Scharfe Kritik an Vorgehen Israel umstellt Klinik – "Werden tun, was wir tun müssen"
Israelische Truppen operieren offenbar nahe dem Krankenhaus, unter dem das Hamas-Hauptquartier vermutet wird. Eine Explosion erschütterte das Gelände.
Am Freitag erschütterte eine Explosion das Schifa-Krankenhaus in Gaza. Es ist nicht nur die größte medizinische Einrichtung im Gazastreifen. Unter ihm soll sich nach israelischen Angaben das Hauptquartier der Hamas-Terroristen befinden. Kurz nach der Explosion habe es Evakuierungen gegeben, berichten Augenzeugen nach einem Bericht des "Wall Street Journal".
Nach israelischen Angaben sei die Ursache ein fehlgeleitetes Projektil einer "Terrororganisation" gewesen, ohne diese aber zu benennen. Diese habe versucht, israelische Truppen in der Nähe anzugreifen. Damit wird zumindest angedeutet, dass sich die Soldaten der IDF in der Umgebung befinden. Laut "Wall Street Journal" seien Truppen bereits auf dem Gelände. Die WHO hat am Freitag Berichte über intensive Kampfhandlungen rund um das Schifa-Krankenhaus erhalten.
Doch dieses einzunehmen, dürfte nicht einfach sein. Noch immer sollen sich 15.000 Menschen in den Gebäuden befinden, darunter etwa 2.500 Patienten, Angehörige, medizinisches Personal und solche, die Schutz vor den israelischen Luftangriffen suchen. Israel hat geschworen, die Hamas-Führer zu finden und zu eliminieren. Das ist ihnen in den Außenbezirken und im Norden des Gazastreifens nach eigenen Angaben bislang in einigen Fällen gelungen. So habe die 401ste Brigade am Freitag 150 Terroristen im Norden getötet. Doch die Zentrale in Gaza einzunehmen, ist eine wesentlich schwierigere Operation.
"Das Hauptproblem ist jetzt die Zeit", sagte Matan Vilnai, ein ehemaliger Chef des israelischen Südkommandos, der zuvor die israelischen Streitkräfte in Gaza befehligte, der US-Zeitung. Die Hamas spare möglicherweise ihre Truppen für einen intensiveren Kampf in Gaza-Stadt, fügte er hinzu.
Druck wegen toter Zivilisten wächst
Das Krankenhaus aus der Luft anzugreifen, ist kaum noch eine Option. Der Druck auf Israel wächst, was zivile Opfer und vor allem Kinder betrifft. Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte Israel zur Einstellung der Bombardierung des Gazastreifens auf. Zudem müsse Israel aufhören, Zivilisten zu töten, sagt Macron in einem Interview mit der BBC. Es gebe "keine Rechtfertigung" für die Bombardierung.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Situation im Gazastreifen als äußerst desaströs beschrieben. "Im Durchschnitt wird in Gaza alle zehn Minuten ein Kind getötet", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus vor dem UN-Sicherheitsrat.
Es bleiben also Bodentruppen, die dann in einen Häuserkampf verwickelt werden – hohe Verluste sind zu erwarten. Hinzu kommt, dass die Hamas noch immer über ein weitläufiges Tunnelsystem in Gaza verfügt, dessen genauer Verlauf nicht bekannt ist. Immer wieder meldet Israel, dass es einige Tunnel zerstört habe, zuletzt seien es 130 gewesen. Dennoch geht man mit Vorsicht vor: Die Hamas könnte dort einige der Geiseln versteckt halten und als menschlichen Schutzschild benutzen.
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"Wenn wir Hamas-Terroristen sehen, werden wir sie töten"
Die israelischen Truppen in Gaza werden "alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen" treffen, um Zivilisten und Patienten in den Einrichtungen zu schützen, sagte Oberstleutnant Richard Hecht, ein Sprecher der israelischen Verteidigungskräfte, am Freitag. Gleichzeitig betonte er: "Wenn wir sehen, wie Hamas-Terroristen aus Krankenhäusern schießen, werden wir tun, was wir tun müssen", sagte Hecht. "Wir sind uns der Sensibilität bewusst. Aber wenn wir Hamas-Terroristen sehen, werden wir sie töten."
Diese in der dicht bebauten Stadt zu finden, ist eine Herausforderung. "Möglicherweise verstecken sie sich – indem sie Truppen aussenden, um gepanzerte Fahrzeuge anzugreifen, sich dann zu lösen und wieder unter die Erde zu gehen – und dabei Verzögerungstaktiken anwenden", sagte Oberstleutnant Jonathan Conricus, ein Sprecher des israelischen Militärs.
Die Zahl der Toten wächst derweil, nach palästinensischen Angaben liegt sie bei 11.000, während es auf israelischer Seite 34 gefallene Soldaten gegeben haben – und 1.200 Menschen, die bei den Angriffen am 7. Oktobers ermordet wurden.
Nach Expertenangaben ist es zweifelhaft, ob Israel überhaupt die Hamas auslöschen kann. US-Geheimdienste bezweifeln, dass Israel sein erklärtes militärisches Ziel erreichen kann, die von den USA benannte Terroristengruppe zu eliminieren, sagte eine mit dem Geheimdienst vertraute Person dem "Wall Street Journal". Man könne militärische Erfolge feiern, aber nicht die Ideologie ausrotten.
Mittlerweile ist Gaza weitgehend vom Rest des Gazastreifens abgeschnitten. Die Regierung in Jerusalem erlaubt die Flucht auf bestimmten Straßen zu bestimmten Zeiten, über 100.000 Menschen sollen bereits in den Süden gegangen sein.
- wsj.com: "Israel Races to Root Out Hamas as Calls for Gaza Cease-Fire Mount" (englisch)
- fr.de: "Israelisches Militär berichtet von 150 getöteten Terroristen und zerstörter Infrastruktur"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa