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Türkei-Referendum: Erdogan siegt & will die Todesstrafe wieder einführen


"Historische Entscheidung"
Erdogan siegt – und will gleich die Todesstrafe einführen

reuters, lc

Aktualisiert am 16.04.2017Lesedauer: 3 Min.
Türkei ReferendumVergrößern des Bildes
Erdogan-Unterstützer veranstalten in Istanbul einen Autokorso und feiern den Sieg. (Quelle: dpa-bilder)
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In der Türkei ist der Weg zur Machtausweitung für Präsident Recep Tayyip Erdogan frei. In einem historischen Referendum lag die Zahl der "Ja"-Stimmen zur Verfassungsänderung der Agentur Anadolu zufolge nach Auszählung von rund 98 Prozent der Stimmen bei 51,3 Prozent.

Erdogan hat die "historische Entscheidung" der Wähler bei dem Verfassungsreferendum begrüßt. "Mit dem Volk haben wir die wichtigste Reform in unserer Geschichte realisiert", so Erdogan. Er rief das Ausland dazu auf, das Ergebnis des Referendums zu respektieren und kündigte "als erste Aufgabe" promt an, die Todesstrafe wieder einführen zu wollen.

Ministerpräsident Binali Yildirm sagte vor Anhängern in der Hauptstadt Ankara, damit eröffne die Türkei ein neues Kapitel ihrer demokratischen Geschichte. Die Verfassungsänderung sei die beste Antwort auf die Hintermänner des Putschversuchs von Mitte 2016, auf militante Kurden und all jene ausländischen Kräfte, die gegen die Türkei seien.

Starke Führung in unruhigen Zeiten

Nach der geplanten Änderung der Verfassung könnte Erdogan per Dekret regieren, den Ausnahmezustand beschließen, das Parlament auflösen und Minister entlassen. Der Posten des Ministerpräsidenten fiele weg. Seine islamisch-konservative Partei AKP hat argumentiert, die Änderungen seien nötig, um eine starke Führung in unruhigen Zeiten zu garantieren. Gegner wie die pro-kurdische Partei HDP und die sozialdemokratische CHP warnten indes vor zunehmend autoritärer Führung. Die CHP stellte zudem noch am Sonntag die Legitimität der Abstimmung in Frage und sprach von Rechtsverstößen.

Türkische Medien hatten nach der Schließung der Wahllokale damit begonnen, Zwischenergebnisse bekannt zugeben. Dabei war nach 24 Prozent der ausgezählten Stimmen noch von 63 Prozent "Ja"-Stimmen berichtet worden, die Zahl schmolz dann aber stetig. Vor allem in den drei größten Städten des Landes - Istanbul, Izmir und Ankara - gab es Medien zufolge offenbar überwiegend Ablehnung, ebenso wie im kurdisch dominierten Südosten.

Weniger Zustimmung als erwartet

Der stellvertretende Ministerpräsident Veysi Kaynak sagte noch vor Auswertung aller Stimmzettel, das "Ja-"Lager habe weniger Zustimmung erhalten als erwartet. Erdogan hatte sich am Sonntag bei seiner Stimmabgabe zuversichtlich gezeigt, dass seine Landsleute dem Vorhaben zustimmen. Letzte Umfragen hatten auf einen leichten Vorsprung für seine Unterstützer hingedeutet. Dem Sender Habertürk zufolge lag die Wahlbeteiligung bei 86 Prozent.

Die CHP erklärte, die erst in letzter Minute getroffene Entscheidung der Wahlbehörde YSK, von ihr nicht abgestempelte Stimmzettel dennoch als gültig zu akzeptieren, werde ein "schweres Legitimitätsproblem" zur Folge haben. Man behalte sich Rechtsmittel vor. Zu der Abstimmung waren rund 55 Millionen Türken aufgerufen, darunter 1,4 Millionen in Deutschland. Auch um ihre Stimme warb die AKP. Das war in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden unerwünscht, zum Teil wurden Auftritte von Ministern untersagt. Erdogan warf der deutschen und der niederländischen Regierung daraufhin "Nazi-Methoden" vor.

Gabriel: "Besonnen vorgehen"

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel rief am Sonntagabend zu Besonnenheit auf. "Es sieht nach dem erwartet knappen Ergebnis aus. Wie auch immer das Votum (...) ausfallen wird: Wir sind gut beraten, jetzt kühlen Kopf zu bewahren und besonnen vorzugehen. Es ist gut, dass der so erbittert geführte Wahlkampf, auch bei uns in Deutschland, jetzt vorbei ist."

Für Erdogan war das Referendum der größte Test, seit er 2014 nach mehr als einem Jahrzehnt im Amt des Regierungschefs den Posten des Staatspräsidenten übernommen hat. Er riskiert mit dem Vorhaben aber nicht nur eine noch tiefere Kluft in der Bevölkerung, sondern auch einen Konflikt mit Verbündeten und der Europäischen Union, der das Nato-Mitglied beitreten will. In der Türkei gilt auch neun Monate nach dem Putschversuch noch immer der Ausnahmezustand. Mehr als 113.000 Beschäftigte bei Polizei, Verwaltung und Justiz wurden entlassen oder beurlaubt. Tausende Menschen wurden festgenommen.

Hohes Wirtschaftswachstum erwartet

Erdogan zufolge sollen künftig auch Wirtschaftsreformen leichter umzusetzen sein. Nach der Verfassungsänderung werde die Wirtschaft um sechs Prozent im Jahr wachsen, hat die Regierung erklärt. 2016 betrug das Plus 2,9 Prozent. Der Putschversuch im Juli hatte die Entwicklung im einstigen Boom-Land gebremst: Touristen blieben aus. Die Lira stürzte ab. Die Inflation ist mit mehr als elf Prozent so hoch wie seit 2008 nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 13 Prozent. Nach der Änderung der Verfassung würde der Präsident auch über den Etat bestimmen und großes Mitspracherecht bei der Wahl der Verfassungsrichter erhalten.

Das Parlament soll weder Minister entlassen noch die Vertrauensfrage stellen können. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten soll nur mit den Stimmen von mindestens 400 der 600 Abgeordneten möglich sein. Kritiker sehen bei einer Umsetzung des Vorhabens Demokratie, Pressefreiheit und Menschenrechte in Gefahr. Auch Ökonomen sind skeptisch. Die Regierung habe mehrfach den Beginn von Reformen zugesagt, sagt etwa William Jackson von Capital Economics in London. "Wir haben nie gesehen, dass etwas passiert wäre - das war in den vergangenen sechs oder sieben Jahren so. Ich bin da nicht sehr optimistisch."

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