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Todesurteil für Deutsch-Iraner: Sharmahds Tochter fordert Konsequenzen


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Deutschem droht Hinrichtung
"Regierung müsste zugeben, dass sie Mist gebaut hat"


Aktualisiert am 26.02.2023Lesedauer: 7 Min.
Jamshid Sharmahd und seine Tochter Gazelle: Sie setzt sich für die Freiheit ihres Vaters ein.Vergrößern des Bildes
Jamshid Sharmahd und seine Tochter Gazelle: Sie setzt sich für die Freiheit ihres Vaters ein. (Quelle: privat)

"Dein Vater hat die Todesstrafe bekommen" – diese Nachricht riss Gazelle Sharmahd aus dem Schlaf. Nun fordert die Tochter von Jamshid Sharmahd harte Sanktionen.

Seit zweieinhalb Jahren kämpft Gazelle Sharmahd für die Freiheit und das Leben ihres Vaters Jamshid Sharmahd. Damals entführten Geheimdienstmitarbeiter des islamischen Regimes den 67-Jährigen mit deutscher Staatsangehörigkeit auf einer Reise nach Dubai in den Iran. Der Vorwurf: Der Aktivist soll sich an einem Terroranschlag beteiligt haben. Beweise dafür gibt es nicht. Dennoch wurde Jamshid Sharmahd in einem unfairen Prozess und ohne Zugang zu einem Anwalt zum Tode verurteilt. Am Dienstag erfuhr seine Tochter von dem Urteil.

Zwei Tage nach der Hiobsbotschaft spricht Gazelle Sharmahd mit t-online über die drohende Hinrichtung. Beim Videotelefonat sind ihre Augen glasig – vor Müdigkeit, aber auch vor Verzweiflung. Trotzdem gibt sie sich gefasst, lächelt beim Gespräch. Was geht nun in ihr vor und was erwartet sie von der Bundesregierung?

(Quelle: Privat)

Jamshid Sharmahd

wurde 1955 im Iran geboren. Als Siebenjähriger kam er mit seiner Familie nach Deutschland. Seit 1995 besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft. 2003 zog der Softwareingenieur mit seiner Frau und zwei Kindern in den US-Bundesstaat Kalifornien. Dort engagierte er sich für die Oppositionsbewegung "Tondar" (Donner), die sich für die Freiheit der iranischen Bevölkerung einsetzt. Irans Justiz macht die Organisation für einen angeblichen Anschlag im Jahr 2008 in einer Moschee der Stadt Shiras mit mehreren Toten verantwortlich. Drei Männer wurden deswegen bereits hingerichtet.

t-online: Frau Sharmahd, wie geht es Ihnen?

Gazelle Sharmahd: Ich bin müde. Ich habe in den vergangenen drei Tagen vielleicht insgesamt zwei Stunden geschlafen. Das Todesurteil ist ein absoluter Albtraum. Mir ist zum Schreien zumute und zugleich habe ich das Gefühl, dass ich nun endlich nicht mehr schreien muss, weil die Aufmerksamkeit für meinen Vater so groß ist. So viele interessieren sich für sein Schicksal. Ich fühle mich nicht mehr allein. Vielleicht kann aus dieser schrecklichen Situation doch noch etwas Gutes entstehen.

Was haben Sie als Erstes getan, als Sie von dem Todesurteil erfuhren?

Die Erste, mit der ich gesprochen habe, war Mariam Claren, die Tochter der politischen Gefangenen Nahid Taghavi. Sie hat mich schnell gebrieft, was passiert ist und was schon gemacht wurde. Es war sehr gut, das von ihr zu hören, weil sie ja in derselben Lage ist wie ich. Wir haben kurz geweint, aber uns dann zusammengerauft und alles getan, was in unserer Macht steht, um die Hinrichtung meines Vaters aufzuhalten.

Sie bangen seit 2020 um das Leben Ihres Vaters. Hat sich nun mit der offiziellen Verkündung des Todesurteils noch einmal etwas verändert?

Wenn du es offiziell hörst, ist es noch einmal eine ganz andere Realität. Dann denkst du: Es kann doch nicht so eine Welt geben, wo das passiert. Seit zweieinhalb Jahren reden wir jeden Tag darüber. Wir haben uns darauf vorbereitet, dass dieser Tag kommen wird und sie das Urteil fällen werden. Wir haben so viel geplant – aber in dem Moment der offiziellen Verkündung war alles weg. Es war, als ob ich eine Nachricht bekommen hätte, mit der ich gar nicht gerechnet hätte.

Was werfen Sie dem iranischen Regime vor?

Das Regime terrorisiert die Menschen im Iran und außerhalb seiner Grenzen. Mein Vater war 16 Jahre lang Aktivist. Um ihn mundtot zu machen, haben sie versucht, ihn umzubringen, haben ihn entführt. Und jetzt benutzen sie ihn entweder zur Abschreckung anderer Demonstrierender oder als Warnung für Deutschland – nach dem Motto: "Passt auf, was ihr macht." Wir wissen immer noch nicht, wo mein Vater ist oder wie es ihm geht. Die iranische Regierung nutzt ihn für ein politisches Spiel. Sein Leben ist für sie unwichtig. Es zählt nur, wenn sie es nutzen können, um Deals abzuschließen.

Haben Sie von der Bundesregierung oder vom Auswärtigen Amt etwas gehört, nachdem das Todesurteil offiziell verkündet worden war?

Wir stehen im ständigen Kontakt. Wir versuchen durch den Regime-Anwalt herauszufinden, wo mein Vater ist, was mit ihm passiert, ob wir mit ihm reden können. Aber die Informationen, die ich bekomme, sind ein Witz. Wir kriegen keine Informationen, die die Öffentlichkeit nicht auch kriegen könnte. Das ist ein absoluter Skandal. Angehörige werden nicht in engere Kreise einbezogen. Ich werde wie eine Fremde behandelt, die nichts mit der Geisel zu tun hat. Ich muss durch die Medien herauskriegen, was der Bundeskanzler macht oder sagt oder welche Schritte eingeleitet werden. Man fühlt sich hilflos und ausgeschlossen.

Nach dem Urteil haben sich unter anderem Außenministerin Baerbock und CDU-Chef Friedrich Merz, der politische Pate Ihres Vaters, zu Wort gemeldet. Fanden Sie die Reaktionen angemessen?

Ich bin froh, dass es das erste Mal lautstarke Reaktionen gab. Herr Merz hat sich Wochen vorher schon als Pate für meinen Vater engagiert. Aber nun wurde endlich auch die Bundesregierung laut. Ich habe mich gefreut, dass den Worten auch sofort Taten folgten und Deutschland zwei iranische Diplomaten ausgewiesen hat.

Reicht Ihnen das?

Zuallererst frage ich mich: Warum wurde das nicht schon vor zweieinhalb Jahren gemacht, als mein Vater entführt wurde? Warum ist denn eine Entführung eines Deutschen nicht Anlass genug, um Diplomaten auszuweisen? Warum muss ein Deutscher erst getötet werden, bis da was passiert? Es wird drum herumgeredet, als wenn er ein Ausländer wäre in einem anderen Land, das uns nichts angeht. Doch die Wahrheit ist: Mein Vater ist ein deutscher Staatsbürger, er ist einer von uns. Ich habe das Gefühl, die Politik versteht immer noch nicht, worum es geht. Es geht nicht um Rechtsbeistand. Es geht nicht darum, dass die Botschaft ihm Zahnpasta und Zahnseide bringt.

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Welche Schritte fordern Sie konkret von der Bundesregierung?

Ich will jetzt Eskalation sehen, damit das Regime es nicht wagt, einen Deutschen hinzurichten. Muss etwa erst sein Blut fließen, damit Schritte eingeleitet werden? Warum können wir nicht jetzt schon mit Sanktionen drohen? Muss er erst getötet werden und dann machen wir was? Die mächtigen Politikerinnen und Politiker sollen sich vorstellen, das wäre ihr Papa, Bruder, Geliebter, der entführt und gefoltert wurde und der nun vor der Hinrichtung steht. Was würden sie für ihn machen? Genau das sollen sie auch für meinen Vater tun.

Im Jahr 2011 reiste der damalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in den Iran und holte die deutschen Journalisten Jens Koch und Marcus Hellwig aus dem Gefängnis. Zuvor hatte das Regime seinen Besuch erbeten, Westerwelle knüpfte daran die Bedingung, die beiden Männer mit nach Deutschland zu nehmen. Irans Außenminister stimmte zu. Warum passiert das nicht im Fall Ihres Vaters?

Das frage ich mich auch. Es wird immer behauptet, das sei eine andere Zeit und etwas anderes gewesen, weil es Deutsche ohne Migrationshintergrund waren. Was aber außer Acht gelassen wird: Mein Vater hat keine doppelte Staatsbürgerschaft, er hat nur einen Pass, den deutschen. Er wurde zwar im Iran geboren, aber mit sieben Jahren kam er nach Deutschland.

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(Anmerkung der Redaktion: Das islamische Regime erkennt eine Ablegung der iranischen Staatsbürgerschaft sowie eine mögliche zweite neben der iranischen Staatsbürgerschaft nicht an. Jamshid Sharmahd besitzt jedoch keine Papiere mehr und erkennt die Islamische Republik nicht an. Seine Tochter Gazelle sagt deshalb: "Er hat nur einen Pass, den deutschen.")

Wie erklären Sie sich diese Zögerlichkeit der Regierung?

Deutschland hat so viel Geld, Energie und Menschen in die Diplomatie mit dem Iran gesteckt, unter anderem in die Wiener Nuklearvereinbarung von 2015 (JCPOA), die zu Sicherheit und Stabilität in Nah- und Mittelost und darüber hinaus beitragen soll. Bei einem Strategiewechsel müsste die Politik zugeben, dass sie Mist gebaut hat. Aber aus meiner Sicht müssten sie mal so stark sein und sagen: "Wir haben mit Terroristen verhandelt. Wir sind immer noch der größte EU-Handelspartner von Terroristen." Haben wir nicht so viel Integrität, dass wir zugeben können, wenn wir einen Fehler gemacht haben? Warum fliegt Frau Baerbock jetzt nicht in den Iran und verlangt, dass sie ihren Staatsbürger sehen kann? Sie muss ja noch nicht einmal mit ihm zurückfliegen. Aber derzeit wissen wir nicht einmal, ob er noch lebt.

Ihr Vater ist Geisel des islamischen Regimes. Hätten sie ihn schon getötet oder würden sie ihn hinrichten, würden sie diese Geisel aufgeben. Warum sollten sie das tun?

Mein Vater wurde nicht rein zufällig festgenommen, sondern er hat 16 Jahre lang aktiv das Regime kritisiert und den Menschen im Iran eine Stimme gegeben. Seit fünf Monaten tun es ihm viele Bürgerinnen und Bürger gleich. Das ist eine gute Gelegenheit für das Regime zu sagen: "Deutschland interessiert er anscheinend nicht, wir bekommen nicht das, was wir wollen, dann richten wir ihn hin." Und dann vergießen sie sein Blut, um eine Botschaft an alle anderen Demonstrierenden zu senden: "Schaut, was wir mit euch machen können. Wir können euch entführen, wir können euch foltern, wir können euch sogar hinrichten, und es ist egal, welche Staatsbürgerschaft ihr habt. Dagegen könnt ihr nichts machen und niemand wird euch retten."

Sie haben an Außenministerin Baerbock appelliert, sich dafür einzusetzen, dass Sie zumindest noch einmal mit Ihrem Vater telefonieren dürfen. Was würden Sie ihm sagen?

Ich würde ihm sagen, dass ich so stolz auf ihn bin – auf alles, was er gemacht hat und alles, wofür er steht, seine Stärke. In den paar Telefonaten, die wir geführt haben, hat er uns immer beruhigt, hat gesagt, wir sollen tapfer sein. Ich würde ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe und würde versuchen, ihm so viel wie möglich zu erzählen, was in dieser Welt passiert. Dass endlich Menschen seinen Namen kennen und wissen, wofür er sich eingesetzt hat. Mein Vater hat so lange auf den Zeitpunkt hingearbeitet, dass eine Revolution gestartet wird, dass diese Ungerechtigkeit endlich ein Ende hat. Ich würde ihm sagen: Die Revolution hat angefangen, die Menschen sind aufgestanden und haben eine Stimme! Darüber würde er sich sehr freuen, das würde ihm Kraft geben.

Sorgt das Todesurteil Ihres Vaters auch im Iran für Aufsehen oder ist es dort eins von vielen?

Es ist ein riesiges Thema im Iran und in den Staatsmedien. Das Regime nutzt ihn für seine Propaganda. Sie stellen ihn schrecklich dar – als Mörder, Terroristen, als böse Person, damit ja niemand wagt, für ihn einzustehen. Doch nach 44 Jahren Propaganda glaubt dem Regime ohnehin niemand mehr.

Verwendete Quellen
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