US-Politikerin auf Asienreise Vor möglichem Pelosi-Besuch: Taiwan erhöht Kampfbereitschaft
Fliegt sie nach Taiwan oder nicht? Allein die Gerüchte um einen Besuch der US-Politikerin sorgen für Aufregung. Ein Überblick.
Es ist eine Visite, die nicht einmal feststeht. Doch allein das Gerücht, dass Nancy Pelosi nach Taiwan reisen will, belastet das angespannte Verhältnis zwischen den USA und China. Alle Augen sind auf die führende US-Demokratin und Vorsitzende des Repräsentantenhauses gerichtet: Wird sie trotz expliziter Warnungen Pekings in die demokratische Inselrepublik Taiwan reisen – und schlimmstenfalls eine Eskalation provozieren? Oder dementiert sie die Spekulationen öffentlich, fährt vielleicht doch nicht hin? Ein Überblick:
Welche Pläne hat Pelosi?
Das steht derzeit weiterhin nicht endgültig fest, aber die Hinweise auf einen Besuch verdichten sich: Zu Beginn ihrer Asienreise am Sonntag ließ Pelosi alle rätseln. Ihre Mitteilung nannte nur Singapur, Malaysia, Südkorea und Japan als Stationen. Auf Medienberichte, dass sie auch nach Taiwan reisen wolle, wie es aus ihrem Umfeld heiße, geht sie nicht ein. "Ich spreche nie über meine Reisen, denn wie einige von Ihnen wissen, ist das eine Frage der Sicherheit", hatte sie am Freitag in Washington auf die Frage einer Journalistin gesagt. Auch US-Präsident Joe Biden teilte mit, er wisse nichts über die Reisepläne seiner Parteikollegin.
In Taiwan mehren sich allerdings Berichte, dass die US-Spitzenpolitikerin die Insel besuchen wird: Nach lokalen Presseberichten soll Pelosi voraussichtlich gegen 22.30 Uhr Ortszeit (16.30 Uhr MESZ) eintreffen. Nach Angaben des Senders CNN arbeite das Pentagon schon an Sicherheitsvorkehrungen, falls die 82-Jährige wirklich in Taiwan einen Zwischenstopp einlegen sollte. Rund um das Grand-Hyatt-Hotel in Taipeh, wo Pelosi möglicherweise übernachten soll, wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft.
Wen könnte sie treffen?
Ein taiwanischer Abgeordneter bestätigte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Taipeh verschiedene Presseberichte, dass Pelosi möglicherweise am Dienstagabend Ortszeit aus Malaysia kommend in Taipeh eintreffen werde. Am Mittwoch könnte es ein Treffen mit Präsidentin Tsai Ing-wen geben. Der Reiseplan ist nach US-Medienberichten allerdings in Bewegung, während das Pentagon alle Schritte der chinesischen Seite beobachte und "rund um die Uhr" daran arbeite, die Sicherheit der Nummer Drei der USA – nach dem Präsidenten und dessen Vize – zu gewährleisten, wie es hieß.
Die US-Spitzenpolitikerin werde in Taipeh voraussichtlich auch mit dem Vizepräsidenten des Parlaments, Tsai Chi-chang, und Abgeordneten des Legislativrates zusammentreffen, berichtete der taiwanische Parlamentarier der dpa. Parlamentschef You Shyi-kun sei verhindert, weil er nach einer Auslandsreise in Quarantäne sei.
Was könnte Pelosis Besuch bedeuten?
In jedem Fall wäre es der ranghöchste Besuch eines US-Politikers oder einer US-Politikerin seit einem Vierteljahrhundert in Taiwan. Die Spitzenpolitikerin würde sich mit der unangekündigten Visite in Taipeh über Warnungen aus Peking hinwegsetzen, in denen auch mögliche militärische Gegenmaßnahmen angedroht wurden. Zuletzt kam es zu einem vergleichbar hohen Besuch eines US-Politikers, als einer von Pelosis Vorgängern, der Republikaner Newt Gingrich, 1997 auf der Insel eintraf. Damals, kurz vor der Rückgabe der britischen Kronkolonie Hongkong an China, fiel die chinesische Reaktion aber gemäßigt aus, da Gingrich vorher Peking besucht hatte.
Beobachter spekulieren, dass die Demokratin Pelosi die umstrittene Taiwan-Reise auch aus eigenem Interesse antreten könnte. Denn in den USA stehen im November Kongresswahlen an. Die Umfragewerte der Demokraten sind schlecht, Pelosi könnte ihren Posten als Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus verlieren. Pelosi positionierte sich im Laufe ihrer Karriere immer wieder gegen China, prangerte Menschenrechtsverletzungen an. Vielleicht könnte es der 82-Jährigen auch um ihr eigenes politisches Vermächtnis gehen – und jetzt wegen des Drucks aus China nicht nach Taiwan zu reisen, würde sicher daran kratzen.
Warum ist das Verhältnis zwischen den USA und China wegen Taiwan so angespannt?
