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Parlamentswahl in Ungarn: Viktor Orbán bleibt Regierungschef


Parlamentswahl in Ungarn
Orban holt Zweidrittelmehrheit – und will Ungarn "verteidigen"

Von dpa
Aktualisiert am 09.04.2018Lesedauer: 3 Min.
Ungarns alter und neuer Ministerpräsident Viktor Orban: Unter den ersten Gratulanten war AfD-Politikerin Beatrix von Storch.Vergrößern des Bildes
Ungarns alter und neuer Ministerpräsident Viktor Orban: Unter den ersten Gratulanten war AfD-Politikerin Beatrix von Storch. (Quelle: Darko Vojinovic/ap-bilder)

Viktor Orban bleibt Regierungschef in Ungarn. Seine Fidesz-Partei gewinnt die Parlamentswahl deutlicher als erwartet und wird die Verfassung künftig im Alleingang ändern können.

Deutlicher als erwartet hat der EU-kritische Regierungschef Viktor Orban die Parlamentswahl in Ungarn gewonnen. Auf seine rechtsnationale Fidesz-Partei entfielen 48,5 Prozent der Stimmen, teilte das Nationale Wahlbüro am frühen Montagmorgen in Budapest mit. Fidesz könnte damit 134 Mandate im 199-sitzigen Parlament kontrollieren und würde so über eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit verfügen.

Nach einer um Stunden verzögerten Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses war der wiedergewählte Ministerpräsident in Budapest kurz vor Mitternacht vor seine Anhänger getreten. "Wir haben gesiegt", stellte er fest. "Das gibt uns die Möglichkeit, Ungarn zu verteidigen." Im Wahlkampf hatte er fast ausschließlich das Thema Migration angesprochen und die Europäische Union (EU) wegen ihrer Asylpolitik angegriffen.

Rechtsradikale Jobbik holt fast 20 Prozent

Wegen seiner harten Haltung gegenüber Flüchtlingen und Brüssel gilt Orban als Galionsfigur der europäischen Rechtspopulisten. Die haben Orbans Wahlsieg mit Genugtuung aufgenommen. So twitterte etwa die Europaabgeordnete der AfD, Beatrix von Storch: "Herzlichen Glückwunsch Viktor Orban! Ein schlechter Tag für die EU, ein guter für Europa." Orban selbst hatte am Sonntagmorgen bei der Stimmabgabe in Budapest gesagt: "Der Die EU ist nicht in Brüssel. Die EU ist in Berlin, in Budapest, in Warschau, in Prag, in Bukarest. Sie ist das Ensemble der nationalen Hauptstädte."

Orban steht nun vor seiner vierten Amtszeit und der dritten in Folge. Vor vier Jahren hatte Fidesz mit 43 Prozent der Stimmen 133 Mandate errungen. Stärkste Oppositionspartei wurde die rechtsradikale Jobbik (Die Besseren) mit 19,5 Prozent der Stimmen, gefolgt von der Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) mit 12,3, der Grün-Partei Politik kann anders sein (LMP) mit 6,9 und der linksgerichteten Demokratischen Koalition (DK) mit 5,6 Prozent.

Deutlicher als erwartet

Die meisten Wahlforscher hatten den Sieg der Fidesz-Partei in dieser Deutlichkeit nicht erwartet. Allgemein wurde angenommen, dass Orban mehr oder weniger sicher eine absolute Mehrheit erringen würde. Das ungarische Wahlrecht ist kompliziert. Es besteht aus einer Mischung von Vehältnis- und Mehrheitswahlrecht und begünstigt die relativ stärkste politische Kraft.

Zivile Aktivisten hatten die Bürger dazu aufgerufen, in ihrem Wahlkreis den jeweils aussichtsreichsten Oppositionskandidaten zu wählen, auch wenn er nicht der von ihnen bevorzugten Partei angehörte. Für die Meinungsforscher war es schwierig abzuschätzen, ob die Bürger der Aufforderung zum "taktischen Wählen" folgen würden.

Noch nicht alle Stimmen ausgezählt

Erstmals ist im neuen Parlament ein Repräsentant der deutschen Minderheit vertreten. Um gewählt zu werden, musste er die weitaus niedrigere Schwelle überwinden, die für nationale Minderheiten vorgesehen ist. Der 65-jährige Imre Ritter gilt als Bündnispartner des Fidesz.

Die endgültige Sitzverteilung im neuen Parlament hängt noch vom Ausgang der Wahlen in den Direktwahlkreisen ab. Die Stimmen von rund 270.000 Wählern, die nicht an ihrem ständigen Wohnort gewählt haben, werden erst in der nächsten Woche ausgezählt.

Außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung

Die Bekanntgabe der ersten Teilergebnisse verzögerte sich um mehrere Stunden, weil zwei Budapester Wahllokale mit der großen Zahl der ihnen zugeteilten "Auswärtswähler" nicht fertig wurden. Die Wahlbeteiligung war mit 70 Prozent außergewöhnlich hoch.

In der EU geht man davon aus, dass eine Neuauflage der Regierung Orban zu weiteren Konflikten zwischen Budapest und Brüssel führen wird. Seit 2010 steuert der rechtskonservative Politiker einen Konfrontationskurs zur EU. Streitpunkte sind unter anderen die Asylpolitik, die Einschränkung von Medienfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und Bürgerrechten sowie der mutmaßliche Missbrauch von EU-Fördergeldern. Von der EU beschlossene Quoten zur faireren Verteilung von Asylbewerbern boykottierte Orban.

Ermittlungen wegen Korruption

Im Wahlkampf hatte Orban behauptet, dass die EU, die UN und der US-Milliardär George Soros Pläne verfolgen würden, um Zehntausende Migranten in Ungarn anzusiedeln und das Land zum "Einwanderungsland" zu machen. Nur wenn er weiterregiere, könne dies verhindert werden. Beweise für die angeblichen Pläne legte er keine vor. Soros, ein aus Ungarn stammender Holocaust-Überlebender, hatte sein Geld als Börsenspekulant gemacht – heute unterstützt er Zivilorganisationen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen.

Die Opposition wirft Orban vor, die Demokratie in Ungarn abzubauen. Staatliche Ressourcen und EU-Förderungen würden Orban-nahen Oligarchen zugeschanzt. Aber auch die EU-Antikorruptionsbehörde Olaf ermittelt in zahlreichen mutmaßlichen Missbrauchsfällen in Ungarn. In einen soll auch Orbans Schwiegersohn verstrickt sein.

Verwendete Quellen
  • dpa
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