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"Charlie Hebdo": Vier Tote im Niger nach neuer Mohammed-Karikatur


Wut über Mohammed-Karikatur
Welle der Gewalt nach Freitagsgebet in muslimischer Welt

Von afp, ap
Aktualisiert am 17.01.2015Lesedauer: 4 Min.
Die Wut über die Mohammed-Karikatur in der jüngsten "Charlie Hebdo"-Ausgabe hat sich nach den Freitagsgebeten vielfach in Gewalt entladen.Vergrößern des Bildes
Die Entrüstung über die Mohammed-Karikatur in der neusten Ausgabe von "Charlie Hebdo" entlädt sich in nackter Gewalt, wie hier in Zinder im Niger. (Quelle: AFP-bilder)
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Die Wut über die Mohammed-Karikatur in der jüngsten "Charlie-Hebdo"-Ausgabe hat sich nach den Freitagsgebeten vielfach in Gewalt entladen. In Zinder in Niger wurden nach Angaben des Innenministeriums mindestens vier Menschen getötet und 45 weitere verletzt, als hunderte aufgebrachte Muslime das französische Kulturzentrum und drei Kirchen in der zweitgrößten Stadt des Landes in Brand steckten. Von Pakistan bis nach Westafrika entlud sich die Gewalt entrüsteter gläubiger Muslime, die sich mit den Pariser Attentätern solidarisierten.

Bei den Todesopfern im Niger handle es sich um drei Zivilisten und einen Polizisten, bei den Verletzten um 22 Sicherheitskräfte und 23 Demonstranten, sagte Innenminister Massaoudou Hassoumi. Neben dem Kulturzentrum gingen zwei katholische und eine evangelische Kirche, ein Parteibüro und mehrere Bars in Flammen auf.

"Schwarzer Freitag"

"Das ist ein schwarzer Freitag", sagte ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Zinder, der zweitgrößten Stadt im westafrikanischen Niger: "So etwas hat es hier noch nicht gegeben." Nach dem Freitagsgebet habe sich eine Menschenmasse aus den Moscheen ergossen, berichtete der Journalist Amadou Mamane.

Der Direktor des Kulturzentrums, Kaoumi Bawa, sagte: "Sie zündeten die Cafeteria, die Mediathek und Verwaltungsräume an." Zwei Polizisten, die das Zentrum schützen sollten, versuchten demnach vergeblich, die Menge mit Warnschüssen abzuhalten.

Auch am Samstag hat es Zusammenstöße gegeben. Die Polizei ging mit Tränengas gegen Demonstranten in der Hauptstadt Niamey vor. Zu dem von den Behörden untersagten Protest nahe der Großen Moschee der Stadt versammelten sich mindestens tausend Jugendliche. Einige von ihnen bewarfen die Einsatzkräfte mit Steinen, andere zündeten Autoreifen an. Demonstranten auf Motorrädern skandierten "Allah Akbar" (Gott ist groß).

Die frühere französische Kolonie in Westafrika ist überwiegend muslimisch. Auch in Mali und im Senegal wurde gegen "Charlie Hebdo" demonstriert. In Dakar und in Mauretanien steckten erboste Muslime französische Flaggen in Brand. Hunderte Menschen protestierten auch in Khartum im Sudan. Auf ihren Bannern wurde die französische Regierung aufgerufen, sich im Namen der Karikaturisten zu entschuldigen und die "Beleidigung religiöser Figuren zu stoppen".

Weinender Prophet "ist Charlie"

Auf dem am Mittwoch erschienenen "Charlie-Hebdo"-Titel, die in vielen muslimischen Ländern nicht verkauft werden darf, ist eine neue Mohammed-Karikatur zu sehen. Der Prophet hält weinend ein "Je-suis-Charlie"-Schild - Symbol der Solidarität mit den zwölf Menschen, die in der vergangenen Woche von den beiden islamistischen Attentätern Chérif Kouachi und Said Kouachi bei einem Anschlag auf die Satirezeitung getötet worden waren.

Im pakistanischen Karachi wurden drei Menschen verletzt, darunter ein AFP-Fotograf, dem in den Rücken in die Lunge geschossen wurde. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Mitglieder der muslimischen Jamaat-e-Islami-Partei vor, die vor dem französischen Konsulat in der Hafenstadt demonstrierten und dieses stürmen wollten. Ein Zweig der pakistanischen Taliban, die Jamat-ul-Ahrar, feierte die beiden Attentäter von Paris. Sie hätten "die Erde von schmierigen Gotteslästerern befreit".

Auch das Parlament hatte die neueste Mohammed-Karikatur der Satirezeitung, die einen weinenden Propheten mit einem "Je suis Charlie"-Schild zeigt, am Donnerstag scharf verurteilt.

Beleidigung des Propheten "globaler Terrorismus"

Einen der größten Proteste gegen "Charlie" gab es in Jordanien. 2500 Demonstranten zogen nach dem Freitagsgebet durch die Hauptstadt Amman. "Die Beleidigung des Propheten ist globaler Terrorismus", stand auf einem Plakat. In Algier zogen ebenfalls bis zu 3000 Menschen unter dem Ruf "Wir sind alle Mohammed" durch die Gassen.

Auf dem Jerusalemer Tempelberg versammelten sich hunderte Muslime. In der Menge waren auch Fahnen der radikalislamischen Hamas zu sehen. "Franzosen, Bande von Feiglingen", riefen einige Demonstranten. Augenzeugenberichten zufolge soll eine französische Flagge verbrannt worden sein. 35.000 Menschen waren zum Freitagsgebet zur Al-Aksa-Moschee geströmt, gingen nach dem Gebet aber friedlich wieder auseinander.

In Baddawi, einem Vorort der libanesischen Stadt Tripoli, rief der Imam: "Möge Gott die Zeitung und ihre Unterstützer bestrafen." In der Moschee El-Fath in Tunis riefen Gläubige, die "Charlie"-Zeichner "verdienten den Tod, weil sie unseren Propheten oft beleidigt haben".

"Wir sind alle Kouachi"

Im türkischen Istanbul versammelten sich rund hundert Menschen zum Gedenken an die Kouachi-Brüder. Eine radikale Bruderschaft hatte dazu aufgerufen. Porträts der Brüder und des getöteten Chefs des Terrornetzwerks Al-Kaida, Osama bin Laden, wurden hochgehalten. Auf Plakaten stand: "Wir sind alle Kouachi." Die Polizei hinderte die Gruppe, um die Moschee zu ziehen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf den überlebenden "Charlie Hebdo"-Mitarbeitern wegen ihrer jüngsten Ausgabe vor, zu Hass und Rassismus anzustacheln.

In Russland wurde ein Mann zu acht Tagen Gefängnis verurteilt. Mark Galperin hatte am Samstag allein mit einem "Je suis Charlie"-Schild nahe dem Kreml seine Solidarität mit den getöteten Zeichnern gezeigt. Damit habe er "die Regeln für die Organisation eines öffentlichen Ereignisses verletzt", sagte ein Justizsprecher.

Die US-Regierung verurteilte die Ausschreitungen. Alle Seiten müssten auf Gewalt verzichten, sagte Außenamtssprecher Jeffrey Rathke in Washington. "Kein journalistisches Handeln, so verletzend es in den Augen mancher auch sei, rechtfertigt Gewalt", fügte er hinzu.

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