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Getreideabkommen: Streit mit Putin – Erdoğan droht jetzt die Bruchlandung


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Streit mit Putin
Erdoğan droht die Bruchlandung


Aktualisiert am 04.09.2023Lesedauer: 5 Min.
UZBEKISTAN-SCO/ERDOGAN-PUTINVergrößern des Bildes
Erdoğan und Putin bei einem bilateralen Treffen (Archivbild): Der türkische Präsident sucht nach einem Kompromiss mit Russland, um das Getreideabkommen wiederzubeleben. (Quelle: SPUTNIK)

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan reist zu einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin nach Russland. Die Türkei möchte das Getreideabkommen wiederbeleben – aber die Vorzeichen dafür stehen schlecht.

Es ist eine heikle Mission für Recep Tayyip Erdoğan. In der russischen Stadt Sotschi trifft er am Montag auf Wladimir Putin, möchte mit Russland das Getreideabkommen für die Ukraine wiederbeleben. Doch selten waren die Vorzeichen bei einem Treffen zwischen Erdoğan und Putin schlechter. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei haben sich in diesem Jahr verschlechtert. Erdoğan investierte sehr viel politisches Kapital in das Getreideabkommen, das der Kreml nicht verlängerte. Als Reaktion darauf stimmte der türkische Präsident dem Nato-Betritt von Schweden zu und ließ ukrainische Asow-Kämpfer aus russischer Kriegsgefangenschaft in ihr Heimatland zurückkehren – eine Ohrfeige für Putin.

Der Ukraine-Konflikt belastet dementsprechend auch das persönliche Verhältnis zwischen den beiden Präsidenten. Putin und Erdoğan waren nie Freunde und sie haben oft völlig gegensätzliche Interessen – etwa in den Kriegen in Syrien, Bergkarabach oder Libyen. Jedoch konnten sich Russland und die Türkei bisher immer irgendwie einigen, auch wenn teilweise sehr hart verhandelt wurde.

Doch durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist inzwischen vieles anders: Erdoğan riskiert in Russland eine Bruchlandung und sieht seine Vermittlerrolle zwischen Russland und dem Westen in Gefahr. Dabei droht nicht nur ein weiteres Scheitern beim Aushandeln eines Getreideabkommens, sondern auch eine Eskalation im Schwarzen Meer.

"Wir können eine Bombardierung von Häfen nicht hinnehmen"

Schon vor ihrem Treffen in Sotschi sendete Putin ein klares Signal an die Türkei. Russland griff in der Nacht auf Montag einen wichtigen ukrainischen Exporthafen an. Bei der dreieinhalbstündigen Drohnenattacke auf den Donauhafen Ismajil in der südukrainischen Oblast Odessa wurden Lagerhäuser und Produktionsgebäude beschädigt, wie der Gouverneur der Region am Montag mitteilte.

Zudem hätten Trümmerteile abgeschossener Drohnen mehrere Gebäude der Hafeninfrastruktur in Brand gesetzt. Todesopfer oder Verletzte gab es nach ersten Erkenntnissen zwar nicht. Dennoch ist der Angriff auch eine Spitze gegen die Türkei.

Denn noch am vergangenen Donnerstag sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan in Moskau: "Wir können eine Bombardierung von Häfen und Transportmitteln nicht hinnehmen." Zugleich kündigte Russland unlängst an, jedes ukrainische Schiff im Schwarzen Meer ins Visier zu nehmen, egal ob ziviler oder militärischer Nutzung.

Erdoğan fürchtet auch deshalb eine Eskalation im Schwarzen Meer. Russische Angriffe auf Getreideschiffe könnten am Ende dazu führen, dass die Nato weitere Kriegsschiffe in die Region entsendet. Das würde das Schwarze Meer weiter zum Pulverfass machen – ein Albtraum für die türkische Regierung.

Russland fühlt sich vor den Kopf gestoßen

Der Getreidedeal, um den es jetzt in Sotschi gehen soll, ist für Erdoğan auch eine Möglichkeit, dieses Szenario zu verhindern. Der türkische Präsident möchte sich weiterhin im Westen als Vermittler präsentieren und bestenfalls gleichzeitig mit der Ukraine und mit Russland enge diplomatische Beziehungen behalten – im wirtschaftlichen Interesse der Türkei. Doch es ist völlig unklar, ob Putin dabei mitspielt.

So schätzt die Sicherheitsexpertin Claudia Major die Chancen auf eine Wiederbelebung des ukrainischen Getreideabkommens mit Russlands als gering ein. Angesichts erneuter russischer Angriffe auf ukrainische Getreidehäfen kurz vor einem Treffen zwischen Putin und Erdoğan scheine da "wenig Bereitschaft zu sein", sagte die Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) am Montag im ZDF-Morgenmagazin.

