Schlüsselfigur bei Wahl Wird türkischer "Mr. No" Erdogans Partner?
Er lacht so gut wie nie und trägt seinen Spitznamen nicht zufällig: Devlet Bahceli, 67, auch bekannt als "Mr. No" wegen seiner harten Haltung. Er ist Chef einer rechtsnationalen Bewegung in der Türkei, die lange wegen ihrer Gewalttätigkeit berüchtigt war. Und er könnte nach der Parlamentsneuwahl am kommenden Sonntag zur Schlüsselfigur werden.
Bahceli wird mit seiner Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) als möglicher Koalitionspartner der bisherigen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan gehandelt. Bahceli schließt das nicht aus, stellt aber strikte Bedingungen.
Die 1969 gegründete MHP war in den 1970er und 1980er Jahren eine militant-ultrarechte Gruppierung, die mit ihrem bewaffneten Arm, den berüchtigten "Grauen Wölfen", für Anschläge und Morde verantwortlich war. So kommt der als Papst-Attentäter bekannt gewordene Mehmet Ali Agca aus dem Umfeld der "Grauen Wölfe".
Bahceli, der 1997 bei der MHP das Ruder übernahm, hat die Partei vom militanten Rand gelöst und offiziell das Prinzip der Gewaltlosigkeit verankert. Das heißt aber nicht, dass er die rechtsnationale Ideologie verändert hätte.
"Übersteigerter Nationalismus"
Misstrauen gegenüber dem Ausland und Minderheiten wie den Kurden sowie eine Betonung des "Türkentums" gehören auch bei MHP-Anhängern in Deutschland zur Grundausrichtung. "Die MHP vertritt einen übersteigerten Nationalismus und fordert ein rigoroses militärisches Vorgehen gegen kurdische Extremisten und 'Linksterroristen'", analysiert etwa der hessische Verfassungsschutz die extremistische MHP-Ausrichtung.
Bahceli stützt sich dabei auf eine treue Stammwählerschaft, die ihm 15 Prozent der Stimmen beschert. "Selbst wenn ich der einzige Mensch auf der Welt wäre, der MHP wählt, würde ich sie wählen", sagt der pensionierte Lehrer Sezgin Turan in Ankara. Dem pflichtet der 23-jährige Student Mehmet Gürsel bei: Nur die MHP mache keine Kompromisse beim Schutz des "Türkentums".
Schwierigkeiten bekommt die MHP durch Versuche von Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), im rechtsnationalen Wählerreservoir zu wildern. Beide Parteien umwerben islamisch-konservative Türken. In jüngster Zeit steuert Erdogan einen betont nationalistischen Kurs, der die AKP für Rechtswähler attraktiver machen soll.
Unbequemer Partner
In der Auseinandersetzung mit der AKP hat Bahceli jedoch eine Trumpfkarte: Erdogans im Jahr 2012 gestarteter Versuch, den Kurdenkonflikt durch Verhandlungen beizulegen, ist für die MHP und viele rechtsgerichtete Wähler ein Pakt mit dem Teufel. Zu den Bedingungen des MHP-Chefs für eine Regierungsbeteiligung nach der Wahl vom Sonntag gehört deshalb die Forderung nach einer offiziellen Beendigung des Friedensprozesses.
Außerdem verlangt Bahceli, dass die Korruptionsvorwürfe gegen die AKP aufgearbeitet werden. Die von Erdogan angestrebte Umstellung auf ein Präsidialsystem lehnt er ab und fordert, dass dieser sich auf eine rein repräsentative Rolle als Staatsschef zurückzieht.
Nach der letzten Wahl im Juni verweigerte sich Bahceli aufgrund dieser Positionen einer Koalition mit der AKP und lehnte auch eine Beteiligung der MHP an der derzeitigen Übergangsregierung ab - daher der Titel "Mr. No".
Türkei kann wohl nur von Koalition regiert werden
Vor der Neuwahl am Sonntag wird Bahceli sowohl von der AKP als auch von der säkularistischen Republikanischen Volkspartei (CHP) als möglicher Partner umworben. Die meisten Umfragen sagen voraus, dass keine Partei alleine eine absolute Mehrheit der Parlamentsmandate gewinnen kann.
Bahceli hält sich mehrere Optionen offen - nur eine Zusammenarbeit mit der pro-kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) schließt er aus. Alles andere ist Verhandlungssache: "Wenn jede Partei ohne Abstriche an ihrem Programm festhält, kommt keine Koalition zustande", sagt Bahceli. Auch den Beinamen "Mr. No" will er abstreifen: "Die MHP ist keine Neinsager-Partei."