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Evakuierungen nach Hamas-Angriff auf Israel: Kritik an Bundesregierung


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Evakuierungen nach Hamas-Angriff
"Warum macht Deutschland das nicht auch?"


Aktualisiert am 11.10.2023Lesedauer: 5 Min.
Luftwaffe (Archivbild): Das Auswärtige Amt setzt auf Linienflüge für die Evakuierung aus Israel.Vergrößern des Bildes
Luftwaffe (Archivbild): Das Auswärtige Amt setzt auf Linienflüge für die Evakuierung aus Israel. (Quelle: Chris Emil Janssen/imago-images-bilder)

Tausende Menschen versuchen derzeit, Israel wegen des Hamas-Angriffs zu verlassen – darunter auch viele Deutsche. Doch es wird erhebliche Kritik an der Bundesregierung laut. Was steckt dahinter?

Dreimal fragt ZDF-Moderator Christian Sievers Außenministerin Annalena Baerbock am Dienstagabend: "Warum nutzt Deutschland keine Militärmaschinen für die Evakuierung von Deutschen aus Israel?" Eine konkrete Antwort gibt die Grünen-Politikerin jedoch nicht. Stattdessen versucht sie zu erklären, warum die Bundesregierung deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mithilfe von Linienflügen aus dem von der Hamas terrorisierten Land herausholen will.

"Polen, Italien, Spanien, Österreich setzen Militärmaschinen ein, um ihre Landsleute auszufliegen – warum macht Deutschland das nicht auch?", fragt Sievers mit Nachdruck.

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Zuvor hatte es bereits Kritik aus der Union am Krisenmanagement der Bundesregierung im Umgang mit in Israel gestrandeten Deutschen gegeben. CDU-Chef Friedrich Merz sagte, andere Staaten leisteten "mittlerweile entsprechende Hilfestellung beim Rücktransport ihrer Bürger". Die Bundesregierung halte dies "offensichtlich nicht für notwendig". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verlangte, wenn ein Rückflug mit Linienmaschinen nicht möglich sei, müsse die Bundesregierung dafür Regierungsmaschinen zur Verfügung stellen.

Zugleich bekundete die Bundeswehr ihre Bereitschaft zu einer Beteiligung an einer deutschen Evakuierungsmission. "Wir stehen jederzeit bereit zu tun, was zu tun ist", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch in Berlin. Die Organisation der Evakuierungen liege aber in den Händen des Auswärtigen Amtes (AA).

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"Haben priorisiert"

Baerbock rechtfertigte das Vorgehen der Ampelkoalition: "Die Länder, die Sie aufgezählt haben, haben nicht so viele eigene Staatsangehörige da. Bei uns sind es über 100.000, und deswegen haben wir priorisiert", antwortete sie Moderator Sievers auf seine Frage im "heute journal". "Das ist ja das Prinzip des Terrors: an so vielen Baustellen zu zündeln, dass alles übereinander kommt", sagte die Außenministerin mit Blick auf die brutale Hamas.

Die oberste Priorität der Bundesregierung habe demnach von Anfang an auf der Evakuierung von 17 Jugendgruppen gelegen, die sich am Samstag während des Angriffs in Israel aufhielten. "Angesichts der Situation, dass wir viel, viel mehr Menschen rausholen müssen, können wir nicht eine Militärmaschine schicken, deshalb haben wir uns zuerst um Kinder und Jugendliche gekümmert, die ohne Eltern da waren", sagte Baerbock im ZDF. Am Mittwoch erklärte sie im Bundestag, dass alle Schülerinnen und Schüler Israel inzwischen verlassen hätten.

Hamas-Angriff auf Israel

Bei einem großangelegten Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel sind seit Samstag rund 1.200 Menschen in Israel getötet worden. Zudem wurden mehr als 3.000 Menschen verletzt. Hamas-Mitglieder entführten zudem rund 150 Menschen in den Gazastreifen, darunter auch Deutsche. Israel reagiert mit einem Gegenangriff auf den Gazastreifen: Auf palästinensischer Seite starben bislang mindestens 950 Menschen. Mehr zu den Hintergründen lesen Sie hier.

Die Gruppen sind jedoch teilweise ohne Hilfe der Bundesregierung ausgereist. So kehrte in der Nacht zu Mittwoch einer Schülergruppe aus Ettlingen (Kreis Karlsruhe) sicher nach Deutschland zurück. Laut dem Landrat Christoph Schnaudigel habe man die "Rückreise (...) ohne Zögern direkt nach den Ereignissen in Israel eigenständig organisiert". Dabei habe man jederzeit auf die Expertise der israelischen Freunde vor Ort setzen können. 14 Personen flogen demnach über das türkische Antalya weiter nach Stuttgart.

In den Tagen zuvor war bereits eine Schülergruppe über Island ausgereist. Zehn Berufsschüler und ihre beiden Lehrkräfte aus dem baden-württembergischen Kirchheim/Teck hatten sich mithilfe eines isländischen Paares Plätze in einem Flieger gesichert. Das Paar hatten sie zuvor im Bunker ihres Hotels kennengelernt. Vom Auswärtigen Amt habe man bei den notwendigen Papieren Hilfe bekommen. Ansonsten sei man auf kommerzielle Flüge verwiesen worden, kritisierte der Schulleiter am Mittwoch.

Viele Airlines haben Flüge wegen Sicherheitsbedenken gestrichen

Einmal mehr betonte Außenministerin Baerbock im ZDF, dass es der effizienteste Weg für Deutsche in Israel sei, Tickets direkt über Airlines zu buchen, anstatt mithilfe von Fliegern der Luftwaffe Menschen dort herauszuholen.

