Verhaftungswelle in der Türkei Polizei greift hart gegen Erdogan-Gegner durch
Das politische Klima in der Türkei ist wieder aufgeheizt. Bei zeitgleichen Razzien in mehreren türkischen Städten sind mindestens 32 Menschen festgenommen worden. Unter ihnen befanden sich Journalisten, Fernsehproduzenten und Polizisten, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Sicherheitskräfte hätten zudem das Gebäude der Zeitung "Zaman" in Istanbul durchsucht.
Die Razzien richten sich vor allen Dingen gegen den in den USA lebenden islamistischen Kleriker Fethullah Gülen. Angaben zufolge seien insgesamt 32 Menschen festgenommen worden. Gülen ist ein Rivale von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Es wird erwartet, dass die Verhaftungen in den nächsten Woche weitergehen.
Unter den Festgenommenen ist unter anderem der Chefredakteur der Zeitung "Zaman", Ekrem Dumanli. Er gilt in der Türkei als journalistisches Schwergewicht. In den vergangenen Jahren wandelte er sich vom großen Unterstützer Erdogans zu seinem schärfsten Kritiker.
Nach Angaben von Dumanlis Anwalt wird dem Chefredakteur vorgeworfen, eine "Organisationsstruktur" mit dem Ziel aufgebaut zu haben, die Souveränität der türkischen Regierung auszuhebeln.
"Man kann die freie Presse nicht zum Schweigen bringen"
Nachmittags rückte die Polizei erneut an und führte Dumanli unter lautstarkem Protest ab, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. "Man kann die freie Presse nicht zum Schweigen bringen", skandierten die Unterstützer.
Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" verurteilte die Festnahmen in einer Mitteilung als "hartes Durchgreifen gegen kritische Medien".
Oppositionspolitiker warfen der Regierung vor, mit der geplanten Aktion Regierungskritiker mundtod machen zu wollen. Die sozialdemokratische CHP, die größte Oppositionspartei in der Türkei, sprach von einem "zivilen Putsch".
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte auf einem regionalen Parteikongress in Konya: "Wir werden ein Tag der Bewährung erleben. Jeder Demokratie-Gegner wird für sein Verhalten bezahlen. Demokratie-Befürworter werden belohnt."
Korruptionsaffäre Schuld?
Gülen lebt seit 1997 in den USA im selbstgewählten Exil, nachdem die türkischen Behörden ihm islamistische Umtriebe vorhielten. Erdogan wirft Gülens Anhängern in Polizei und Justiz unter anderem vor, Tausende Telefonate abgehört und die Aufnahmen als Teil eines inszenierten Korruptionsskandals gegen sich lanciert zu haben.
Mehrere enge Vertraute Erdogans wurden am 17. Dezember 2013 festgenommen. Drei Minister mussten daraufhin zurücktreten. Erdogan selbst bezeichnet die Vorwürfe immer wieder als ausländische Verschwörung und als "Putschversuch" gegen seine Regierung. Gülen weist die Vorwürfe zurück. In einem am Wochenende in der "Süddeutschen Zeitung" veröffentlichten Interview warnte der Prediger vor einer "Hexenjagd" in der Türkei.
Geheimer Informant verrät Pläne
Ein anonymer Informant hatte in den vergangenen Tagen die Polizei-Aktion angekündigt. Der Twitter-Nutzer "Fuat Avni" bringt den Staatspräsidenten Erdogan immer wieder in Bedrängnis. Über ihn weiß niemand etwas. Nur, dass er mit seinen Ankündigungen immer wieder ins Schwarze trifft. Die Regierung glaubt an einen Maulwurf im Umfeld Erdogans.
Vor der Redaktion der Tageszeitung "Zaman" am Rande von Istanbul versammelte sich indes eine riesige Menschenmenge, die gegen den Polizeieinsatz demonstrierte.
Die Polizei-Aktion gegen Regierungskritiker wird derzeit auf auf Twitter kontrovers diskutiert. Auch der Grünen-Politiker Mehmet Kilic hat sich in die Debatte eingeschaltet.