Sexueller Missbrauch durch UN-Blauhelme 15-Jährige wurde von 50 Soldaten vergewaltigt
Eigentlich sollen sie Frieden bringen, aber häufig kommt mit UN-Soldaten auch die sexuelle Gewalt - und nicht einmal Kinder sind davor sicher. Etwa 2000 Vorwürfe dieser Art hat es weltweit zwischen 2004 und 2016 gegeben. Ein Brennpunkt ist Haiti.
In den Ruinen einer früheren Ferienanlage versuchten verwaiste oder von ihren Eltern verlassene Kinder, sich irgendwie alleine durchzuschlagen. Sie bettelten um Essen, aber konnten nie genug zusammenbekommen, um ihren Hunger zu stillen. Bis eines Tages die UN-Blauhelme nur eine paar Straßenzüge entfernt ihr Quartier aufschlugen.
Die Männer boten den haitianischen Kindern Kekse und andere Snacks an. Manchmal gaben sie ihnen auch ein paar Dollar. Aber der Preis war hoch: Die Blauhelme aus Sri Lanka wollten von den Mädchen und Jungen Sex als Gegenleistung. Manche Kinder waren gerade mal zwölf Jahre alt.
Sex mit fast 50 Soldaten
"Ich hatte noch nicht einmal Brüste", sagt ein betroffenes Mädchen. Sie schilderte UN-Ermittlern, dass sie über drei Jahre hinweg, im Alter von 12 bis 15, Sex mit fast 50 Friedenssoldaten hatte - darunter ein Kommandant, der ihr 75 Cent gab.
Manchmal schlief sie in UN-Lastwagen neben der früheren Ferienanlage Habitation Leclerc in Port-au-Prince, wo sich in den 1980ern Berühmtheiten wie Mick Jagger und Jackie Onassis am Swimmingpool aalten. Als die Einrichtung zunehmend verfiel, zogen die allein lebenden Kinder ein. Die Blauhelme kamen 2004 als Teil einer neuen Friedensmission, um Haiti nach der Entmachtung von Präsident Jean-Bertrand Aristide zu stabilisieren. Einige Soldaten aus der 900-köpfigen sri-lankischen Einheit hatten ihren Stützpunkt in der Nähe der einstigen Ferienanlage.
Werden die Täter bestraft?
Gerechtigkeit für die Opfer gibt es selten. Bei einer Untersuchung von UN-Missionen in den vergangenen zwölf Jahren gibt es fast 2000 Fälle, in denen Blauhelmen und anderem UN-Personal in verschiedenen Teilen der Welt sexueller Missbrauch und Ausbeutung vorgeworfen wurden - ein Hinweis darauf, dass das Problem viel größer ist, als bisher bekannt. In mehr als 300 der Fälle waren demnach Kinder involviert, aber nur ein kleiner Teil der Beschuldigten landete im Gefängnis.
Rechtlich gesehen sind den Vereinten Nationen selbst die Hände gebunden. Blauhelme unterliegen nicht ihrer Jurisdiktion, das heißt, die Entscheidung über Strafverfolgung liegt bei den Ländern, die die betroffenen Soldaten stellen. AP hat mit mutmaßlichen Opfern, derzeitigen und früheren UN-Offiziellen, sowie Ermittlern gesprochen - und in 23 Ländern um Auskunft über die Zahl beschuldigter Blauhelme und etwaige Untersuchungen der Vorwürfe gebeten. Nur einige wenige antworteten, und die Namen derjenigen, die schuldig gesprochen wurden, werden unter Verschluss gehalten. Das macht es unmöglich, herauszufinden, wer zur Rechenschaft gezogen wurde.
Angst vor Vergewaltigung
Nach einem internen UN-Bericht haben in Haiti mindestens 134 sri-lankische Blauhelme zwischen 2004 und 2007 neun Kinder in einem Sexring ausgenutzt. Als Folge des Reports wurden 114 Soldaten nach Hause geschickt. Keiner von ihnen landete jemals hinter Gittern.
Und war das auch das Ende des Sexrings, so nicht das von sexuellen Übergriffen allgemein durch UN-Personal in Haiti. Janila Jean sagt, dass sie 16 Jahre und eine Jungfrau gewesen sei, als sie ein brasilianischer Blauhelm vor drei Jahren in ein UN-Lager gelockt habe - mit Hilfe eines Stück Brotes mit Erdnussbutter. Sie bricht auch heute noch in Tränen aus, wenn sie an das Geschehene zurückdenkt.
"Verbrechen unter UN-Flagge"
Admiral Ademir Sobrinho von den brasilianischen Streitkräften versicherte auf einer Konferenz in London, dass es in seinen Reihen keine Fälle von Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs gebe. Aber wie viele andere hat Jean den damaligen Vorfall nicht gemeldet. Fast ein Dutzend Frauen sagten, dass sie Angst hatten, selbst für ihre Vergewaltigung verantwortlich gemacht zu werden - und daher schwiegen.
Nach AP-Erkenntnissen wurden von den weltweit etwa 2000 Missbrauchsvorwürfen gegen Blauhelme und anderes UN-Personal zwischen 2004 und 2016 ungefähr 150 in Haiti gemeldet. Die Beschuldigten kamen laut UN-Unterlagen und Interviews neben Sri Lanka und Brasilien aus Bangladesch, Jordanien, Nigeria, Pakistan und Uruguay.
Im März hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres neue Maßnahmen angekündigt, um das Problem in den Griff zu bekommen. "Wir werden niemanden dulden, der sexuelle Ausbeutung und Missbrauch begeht oder zulässt. Wir werden nicht zulassen, das jemand diese Verbrechen mit der UN-Flagge zudeckt", sagte er.
Vergewaltigt und gedemütigt
Aber das hört sich nur allzu vertraut an. Vor mehr als zehn Jahren haben die Vereinten Nationen einen Bericht in Auftrag gegeben, in dem ähnliche Reformen versprochen wurden wie jetzt, doch die meisten wurden nie umgesetzt. Auch zwei Jahre nach den Ankündigungen wurden Kinder in Haiti von einem Soldaten zum nächsten weitergereicht. Und Blauhelmen in vielen Teilen der Welt wurde auch danach sexueller Missbrauch vorgeworfen.
In einem besonders schlimmen Fall in Haiti soll ein Junge gleich von mehreren uruguayischen Soldaten hintereinander vergewaltigt worden sein. Dem mutmaßlichen Opfer zufolge filmten sie ihre Tat mit einem Mobiltelefon. Dutzende haitianische Frauen sagen, dass sie vergewaltigt worden seien. Und Dutzende mehr schildern, das, was ihnen passiert sei, würden viele beschönigend als "Überlebenssex" bezeichnen - in einem Land, in dem die meisten Menschen mit weniger als umgerechnet 2,50 Euro am Tag auskommen müssen.