Chipfirmen wie Intel und Qualcomm sei signalisiert worden, dass ihre Ausnahmegenehmigungen zur Lieferung einiger Produkte an Huawei nicht verlängert werden sollten.
Die US-Regierung hatte Huawei 2019 unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump mit Sanktionen belegt. Als Grund wurden Sorgen um die nationale Sicherheit genannt, da der Netzwerkausrüster und Smartphone-Anbieter mit chinesischen Behörden und dem Militär kooperieren könne. Huawei wies die Vorwürfe stets zurück.
Mittwoch: USA eröffnen Botschaft auf den Salomonen
Am Mittwoch kündigten die USA an, nach 30 Jahren wieder eine Botschaft auf den Salomonen zu eröffnen. Peking hatte seinen Einfluss in dem Inselstaat im Südpazifik zuletzt ausgebaut. Besonders ein Sicherheitsabkommen, dass es Chinas Marine erlauben soll, auf den Salomonen Station zu machen, wurde in Washington als Warnsignal aufgefasst.
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Donnerstag: USA erhalten Zugang zu Militärstützpunkten auf den Philippinen
Am Donnerstag sicherten sich die USA den Zugang zu weiteren vier Militärstützpunkten auf den Philippinen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde bei einem Besuch von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in dem Inselstaat getroffen.
In einer gemeinsamen Erklärung teilten Manila und Washington mit, das sogenannte vertiefte Verteidigungsabkommen (EDCA) aus dem Jahr 2014 werde um vier neue Stützpunkte erweitert. Bis jetzt hatten US-Streitkräfte durch das Abkommen Zugang zu fünf philippinischen Militärbasen, auf denen Truppen rotierend stationiert werden konnten.
China kritisierte die Ausweitung der US-Militärpräsenz auf den Philippinen umgehend als eine Gefahr für "Frieden und Stabilität". Es handele sich um einen Akt, "der den regionalen Frieden und die Stabilität gefährdet", sagte eine Sprecherin des Pekinger Außenministeriums. Die "egoistische Agenda" der USA würde zu einer Eskalation der Spannungen führen.
Freitag: Mutmaßlicher chinesischer "Spionageballon" über den USA
Mit der Entdeckung eines mutmaßlichen chinesischen "Spionageballons" nahe Atomraketen-Standorten in den USA verschärfte sich der Ton zwischen Washington und Peking am Freitag weiter. US-Außenminister Blinken sprach von einem "chinesischen Überwachungsballon" und bezeichnete Chinas Handlungen als "unverantwortlich" und "inakzeptabel". Zuvor hatte das Pentagon bekannt gegeben, dass es seit Tagen ein Flugobjekt im Luftraum über den USA verfolge. Man sei sich sicher, dass es sich dabei um einen chinesischen "Spionageballon" handele, hieß es.
China wies die amerikanischen Vorwürfe entschieden zurück. "Wir akzeptieren keine grundlosen Spekulationen und Stimmungsmache", zitierte das Außenamt in Peking den obersten Außenpolitiker Wang Yi aus seinem Telefongespräch mit Blinken. Bei dem Ballon handele es sich laut Peking zwar tatsächlich um ein chinesisches Flugobjekt. Dieses diene aber lediglich wissenschaftlichen Zwecken und sei von seiner Flugbahn abgekommen.
Blinken sagte wegen der Vorfälle seinen für Sonntag erwarteten Besuch in Peking ab. Unterdessen schwebt nach US-Angaben ein weiterer möglicher "Spionageballon" über Lateinamerika. "Wir sehen Berichte über einen Ballon, der Lateinamerika überfliegt. Wir sind dabei herauszufinden, ob es sich dabei um einen weiteren chinesischen Überwachungsballon handelt", sagte Pentagonsprecher Pat Ryder in Washington. Aus Peking gab es zunächst keine Angaben zu dem zweiten Ballon.
Samstag: USA schießen mutmaßlichen "Spionageballon" ab
Am Samstag zog US-Präsident Joe Biden Konsequenzen – und ordnete den Abschuss des zuerst entdeckten mutmaßlichen "Spionageballons" über dem Atlantik an. Videos, die auf Twitter kursierten, zeigten die Zerstörung des Ballons. Hier lesen Sie mehr dazu.
Sonntag: China über Abschuss empört
Das chinesische Außenministerium äußerte sich am Sonntag verärgert über den Abschuss des Ballons durch die Vereinigten Staaten. Es sei eine "ernste Verletzung" internationaler Praktiken. China behalte sich das Recht auf "notwendige Reaktionen" vor, sagte ein Außenamtssprecher in Peking.
China habe die USA wiederholt informiert, dass der Ballon zivilen Zwecken diene und "durch höhere Gewalt" über die USA geflogen sei, "was völlig zufällig war". Er sei durch Westwinddrift und mangelnde Steuerungsmöglichkeit weit vom Kurs abgekommen. Das Pentagon habe selbst gesagt, der Ballon stelle keine Gefahr für das Militär und Menschen am Boden dar.
Deutsche Politiker äußern sich alarmiert
Politiker und Experten in Deutschland äußerten sich angesichts des mutmaßlichen "Spionageballons" höchst alarmiert – auch wegen Chinas enger Verbindungen zu Russland. Der Vorfall zeige, dass China "selbst den Luftraum der USA nicht mehr respektiert", sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Brand, der "Bild". Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion für Auswärtiges und Verteidigung, Johann Wadephul, sprach von einem "Warnsignal".
China-Experte Brand gab zu bedenken, dass Chinas Staatspräsident Xi bald zu bilateralen Gesprächen in Moskau erwartet werde. "Wir werden uns auf ein hartes Rennen um die globale Vorherrschaft von Diktatur oder Demokratie einstellen müssen", sagte der CDU-Politiker. Wadephul forderte zudem die Einrichtung eines "nationalen Sicherheitsrats" nach US-Vorbild in Deutschland. Es sei "fünf vor zwölf", sagte Wadephul der "Bild".
Der Sicherheitsexperte und frühere Stabschef im Bundesverteidigungsministerium, Nico Lange, forderte von der Bundesregierung ein stärkeres Problembewusstsein hinsichtlich Chinas Spionageaktivitäten auch in Deutschland. Der Vorfall in den USA zeige, "dass wir auch über unsere Sicherheitsvorsorge nachdenken müssen", sagte er der "Bild". China sei in der Spionage und Wirtschaftsspionage "auch in Deutschland sehr aktiv".
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- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters