Russischer Machtapparat im Krieg "Alkohol, Sport oder Huren"
Wie gehen die vielen Beamten in Russland mit den Folgen des Ukraine-Kriegs um? Eine Recherche offenbart, dass wohl viele Entscheider immer häufiger zum Glas greifen.
Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs führen bei vielen Beamten in Russland offenbar dazu, dass sie mehr Alkohol konsumieren. Das geht aus Recherchen des unabhängigen russischen Onlinemediums "Verstka" hervor, das mit zahlreichen Beamten und dem Kreml nahestehenden Quellen gesprochen hat.
"Nicht jeder in der Präsidialverwaltung hat seinen Tag mit einem Glas Wodka begonnen", heißt es etwa in dem Bericht von einer anonymen Quelle aus dem Alltag der Beamten vor dem Krieg. "Jetzt kenne ich viel mehr solche Leute, und manche haben ihr Glas gegen eine Flasche getauscht." Die Quelle berichtet auch von einem Gouverneur, dessen Alkoholkonsum im Laufe des Krieges "völlig aus dem Ruder gelaufen sei".
Der Tag beginne häufig damit, dass der Gouverneur geweckt werden müsse oder man nach ihm suche. Dafür gebe es eine spezielle Person. Habe man ihn gefunden, trinke der Gouverneur weiter Cognac und sitze in Besprechungen da "wie ein Schneemann", womit wohl gemeint ist, dass die Bewegung des Politikers stark eingeschränkt ist.
Auch Alkohol aus dem Ausland
Nicht nur in den Regionen, auch auf den höchsten Ebenen in Moskau hat der Konsum dem Bericht zufolge zugenommen: Kremlnahe Quellen berichten, dass bei Staatsbanketten früher pro Person etwa eine Flasche Alkohol getrunken wurde, mittlerweile liege die Grenze allerdings eher bei anderthalb bis zwei Flaschen. Unklar bleibt, um welchen Alkohol es sich dabei handelt.
Üblich sei es im Kreml auch, dass trotz zahlreicher Sanktionen auch Getränke aus dem Ausland gereicht werden. "Weder der Krieg noch die nachfolgenden Sanktionen haben das Fließband der Alkoholkäufe gestoppt, im Gegenteil", sagte der Antikorruptionsexperte Danil Nowikow. Aufgetischt werde etwa französischer Wodka der Marke "Grey Goose" oder "Belvedere" aus Polen. Vor allem mit Beginn der Invasion in der Ukraine seit Anfang März sei der Konsum weiter gestiegen.
Hartnäckig halten sich auch Gerüchte, dass vor allem der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew seit Ausbruch des Krieges dem Alkohol immer mehr zugetan sei. Das bestätigten "Verstka" mehrere Quellen, allerdings ohne Details zu nennen. Bekannt sei aber, dass Medwedew einen eigenen Schnaps herstellen lasse, den er auch gerne verschenke. Der Ex-Präsident fällt seit dem russischen Überfall durch seine besonders harte Rhetorik gegenüber dem Westen in seinem Telegram-Kanal auf.
Kondome und Energydrinks
Vom russischen Präsidenten Wladimir Putin heißt es dagegen, dass er Alkohol kaum anrühre. Putin sei mittlerweile extrem empfindlich gegenüber Trinkern und Mitarbeitern, die verkatert seien, heißt es von einer kremlnahen Person. Das Medium "Projekt" berichtete allerdings im März, dass auch der Präsident in der Vergangenheit kräftig an einem Wodka verdient haben soll, der den Namen des Präsidenten trägt. Mehr dazu lesen Sie hier.
Mit Ausbruch des Krieges sei Alkohol allerdings nicht das einzige Ventil, das viele Beamte nutzen würden, heißt es in dem Bericht. Die Interessen vieler hätten sich von ihrer eigentlichen Arbeit entfernt und drehten sich nun rund um die Bereiche "Alkohol, Sport oder Huren". Korruptionsexperte Nowikow wies in dem Zusammenhang auf einen Kauf von Kondomen, Feuerzeugen, Energydrinks und Zigaretten hin, den die Präsidialverwaltung im Wert von umgerechnet 55.000 Euro bei einem russischen Kaufhaus getätigt habe. "Verstka" berichtet zudem von zwei weiteren Bestellungen in ähnlicher Höhe – allein im laufenden Jahr.
- verstka.media: "На банкете одна бутылка превратилась в две" (russisch)