Prozesse Knast statt Comeback? Lula kämpft gegen 12 Jahre Gefängnis
Porto Alegre (dpa) - Der langjährige Präsident Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva (72), will ein Urteil zu zwölf Jahren Gefängnis wegen Korruption und Geldwäsche auf keinen Fall akzeptieren.
"Sie wollen nur, dass ich nicht mehr Kandidat bin", rief er nach dem Urteil eines Berufungsgerichts zu Anhängern in São Paulo. "Wenn Sie mir mein Verbrechen beweisen, gebe ich die Kandidatur auf." Trotz der kämpferischen Worte wird der Gefängnisaufenthalt für den 72-jährigen Politiker von der linken Arbeiterpartei (PT) immer wahrscheinlicher.
Denn das Berufungsgericht in Porto Alegre erhöhte sogar noch die Strafe der ersten Instanz. Damit könnte Lula wohl auch nicht wie geplant im Oktober erneut für das Präsidentenamt kandidieren - das letzte Wort in Sachen Kandidatur und Gefängnis werden der Oberste Wahlgerichtshof und der Oberste Gerichtshof in Brasilia haben. Bis zur Ausschöpfung aller Rechtsmittel bleibt er auf freiem Fuß.
Die Entscheidung fiel mit 3:0 Stimmen einstimmig. In erster Instanz war Lula im Juli zu neuneinhalb Jahren verurteilt worden. Er wird jetzt versuchen, am Obersten Gerichtshof eine Revision zu erwirken. Aber nach zwei klaren und harten Urteilen wird ein Vermeiden der Haftstrafe unwahrscheinlich.
Lula spricht von einem politischen Prozess - um die konservative Wende zu verfestigen. Er hatte das Land von 2003 bis 2010 regiert. In Umfragen für die kommende Wahl führt er - aber er hat viele Gegner. An der Copacabana in Rio de Janeiro wurde Feuerwerk gezündet, nachdem das einstimmige Urteil und die Erhöhung des Strafmaßes feststanden. Die PT hat bisher nicht gesagt, ob sie einen anderen Kandidaten ins Rennen schicken will, da Lula nun rechtskräftig verurteilt ist.
Ihm wird zu Last gelegt, dass ein Baukonzern, der von öffentlichen Auftragsvergaben in seiner Amtszeit profitierte, ein Penthouse am Atlantik für Lula teuer herrichten ließ. Er bestreitet, dass die Immobilie für ihn bestimmt gewesen sei. Er verhedderte sich aber immer wieder in Widersprüche oder versuchte, Verantwortung auf seine verstorbene Frau abzuschieben. Lula hat unabhängig von dem Urteil bisher für Freitag eine Äthiopien-Reise geplant, wo Strategien gegen den Hunger in der Welt beraten werden sollen.
Während seiner Zeit als Präsident des fünftgrößten Landes der Welt von 2003 bis 2010 wuchs die Wirtschaft kräftig - auch dank sprudelnder Öleinnahmen. Mehr als 30 Millionen Menschen seien aus der Armut geholt worden, betont er. "Eine Wahl ohne Lula ist ein Betrug", skandierten Anhänger. Ex-Präsidentin Dilma Rousseff sieht einen "Staatsstreich". "Ich glaube, der Putsch, der in Brasilien 2016 geschehen ist, ist kein isolierter Akt. Das ist ein Prozess. Und das Amtsenthebungsverfahren gegen mich war der Eröffnungsakt", sagte sie der Zeitung "El País".
Rousseff, Nachfolgerin und Parteifreundin Lulas, war 2016 in einem umstrittenen Verfahren wegen angeblicher Haushaltstricksereien des Amtes enthoben worden - damit endete die mit Lula begonnene Regierungszeit der linken PT. Der konservative Michel Temer übernahm und leitete seither einen Politikwechsel ein.
Der Fall ist der vorläufige Höhepunkt in dem das Land seit fast vier Jahren erschütternden "Lava-Jato"-Korruptionsskandal um jahrelange Schmiergelder bei öffentlichen Auftragsvergaben. Dutzende Manager und Politiker sitzen bereits hinter Gittern. Der fast alle Parteien erfassende Korruptionsskandal hat das Vertrauen in die politische Elite stark sinken lassen. Daher könnte ein Außenseiter Präsident werden: Der rechtskonservative Jair Bolsonaro liegt auf Platz zwei.
Er verherrlicht die Militärdiktatur und inszeniert sich als Donald Trump Brasiliens, der den Korruptionssumpf austrocknen will. "Ich bin eine Person, die komplett außerhalb des Establishments steht", betont Bolsonaro. Trotz der Krise gewinnen Investoren wieder Vertrauen, die Arbeitslosenzahl sinkt und der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt in Brasilien gerade für 2018 auf 1,9 Prozent und für 2019 auf 2,1 Prozent hochgesetzt.