Doch viele Fluggesellschaften haben ihre Verbindungen fast gänzlich oder sogar komplett gestrichen, seit die Hamas-Terroristen Israel überfielen, so etwa Lufthansa und Condor. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hatte die Lufthansa dafür scharf kritisiert: Die Airline sei "über Jahre mit Staatsgeld erhalten worden", nun müsse sie sich "auch selbst zum Wohl unseres Landes einbringen", sagte er dem "Tagesspiegel" am Dienstag.

Wenig später sollte eine Ankündigung der Fluggesellschaft den Deutschen in Israel Hoffnung machen: Lufthansa werde am Donnerstag und Freitag mehrere Sonderflüge zur Evakuierung von deutschen Staatsbürgern aus Israel durchführen, teilte das Auswärtige Amt am Dienstagabend mit. Es soll sich um vier Flüge pro Tag handeln. Das Krisenreaktionszentrum des deutschen Außenministeriums soll zuvor unter Hochdruck mit Fluggesellschaften darüber verhandelt haben, Flugkapazitäten zu erweitern.

"Wir informieren kontinuierlich"

"Wir informieren kontinuierlich über mögliche Wege, aus Israel auszureisen", hieß es weiter aus dem Auswärtigen Amt. "Unseren Informationen zufolge gibt es weiterhin kommerzielle Flüge aus Israel heraus, die genutzt werden können."

Bislang haben sich etwa 4.500 deutsche Staatsangehörige auf der Krisenvorsorgeliste "Elefand" des Auswärtigen Amts registriert. Mit der Erfassung in dem System können Deutsche im Ausland in akuten Krisenfällen schnell von deutschen Vertretungen informiert und in mögliche Krisenmaßnahmen einbezogen werden.

An diesem Mittwoch will das AA darüber informieren, wie die Betroffenen Tickets für die Sonderflüge bei der Lufthansa buchen können. Noch nicht registrierte ausreisewillige deutsche Staatsangehörige sollten sich umgehend in die "Elefand"-Liste eintragen. Zudem appelliert das AA auf seiner Website: "Wir bitten bis dahin, von Anrufen beim Auswärtigen Amt, der deutschen Botschaft Tel Aviv oder der Lufthansa abzusehen."

Baerbock: "Verstehe, dass das eine furchtbare Situation ist"

Außenministerin Baerbock betonte im ZDF, einigen Deutschen sei bereits ein Flug in die Heimat mit Zwischenstopps vermittelt worden. "Man musste dann umsteigen bei einigen Strecken. Ich verstehe, dass das eine furchtbare Situation ist, aber wenn Sie 100.000 Anrufe gleichzeitig haben, dann müssen Sie priorisieren", so die Grünen-Ministerin. Baerbock brachte auch eine Ausreise über Jordanien ins Spiel. Auch auf der Website des AA wird darauf verwiesen, Israel über den Landweg zu verlassen.

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Dort heißt es unter anderem: "Nutzen Sie dazu die Grenzübergänge im Norden Beit She’an (Jordan River)/Sheikh Hussein, insbesondere wenn Sie sich bereits dort in der Nähe befinden. (...) Sollten Sie sich ganz im Süden Israels befinden, können Sie auch den Grenzübergang Eilat (Yitzhak Rabin)/Akaba nutzen, um auf der jordanischen Seite auf dem Landweg zum internationalen Flughafen in Amman zu gelangen." Die Botschaft erkunde zudem, ob es derzeit einen regelmäßigen Fährverkehr zwischen israelischen Häfen und europäischen Mittelmeerhäfen gibt.

Doch auch dafür gibt es Kritik an der Bundesregierung. "Unfassbar naiv und orientierungslos", schrieb etwa eine Nutzerin auf der Plattform X (vormals Twitter). Eine andere Userin fragt: "Lese ich das richtig? Die Deutschen sollen von Israel irgendwie mit dem Bus nach Jordanien fahren oder bei irgendwelchen ausländischen Fluggesellschaften versuchen mitzufliegen?"

Wie gehen andere Länder vor?

Ein Vorbild soll sich die Bundesregierung laut Kritikern an anderen EU-Ländern nehmen – wie es auch ZDF-Moderator Christian Sievers erfragt hatte.

So hat das österreichische Bundesheer – vorerst an fünf Tagen – Evakuierungsflüge aus Israel organisiert. Mit dem Transportflugzeug Hercules C-130 würden ab Mittwochvormittag Ausreisewillige von Israel nach Zypern gebracht, berichtete die Agentur APA am Dienstag unter Berufung auf Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Derzeit würden 150 Österreicher in Israel auf eine Evakuierung warten. Die Hercules-Maschine habe Kapazitäten für rund 60 Passagiere.

Vorgeprescht waren am Montag auch schon Polen, Ungarn und Rumänien. Die drei Länder hatten am Montag mithilfe ihrer jeweiligen Luftwaffe erste Staatsbürger aus Israel ausgeflogen. Für Polen waren etwa zwei Militärtransportmaschinen vom Typ Hercules unterwegs. Auch Spanien hat angekündigt, seine Landsleute in den kommenden Tagen mit Militärmaschinen aus Israel nach Hause zu holen.

Am Mittwochnachmittag teilte Baerbock bei der Regierungserklärung im Bundestag mit, inzwischen hätten bereits Tausende Deutsche Israel verlassen – wie viele genau, sagte sie jedoch nicht.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
  • tagesschau.de: "Wie Staaten ihre Bürger evakuieren"
  • zdf.de: "Baerbock: 'Über 100.000 Staatsangehörige'"
  • twitter.com: Beiträge von @FrydavanGaard und @Absolut31849911
  • tel-aviv.diplo.de: "FAQ zu den aktuellen Entwicklungen in Israel"
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