Das Verhältnis zwischen Peking, Washington und Taipeh ist komplex. Chinas Führung betrachtet das freiheitliche Taiwan als Teil der kommunistischen Volksrepublik und versucht mit allen Mitteln, es international zu isolieren. Die 23 Millionen Taiwaner sehen sich hingegen schon lange als unabhängig an. Der Konflikt geht auf den Bürgerkrieg in China zurück. Damals unterlag die nationalchinesische Kuomintang-Partei und flüchtete mit ihren Truppen nach Taiwan, während die Kommunisten 1949 die Volksrepublik gründeten. Bis heute droht Peking mit einer Eroberung Taiwans zur "Wiedervereinigung".
Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet – was bislang vor allem Waffenlieferungen bedeutete. US-Präsident Biden warnte China im Mai mit einer ungewöhnlich klaren militärischen Beistandszusage vor einem Angriff auf Taiwan. Die USA hätten eine "Verpflichtung", Taiwan zu verteidigen, sagte Biden. China habe kein Recht, sich Taiwan mit Gewalt einzuverleiben. In einem Gespräch mit Staats- und Parteichef Xi Jinping am Donnerstag betonte Biden nach Angaben des Weißen Hauses, dass sich daran nichts geändert habe.
Peking lehnt es generell ab, dass Vertreter ausländischer Regierungen und Politiker nach Taiwan reisen und verweist stets auf seine "Ein-China-Doktrin". Demnach darf ein Land keine diplomatischen und andere offizielle Beziehungen zu der Inselrepublik unterhalten, wenn es ein normales Verhältnis zur Volksrepublik pflegen will. Tatsächlich haben die meisten Staaten keine Botschaft in Taiwan. So wie die USA unterhält auch Deutschland nur eine inoffizielle Vertretung in der Hauptstadt Taipeh.
Wie reagieren die drei Länder auf den möglichen Besuch?
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat am Donnerstag vor dem Besuch gewarnt: "Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen." Dennoch hieß es am Dienstag vom chinesischen Außenministerium, man stehe wegen des möglichen Besuches mit den USA in Kontakt, ohne jedoch weitere Details zu nennen.
Die Volksrepublik reagierte bislang mit mehreren Maßnahmen: Manöver, Militärbewegungen, Sperrungen von Seegebieten und plötzliche Flugplanänderungen erhöhten die Nervosität. Inwieweit sie direkt mit der möglichen Visite Pelosis zusammenhingen, blieb aber unklar. Chinesische Militärflugzeuge und Kriegsschiffe wurden nahe der demokratischen Inselrepublik gesichtet. In der direkt gegenüber liegenden chinesischen Provinz Fujian kündigte die Fluggesellschaft Xiamen Airlines überraschend auf Anweisung der Flugkontrolle die Verschiebung von 30 Flügen an. Nordöstlich der südchinesischen Insel Hainan wurde ein Seegebiet für geplante Militärübungen gesperrt.
Das Weiße Haus warnte Peking hingegen vor einer Eskalation. "Es gibt keinen Grund für Peking, einen möglichen Besuch, der im Einklang mit der langjährigen US-Politik steht, in eine Krise oder einen Konflikt zu verwandeln", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag im Weißen Haus. Die USA würden sich nicht auf "Säbelrasseln" einlassen, sagte er. "Gleichzeitig lassen wir uns aber auch nicht einschüchtern." Das US-Militär entsandte vier Kriegsschiffe, die sich östlich von Taiwan aufhalten, darunter auch einen Flugzeugträger. Von der US-Marine hieß es allerdings, es handele sich um einen Routineeinsatz.
Noch vor dem Besuch hat auch das taiwanesische Militär seine Kampfbereitschaft erhöht. Wie die Nachrichtenagentur CNA unter Berufung auf eine Quelle berichtete, erfolgte der Befehl als Reaktion auf die Bedrohung durch die chinesische Volksbefreiungsarmee und deren Manöver mit Schießübungen. Die erhöhte Bereitschaft sei bis Donnerstagmittag angeordnet worden. Es handele sich in dem zweistufigen Alarmsystem aber noch nicht um eine Einstufung für den "Ernstfall", sondern weiter um eine "normale Einsatzbereitschaft".
Hätte eine Eskalation des Konflikts auch Auswirkungen auf Deutschland?
Nicht nur für Peking, auch für Deutschland stünde im Falle einer ausgewachsenen Taiwan-Krise oder gar eines Krieges viel auf dem Spiel. Die Abhängigkeit deutscher Unternehmen von China ist so groß, dass die Wirtschaft schwer getroffen würde. Sanktionen gegen Peking scheinen vor diesem Hintergrund schwer realisierbar. Auch Taiwan ist mit seiner Dominanz bei der Produktion von Halbleitern für die deutsche Industrie ein Schlüssel-Partner. Ein Konflikt um Taiwan wäre so auch in Europa deutlich zu spüren.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte am Montag vor einer Eskalation. "Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt – und das gilt natürlich auch für China", sagte sie in New York. Mit Blick auf den "brutalen russischen Angriffskrieg" gegen die Ukraine sei es wichtig, klar zu machen, dass die Weltgemeinschaft solches Verhalten nicht akzeptiere.
Wie reagiert Russland?
Russland erklärte seine Solidarität mit China und sprach von einer Provokation der USA. "Alles im Zusammenhang mit dieser Tour und dem möglichen Besuch in Taiwan trägt natürlich eine höchst provokative Note", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. "Wir wollen noch einmal betonen, dass wir hier absolut solidarisch mit China sind."
- Nachrichtenagentur dpa und Reuters