Heftige Kämpfe in der Ostukraine Droht in Sjewjerodonezk ein "zweites Mariupol"?
Sie ist die letzte Bastion kiewtreuer Kämpfer in der Region Luhansk: Sjewjerodonezk wird immer wieder von russischen Truppen attackiert. Sie wollen die Stadt einkesseln, doch die Ukraine hält dagegen.
Beim Kampf um die Stadt Sjewjerodonezk im ostukrainischen Gebiet Luhansk hat Russland die Angriffe nach ukrainischen Angaben mithilfe frischer Reserven fortgesetzt. "Mit Artillerieunterstützung führt der Feind Sturmhandlungen in der Ortschaft Sjewjerodonezk durch, hat seine Gruppierung mit der mobilen Reserve des 2. Armeekorps verstärkt, die Kämpfe in der Stadt halten an", teilte der ukrainische Generalstab am Samstag in seinem Lagebericht mit.
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Russische Angriffe auf den Vorort Ustynowka seien ebenso erfolglos verlaufen wie eine versuchte Bodenoffensive im Raum Bachmut, berichtete der Generalstab. Die russischen Angriffe zielen darauf ab, die ukrainischen Truppen in Sjewjerodonezk von der Versorgung abzuschneiden und sie einzukesseln. Nach Angaben des Gouverneurs Serhij Gaidai der ostukrainischen Region Luhansk sprengten russische Truppen Brücken. Damit solle verhindert werden, dass militärische Ausrüstung und Hilfe für die Zivilisten in die Stadt gebracht werden können.
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Die Gegend um Sjewjerodonezk – Lyssytschansk – ist ein Ballungsraum, in dem vor dem Krieg 380.000 Menschen lebten. Sie ist der letzte Flecken im Gebiet Luhansk, der noch von kiewtreuen Truppen gehalten wird. In der vergangenen Woche sind die russischen Truppen erstmals in Sjewjerodonezk eingedrungen, doch die vollständige Einnahme der früheren Großstadt ist bislang nicht gelungen.
Gouverneur von Luhansk: Haben russische Truppen um 20 Prozent zurückgedrängt
Im Gegenteil: Die Ukraine teilte zuvor mit, die russischen Streitkräfte etwas zurückgedrängt zu haben. Hätten die russischen Soldaten zuvor "etwa 70 Prozent" der Stadt kontrolliert, "so sind sie jetzt um 20 Prozent zurückgedrängt worden", sagte Gouverneur Gajdaj, am Freitagabend. Er beschrieb ein brutales Hin und Her.
Die russischen Streitkräfte "bombardieren unsere Stellungen stundenlang, dann schicken sie eine Kompanie frisch mobilisierter Soldaten, sie sterben, dann begreifen sie, dass es noch Widerstandsnester gibt, und sie fangen wieder an zu bombardieren", sagte Gajdaj. So laufe das im vierten Monat der russischen Invasion.
Kiew fürchtet ein "zweites Mariupol"
Kiew wirft Moskau vor, aus der letzten verblieben Bastion der Ukraine in Luhansk ein "zweites Mariupol" zu machen. Die Hafenstadt am Asowschen Meer war wochenlang belagert worden und ist weitgehend zerstört.
Mariupols Bürgermeister Wadym Bojtschenko erklärte am Freitag, die "Besatzungsmächte" hätten die Stadt "fast in Schutt und Asche gelegt". Das Ergebnis nach hundert Tagen Krieg seien "mehr als 22.000 getötete Zivilisten, 1.300 zerstörte Gebäude und 47.000 Menschen, die nach Russland oder in die von den prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete deportiert wurden", sagte er.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters