100 Tage Emmanuel Macron Der Sonnenkönig fällt ins Schattental
Es sind alarmierende Zahlen, die in den kurzen Sommerurlaub von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron geplatzt sind. Nur 36 Prozent der Franzosen äußern sich in einer Umfrage zufrieden über seine Zwischenbilanz im Élyséepalast.
Damit schneidet er nach drei Monaten schlechter ab als sein krachend gescheiterter Vorgänger François Hollande zur gleichen Zeit. Macrons Beliebtheitswerte waren im Juli bereits um bis zu 10 Prozentpunkte gefallen.
Kurz vor seinem 100. Amtstag am kommenden Montag (21. August) ist klar: Der Gipfelsturm des sozialliberalen Polit-Jungstars ist vorerst vorbei - stattdessen muss er nun die Mühen der Ebene bewältigen. Unpopuläre Reformen und Kommunikationspannen kratzen an seinem Image, zugleich wird die Kritik am Stil des 39-Jährigen lauter. Und nach der Sommerpause warten konfliktträchtige Großbaustellen, die über das Schicksal von Macrons Präsidentschaft entscheiden könnten.
"Die Bilanz ist tatsächlich extrem dünn: 100 Tage übertriebener Kommunikation und sehr wenige konkrete Maßnahmen", lästert der prominente konservative Abgeordnete Eric Ciotti. Regierungssprecher Christophe Castaner versichert dagegen, die ersten Monate hätten "die Grundlagen für einen tiefen Umbau unseres Landes" gelegt", den Macron im Wahlkampf versprochen hatte. Wobei Castaner auch einräumt, dass die Zeit nicht frei von Schwierigkeiten gewesen sei.
Vor einigen Wochen schien es noch, als gelinge Macron alles - der "Economist" ließ ihn auf seinem Cover sogar über Wasser laufen. Was ist passiert? Nach der gewonnenen Parlamentswahl im Juni ist Macron an die Arbeit gegangen: Strukturreformen sollen Frankreich wirtschaftlich fit machen und die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen. Doch weil es nun konkret wird, bietet er auch neue Angriffsflächen. Und gleichzeitig boten die Parlamentsneulinge seiner jungen Partei La République En Marche teils ein etwas chaotisches Bild.
Für Streit sorgte etwa der Sparkurs der Regierung. 4,5 Milliarden Euro müssen in diesem Jahr gekürzt werden, um die europäische Defizitgrenze einzuhalten. Das ist auch ein Versuch, Vertrauen in Brüssel und Berlin zurückzugewinnen. Zwar verspricht Premier Edouard Philippe den Bürgern Milliarden-Steuererleichterungen - aber erst fürs nächste Jahr. Und zugleich rechneten Experten vor, dass diese den wohlhabendsten zehn Prozent der Franzosen am meisten zugute kommen.
Streit ums Geld führte auch zu einem der größten Aufreger: dem Rücktritt des Generalstabschefs Pierre de Villiers. Macron hatte ihn öffentlich abgekanzelt, weil De Villiers Sparvorgaben fürs Militärbudget kritisiert hatte: "Ich bin Ihr Chef". Öl ins Feuer von Kritikern, die Macron vorwerfen, aus dem Élysée alles kontrollieren zu wollen. Die Zeitung "Le Monde" beschrieb das Trio aus dem Präsidenten, dem Élysée-Generalsekretär Alexis Kohler und Sonderberater Ismaël Emelien kürzlich gar als "Heilige Dreieinigkeit": "Zu dritt steuern sie Frankreich", so der Text.
Zugleich hat sich Macron nach außen ein kalkuliertes Schweigen auferlegt: Er gibt kaum Interviews, die unter Hollande noch üblichen Hintergrundgespräche mit Hauptstadtjournalisten sind gestrichen. Das ist Teil seines Versuchs, sich klar von seinen Vorgängern abzugrenzen, denen ein wenig präsidiales Auftreten vorgeworfen wurde. Für Macron soll der Staatschef über den Dingen stehen - "Jupiter" wird er oft genannt, nach dem römischen Obergott. Macron wolle nicht "der Kommentator der Kommentatoren sein", richtete Castaner aus.
Stattdessen setzt Macron auf starke Bilder - er empfing Kreml-Chef Wladimir Putin im Schloss von Versailles und dinierte mit Donald Trump im Eiffelturm. Er ließ sich von einem Helikopter auf ein Atomraketen-U-Boot abseilen und besuchte im schnittigen grünen Fliegerdress eine Luftwaffenbasis. Bilder wie im Actionfilm "Top Gun", spotteten manche, denen das etwas zu viel PR-Aktion ist.
Es droht ein heißer Herbst
Auf seiner Haben-Seite kann der Präsident verbuchen, dass er sich in kürzester Zeit als Schwergewicht auf der internationalen Bühne etabliert hat. Und innenpolitisch hat Macrons Lager mehrere Vorzeigeprojekte auf den Weg gebracht: Das vor allem symbolisch wichtige Saubermann-Gesetz für die Politik, das mit strengeren Regeln Mauscheleien verhindern soll. Und das Parlament gab grünes Licht für die Regierungspläne, das Arbeitsrecht zu lockern.
Dort steht die Nagelprobe aber erst noch bevor: Die Reform soll im September mittels Verordnungen umgesetzt werden. Falls die Gewerkschaften dagegen mobil machen, könnte ein heißer Herbst drohen. Und diese Reform soll nur der Auftakt sein für weitere knifflige Veränderungen etwa bei der Arbeitslosenversicherung und beim Rentensystem. Zudem muss das Budget für 2018 geschrieben werden, was angesichts der geplanten Steuersenkungen ein sehr viel größerer Kraftakt ist als die Hauruck-Sparaktion 2017. Und dann will Macron auch noch die EU reformieren, wobei er zunächst die deutsche Bundestagswahl abwarten muss.
"Man muss Reformen machen"
Überraschend kommt die Umfrage-Skepsis gegenüber dem Staatschef nicht. In der ersten Runde der Präsidentenwahl hatte nicht einmal jeder fünfte Wahlberechtigte für Macron gestimmt. Seine Kern-Anhängerschaft ist begrenzt, viele gaben ihm eher eine Chance und wollten die Rechtspopulistin Marine Le Pen verhindern. Das ist dem Präsidenten sehr wohl bewusst.
Regierungssprecher Castaner erzählte im Sender France Inter, Macron habe ihm am Tag des Wahlsiegs gesagt: "Wir haben das Recht gewonnen, Risiken einzugehen. Denn in unserem Land muss man Reformen machen." Das Kalkül ist also, streitträchtige Veränderungen vor allem auf dem Arbeitsmarkt am Anfang der Amtszeit zu machen, um dann möglichst bald Ergebnisse vorweisen zu können. Damit das Erfolg hat, muss Macron aufs Tempo drücken - es wird eine kurze Sommerpause in Paris./sku/DP/men