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Vergessene Skandale, miese Umfragen
Wie westliche Regierungschefs die Ukraine-Krise meistern

Von Christina Storz, dpa

02.04.2022Lesedauer: 4 Min.
Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) und US-Präsident Joe Biden (r.): Beide haben in der Krise große Auftritte auf internationalem Parkett – zuhause überzeugen sie aber nur bedingt.Vergrößern des Bildes
German Chancellor Olaf Scholz participates with President Joe Biden (R) in a joint press conference with in the East Ro (Quelle: Leigh Vogel/UPI Photo/imago-images-bilder)

Die Welt schaut seit Wochen auf den erbitterten Krieg in der Ukraine. Das hilft manchem Regierungschef im Ausland, andere hingegen taumeln schwer. Wer überzeugt, wer strauchelt?

Frankreichs Staatschef profiliert sich kurz vor der Präsidentenwahl als Krisendiplomat, die Lockdown-Partys des britischen Premiers rücken in den Hintergrund – und der neu ins Amt gekommene Bundeskanzler genießt mehr Zustimmung. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine bringt vor allem Tod, Flucht, Zerstörung und unermessliches Leid – aber auch Folgen in westlichen Ländern wie unterbrochene Lieferketten und steigende Preise.

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Es machen sich aber auch innenpolitische Auswirkungen bemerkbar. Während die einen durch ihr Krisenmanagement glänzen, sacken etwa die Umfragewerte anderer westlicher Regierungschefs ab. Ein Blick auf US-Präsident Joe Biden, den britischen Premier Boris Johnson, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die Ampelregierung unter Kanzler Olaf Scholz:

Boris Johnsons "Partygate" ist fast vergessen

Es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Uhr für Boris Johnson in der Downing Street abgelaufen ist. Selbst mehrere konservative Parteifreunde forderten den britischen Premierminister wegen der "Partygate"-Affäre zum Rücktritt auf. Ein interner Bericht sprach von Führungsversagen. Und dann herrschte plötzlich Stille. Wochenlang spielte der Skandal um Lockdown-Partys keine Rolle in der Öffentlichkeit mehr. Selbst die ersten Geldstrafen für Partygäste entfachten den Sturm der Entrüstung nicht neu. Aus Sicht von Experten hat der russische Angriffskrieg die Aufmerksamkeit abgelenkt.

"In diesen Zeiten lässt der Widerstand sowohl der Medien als auch anderer politischer Parteien nach, aus Angst, während einer internationalen Krise als unpatriotisch gegenüber dem Premierminister zu gelten", sagte der Politologe Matthew Flinders. Auch kritische Tories sammeln sich nun wieder hinter Johnson.

Doch die Gefahr für Johnson ist nicht gebannt. Die Polizeiermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Müsste der Premier wegen Verstößen gegen seine eigenen Corona-Regeln eine Geldstrafe zahlen, würde dies bedeuten, dass er das Parlament belogen hat. Anfang Mai stehen zudem wichtige Kommunalwahlen an. Eine herbe Niederlage der Tories würde Johnson persönlich angekreidet.

Selten waren die Amerikaner unzufriedener mit einem Präsidenten

In Krisenzeiten wächst die Unterstützung für die politische Führung häufig, in den USA nennt man das den "Rally Around The Flag"-Effekt – er beschreibt, dass sich die Menschen sinnbildlich um die Flagge scharen. US-Präsident Joe Biden kann davon bislang allerdings nicht profitieren. Bei den Statistikern der Webseite FiveThirtyEight – die verschiedene Umfrage gewichten und zusammenführen – zeigen sich mehr als 53 Prozent unzufrieden mit Bidens Leistung als Präsident. Nur etwas mehr als 41 Prozent sind zufrieden. Schlechtere Werte hatte zu diesem Punkt in seiner Amtszeit nur ein einziger US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg, nämlich Biden-Vorgänger Donald Trump.

Biden muss das zunehmend alarmieren, schließlich stehen im November die Kongresswahlen an. Seine Demokraten könnten im Repräsentantenhaus und womöglich auch im Senat ihre knappen Mehrheiten an Trumps Republikaner verlieren. Dabei bemüht sich Biden, in der Krise um den russischen Einmarsch in die Ukraine eine Führungsrolle unter den westlichen Staaten einzunehmen.

Europäische Politiker loben Biden dafür, den Westen angesichts der Bedrohung geeint zu haben. Beim Wähler in den USA punktet er damit aber weniger. In einer Umfrage des Senders NBC gaben kürzlich nur 28 Prozent an, sie hätten sehr oder ziemlich viel Vertrauen, dass Biden die Krise bewältigen kann.

Scholz' Kurs lässt Stimmung wanken

Vor dem Krieg in der Ukraine hatte die deutsche Ampel-Koalition unter Bundeskanzler Scholz mit Startschwierigkeiten zu kämpfen: Die Nachwahl-Euphorie war schnell verflogen, in der Corona-Politik lief es nicht rund, bei vielen Menschen stellte sich Ernüchterung ein. In Umfragen war nur noch ein Drittel der Befragten zufrieden mit der Koalition. Seit Kriegsbeginn läuft es für das Bündnis zwischen SPD, Grünen und FDP tendenziell wieder besser.

Dennoch hinterlässt Scholz' Regierung im Ukraine-Krieg ein ziemlich gespaltenes Bild: Mal wirkt sie zögerlich und bei internationalen Sanktionen als Bremser, mal zupackend, etwa als der Kanzler eine Zeitenwende mit Waffenlieferungen und immensen Rüstungsinvestitionen verkündete.

Entsprechend fallen auch die Umfragen aus: Wenige Tage nach der Zeitenwende-Rede stiegen die Zufriedenheitswerte für die Bundesregierung allgemein und Scholz im Speziellen deutlich. Seitdem geht es für die Kanzlerpartei SPD aber auf und ab. Profitieren konnte eher eine andere: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gewann deutlich an Profil. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wackelt dagegen enorm.

Emmanuel Macron: Großer Auftritt, kleine Wirkung

In einer Woche beginnt in Frankreich die Präsidentschaftswahl, und in drei Wochen gibt es dann in einer Stichwahl die Entscheidung. Lange dominierten rechte Stimmen den Wahlkampf. Doch dann kam der Krieg. In den Wahlumfragen erlebte Staatschef Emmanuel Macron, der sich als Krisendiplomat präsentiert, einen Auftrieb. Als Staatschef, der sein Land in der Krise mit Umsicht lenkt und auf internationalem Parkett um eine Lösung ringt, erhielt er viel Vertrauen von den Franzosen. Ein Foto von ihm und Kremlchef Wladimir Putin am überlangen Verhandlungstisch in Moskau füllte viele Titelseiten.

Allerdings bröckeln seine Umfragewerte inzwischen wieder, denn je länger der Ukraine-Krieg andauert, desto mehr rücken für die Menschen in Frankreich die Folgen des Konflikts in den Mittelpunkt. Absolutes Topthema im Wahlkampf ist inzwischen die Kaufkraft. Ganze Berufsgruppen klagen, dass die hohen Benzinpreise ihnen den Garaus machen und Macron sieht sich bei Wahlkampfauftritten auf Marktplätzen verzweifelten Menschen gegenüber, die über gestiegene Preise beim Einkaufen klagen.

Dazu kommt, dass Macrons Bemühungen im Ukraine-Krieg bislang ohne großes Resultat geblieben sind und seine regelmäßigen Telefonate mit dem Kremlchef inzwischen von manchem auch kritisch gesehen werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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