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Konflikte: Festnahmewelle im Iran nach blutigen Protesten


Konflikte
Festnahmewelle im Iran nach blutigen Protesten

Von dpa
Aktualisiert am 02.01.2018Lesedauer: 4 Min.
Demonstranten stehen auf einer Kreuzung in Teheran.Vergrößern des BildesDemonstranten stehen auf einer Kreuzung in Teheran. (Quelle: Unbekannt/AP./dpa)
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Teheran (dpa) - Die iranische Führung hat auf die heftigen Proteste gegen das islamische System mit einer Festnahmewelle reagiert. Zugleich beschuldigte der oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei in seiner ersten Reaktion ausländische Kräfte, die Demonstranten zu steuern.

"Die Feinde des Irans haben in den letzten Tagen den Unruhestiftern Geld und Waffen sowie politische Unterstützung zur Verfügung gestellt, um dem Iran zu schaden", sagte Chamenei. Seit dem Beginn der Proteste am Donnerstag sind nach unterschiedlichen Berichten mindestens 19 Menschen getötet worden, hunderte wurden festgenommen.

Der Vizegouverneur von Teheran, Asghar Nasserbakht, sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ilna, alleine in der Hauptstadt seien in den vergangenen drei Tagen 450 Demonstranten festgenommen worden. Eine Zahl für das ganze Land lag zunächst nicht vor, es sollen aber insgesamt weit über tausend Menschen in unterschiedlichen Städten sein.

Die Nachrichtenagentur Isna berichtete, dass in der Stadt Karadsch nahe Teheran "20 Anführer der Krawalle" festgenommen worden seien. Einige hätten Kontakte zu "feindlichen Gruppen" gehabt, andere zu "fremden Ländern".

Chamenei werde bald ausführlich über Proteste und Hintergründe sprechen, hieß es am Dienstag. Der religiöse Führer des Landes hat in allen wichtigen Belangen das letzte Wort in dem Land mit seinen etwa 80 Millionen Einwohnern. Auch der demokratisch gewählte Präsident Hassan Ruhani braucht für strategische Entscheidungen den Segen Chameneis.

Chameneis Reaktion steht im Gegensatz zu der von Präsident Ruhani. Dieser hatte am Montag bei einer Krisensitzung im Parlament gesagt, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen . "Die Probleme der Menschen sind auch nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten." Er kritisierte damit indirekt die Hardliner im Klerus, die seine Reformen blockieren. Ruhani hatte auch gesagt, dass die Regierung die Lage nicht mehr völlig kontrolliere.

Bei neuen Protesten hatte es nach Angaben des staatlichen Fernsehens Irib in der Nacht auf Dienstag weitere neun Tote gegeben. Es blieb zunächst unklar, ob es sich um Demonstranten, Polizisten oder Revolutionswächter handelte. Die Revolutionswächter oder Revolutionsgarden (IRGC) sind eine paramilitärische Organisation zum Schutz des iranischen Systems.

Bis zum Montag waren nach Angaben des Staatsfernsehens schon mindestens zehn Demonstranten ums Leben gekommen - je zwei in Dorud (Westiran) und Iseh (Südwestiran) und je drei in Schahinschar (Zentraliran) und Toserkan (Westiran). Außerdem kamen bei einem Unfall während der Proteste in Dorud ein alter Mann und ein Kind um.

Für den Abend waren am Dienstag weitere Proteste angekündigt. Der iranische Generalstaatsanwalt Mohamed Dschafar Montaseri warnte Demonstranten scharf. "Es ist Schluss mit lustig", sagte Montaseri nach Medienangaben. Justiz und Polizei würden konsequent gegen "Krawallmacher" vorgehen. Der Geheimdienst erklärte, einige Unruhestifter seien verhaftet und weitere identifiziert worden. Weitere seien "im Visier" der Ermittler.

Der iranische Abgeordnete Hodschatollah Chademi sagte der Nachrichtenagentur Ilna, in der Stadt Iseh seien bei einigen Festgenommenen Waffen, Munition und Sprengstoff entdeckt worden. Nach unbestätigten Berichten in sozialen Netzwerken soll Iseh kurzfristig sogar von Regimegegnern besetzt gewesen sein.

In sozialen Netzwerken wurde auch behauptet, dass die Polizei in Dutzenden Städten auf Demonstranten schieße. Diese Berichte ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Dem Staatsfernsehen zufolge haben Bewaffnete in mehreren Städten staatliche Einrichtungen attackiert. Auch diese Berichte ließen sich nicht unabhängig verifizieren.

Die Proteste hatten am Donnerstag begonnen. Sie richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung, wurden aber zunehmend systemkritisch.

Die USA und Israel sprachen sich angesichts der Proteste für einen Führungswechsel in Teheran aus. Präsident Donald Trump twitterte, die Menschen im Iran würden nicht länger hinnehmen, "wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird". Am Neujahrstag legte er nach und schrieb, das "große iranische Volk" sei über Jahre unterdrückt worden. Seinen Tweet beendete er in Großbuchstaben mit den Worten: "ZEIT FÜR EINEN WECHSEL!"

Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley forderte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats. "Die UN müssen ihre Meinung sagen", erklärte sie am Dienstag in New York. Sowohl im Sicherheitsrat als auch im UN-Menschenrechtsrat in Genf müssten die Festnahmen und Toten im Zusammenhang mit den Protesten thematisiert werden. Haley konterte Behauptungen der iranischen Führung, ausländische Kräfte würden die Demonstranten steuern. "Die Demonstrationen sind komplett spontan. Sie finden in nahezu jeder Stadt im Iran statt", sagte Haley. Es sei ein Bild eines "lang unterdrückten Volkes, das sich gegen seine Diktatoren aufbäumt".

Der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich, der auch Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe ist, kritisierte das Vorgehen von Trump, der mit seinen Tweets den Demonstranten eher schade. "Die reaktionären Kräfte im Iran werden diese Twitter-Meldungen ausnutzen und behaupten, dass die Proteste letztlich vom Ausland gesteuert sind, was sie aber nicht sind", betonte Mützenich im SWR Aktuell. Er sieht kaum Handlungsspielraum für Deutschland. "Ich glaube, Vermittlungsbemühungen in der iranischen Innenpolitik sind nicht gewünscht und wären auch schädlich", sagte Mützenich.

Am Montagabend hatten die Europäische Union wie zuvor auch Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) die iranische Führung zur Wahrung des Demonstrationsrechtes aufgerufen.

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