Es sei schwer vorherzusagen, "ob es dem türkischen Präsidenten tatsächlich gelingt, Russland zu überzeugen, dieses Abkommen wieder aufzunehmen", sagte Major. Die Expertin wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es "regelmäßige Gesprächskanäle zu Russland" und "immer wieder Bemühungen" um Verhandlungen gebe. "Doch Russland hat daran offensichtlich sehr wenig Interesse", meinte Major. Moskau spiele "immer noch auf Sieg".

Hinzu kommt, dass Putin sich wahrscheinlich gleich mehrfach vor den Kopf gestoßen fühlte: Erdoğan empfing im Juli den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Türkei und stellte der Ukraine einen Nato-Beitritt in Aussicht. Absprachen mit Russland über den Umgang mit ukrainischen Kriegsgefangenen, die Russland aus Mariupol in die Türkei bringen ließ, hielt er nicht ein.

Putin vergisst nicht

Außerdem machte der türkische Präsident kein Geheimnis daraus, was er vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hält: Er sprach sich mehrfach dafür aus, die Souveränität der Ukraine zu wahren. Erdoğan beliefert die Ukraine mit schweren Waffen und vor allem mit Drohnen und er ließ Putin im Juli 2022 bei einem Treffen in Usbekistan auf offener Bühne warten. Es sind Signale, die in Moskau verstanden werden, weil Putin für gewöhnlich derjenige ist, der sie im Umgang mit anderen Staatschefs sendet.

Putin ist bekannt dafür, derartige Dinge nicht zu vergessen – auch deshalb scheint sein Verhältnis zu Erdoğan aktuell unterkühlt zu sein.

Ist das Treffen also völlig aussichtslos? Nicht ganz. Denn der türkische Präsident würde nicht nur nach Sotschi reisen, um sich dort von Putin eine diplomatische Ohrfeige verpassen zu lassen. "Russland fordert den ungehinderten Export seines eigenen Getreides und seiner Düngemittel. Und wir betonen, wie wichtig es ist, diese Forderungen zu erfüllen", sagte der türkische Außenminister Fidan. An diesem Punkt könnte sich also in der Getreidefrage ein Kompromiss andeuten.

Hoffnung auf einen Kompromiss

Eine Verbesserung in ihren Beziehungen wäre für beide Staaten wichtig, denn die Türkei und Russland brauchen einander. Moskau nutzt das Nato-Mitgliedsland am Bosporus, um westliche Sanktionen zu umgehen, als Drehkreuz für russisches Gas – die türkische Regierung hat sich nicht an westlichen Sanktionen beteiligt.

Ankara hingegen profitiert davon wirtschaftlich, russische Unternehmen bauen das erste Atomkraftwerk des Landes und die Türkei erhält günstige Rohstoffe aus Russland. Zudem setzt Erdoğan auf den Einfluss Russlands auf die syrische Führung, um syrische Flüchtlinge aus der Türkei nach Syrien abschieben zu können. Denn auch aufgrund der Wirtschaftskrise in der Türkei wird dies von der türkischen Bevölkerung als drängendes Problem empfunden, um das sich die Regierung kümmern muss.

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Und das ist nur die Spitze des Eisbergs: Im Prinzip sind Erdoğan und Putin durch die zahlreichen Konflikte am Mittelmeer und in Eurasien dazu gezwungen, miteinander zu reden. Allein die Gespräche sind in diesen Zeiten ein Signal, denn der Kremlchef geht Verhandlungen mit westlichen Politikern in diesem Jahr konsequent aus dem Weg.

Aber ob das ausreicht, um das Getreideabkommen doch noch zu retten, ist fraglich. Ein Ende der russischen Seeblockade wäre wichtig, um Hungersnöte in den ärmsten Teilen der Welt zu verhindern. Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl und anderen Nahrungsmitteln – insbesondere für Länder in Afrika, im Nahen Osten und in Teilen Asiens.

Der Ausfall dieser Lieferungen nach der russischen Invasion im Februar 2022 trieb die Lebensmittelpreise weltweit in die Höhe und schürte die Sorge vor einer Hungerkrise. Nun dürften viele Länder darauf hoffen, dass Erdoğan in Russland ein diplomatischer Coup gelingt. Aber fest steht nur eines: Es wird nicht einfach.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und rtr
  • zdf.de: Treffen mit Putin soll Getreidedeal retten
  • tagesspiegel.de: Das fordert Putin von Erdogan für ein neues Abkommen
  • fr.de: Erdogan besucht Putin in Sotschi – kommt es zu einem neuen Getreide-Deal mit der Ukraine?
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